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An den Rand geschrieben
EIN TABU STEHT ZUR DISKUSSION. Das Schicksal der Wiener Rathauskoalition steht, während diese Zeilen geschrieben werden, auf des Messers Schneide, aber soviel ist bereits in dieser Stunde „historisches Ereignis : Die in ihrem Selbstgefühl gestärkte, durch eine starke Politikerpersönlichkeit geführte Wiener Volksparfei verlief; auf dem zerklüfteten Gelände ihre Reservesfellungen und trat die Offensive an, die ihr übrigens, wie sie glaubt, förmlich aufgezwungen wurde. Daß die Sozialistische Fraktion im Wiener Rathaus, sich auf eine autori- tätsfromme, auf die Zentralgewalt des Bürgermeisters zurechtgezimmerfe Verfassung sowie auf ihre absolute Mehrheit stützend, nicht gerade jenes Beispiel für die Zusammenarbeit liefert, das die Sozialistische Fraktion in der Regierungskoalition von der Österreichischen Volksparfei als etwas Selbstverständliches erwartet, ist schon lange bekannt. Die Erklärung des Bürgermeisters Jonas in der Wahlnacht, wonach das Wahlprogramm der Sozialisten zugleich sein Regie- rungsprogramm sei, kam also nicht unerwartet, irritiert aber jenes gestärkte Selbstgefühl der Volksparfei dermalen, dafj man dem Bürgermeister das Zeugnis ausstellen muß, er habe sich nicht einen Deut um die Mentalität, die Gefühle und ebensowenig um die berechtigten Ansprüche seiner langjährigen Koalitionspartner gekümmert. £r hat sie gleichsam mit einer hingeworfenen Floskel in die Ecke weisen wollen. Die Antwort War nicht nur für ihn eine Überraschung. Während die Kärntnersfraße mit äußerster Sorgfalt auch nur den leisesten Anschein vermeidet, daß sie aus dem Olah-Debakel des Koalitionspartners — und manchen Folgeerscheinungen — billige Gewinne erzielen wolle, erklärte sich die Wiener Mannschaft Drimmels bereit, in die Opposition zu gehen. Sie hat damit großen Mut bewiesen, denn Oppositionspartei zu sein bedeutet nicht nur, fünf magere Jahre bis zur nächsten Wahl durchzuhalten, sondern auch, diese lange Zeitspanne politisch — und das heißt hier vor allem, propagandistisch, publizistisch — zu nützen. Also kein Schattendasein mißmutiger, grollender Gemeinderäte mehr — ein trotz allem recht behagliches Dasein —, sondern permanente Kampfsituation, die mit Klugheit, Energie und Konsequenz gemeistert werden will. Wie dem auch sei, die schon längst fällige Aufwertung des Wiener Bodens in der österreichischen Innenpolitik hat Dr. Heinrich Drimmel nicht nur versprochen, sondern bereits eingeleifef. Man kann auf die Fortsetzung gespannt sein.
GRUNDSÄTZE. Zwei Ereignisse setzten einen — wahrscheinlich wieder nur einen vorläufigen — Schlußpunkt hinter die Affäre Olah, einen Schlußpunkt freilich, der erst recht die Sorgen jener vermehrt, die den Fall Olah immer schon als ein alarmierendes Krisenzeichen der Sozialistischen Partei und damit der österreichischen Innenpolitik ansahen. Die Haupfwahlbehörde hat Franz Olah recht gegeben, der bekanntlich am Tag seines Ausschlusses aus der Partei dieser Behörde eine Erklärung zukommen ließ, in der er seinen vor den letzten Wahlen undatiert im Parfeisekretariat hinterlegten Mandafsverzicht — solche „Mandatsverzichte' sammelt die SPÖ stets vorsorglich bei allen ihren Mandataren ein — für ungültig erklärte. Prompt langte auch sein Mandatsverzicht von einst ein, aber er kam zu spät. (Schade, daß bei der Übergabe der beiden Briefe kein Fernsehreporter zur Stelle war, er hätte einen Film für den Unterricht der Staatsbürgerkunde drehen können!) Denn nun entschied die Haupfwahlbehörde für Olah, der somit Abgeordneter bleibt. Die Partei hätte betreten schweigen müssen; sie hat aber noch beteuert, daß der Mandatar nur solange sein Mandat ausüben kann, solange er das Vertrauen der Partei hat. Vom Wähler oder gar vom Staatsbürger steht in dieser Verlautbarung nichts, es wird aber gesagt, daß sich dieser Verfrauensgrundsatz einfach aus der sozialistischen Moral ergibt. Ob es sich dabei um eine besondere, für Außenstehende nicht immer zugängliche Moral handelt, wurde nicht gesagt. Die Besonderheit mancher Grundsätze, die in der SPÖ gelten, wurde jedoch offensichtlich, als man vernahm, daß der Ausschluß Franz Olahs aus der Partei von einem Schiedsgericht hätte überprüft werden sollen, deren zwei Mitglieder (von drei) den Ausschluß beschlossen haben. Olah hat seine Mitwirkung an diesem Schiedsaerichf abaelehnf, und die Partei beeilte sich, lakonisch zu erklären, dah damit sein Ausschluß „rechtskräftig" sei. So befahl es das Parteistatut.
EIN SALZBURGER KOMMUNALPOLITIKER. Der Managertod ereilte am letzten Sonntagmorgen in Salzburg einen Mann, der kein Manager im üblichen Sinn dieses Wortes war, sondern ein Mandatar des Salzburger
Volkes, und der wußte, was Mandatar zu sein bedeutet. Hans Donnenberg, Vizebürgermeister der Stadt Salzburg, hat sich, nach Zeugnis seiner Freunde und Mitarbeiter, in der Arbeit für seine Stadt, seine Mitbürger, förmlich aufgerieben. Wer nicht weiß, was Kommunalpolitik ist, wer geringschätzig auf solche „Niederungen hoher und höchster Politik hinabblickt, möge die Kollegen Donnenbergs fragen, was dieser Mann jahraus, jahrein unermüdlich, stets erfindungsreich, hilfsbereit und mit kluger Umsicht auf dem weitverzweigten Gebiet der Kommunalpolitik in Salzburg und für Salzburg geleistet hat. Die Spaziergänger in dieser schönen Stadt sahen die Parks, die Gärten und Schlösser; der das alles und noch mehr seit vielen Jahren verwaltet, gehütet, „abgeschirmt” hat, war, wie die breite Öffentlichkeit erst heute erfährt, Hans Donnenberg. Seine Hauptsorge galt in letzter Zeit der Zähmung, „Domestizierung des Massenverkehrs, der auf Salzburgs Straßen und Gassen doppelt bedrohlich erscheint und eine kulturpolitische Aufgabe ersten Ranges darsfellt. Nun muß Salzburg diesen Kommunalpolitiker, der im Grunde also ein „Kulturpolitiker war, ersetzen. Mögen seine Nachfolger an seinem Wirken ein Beispiel nehmen.
MAGERES ERGEBNIS. Die Ministerkonferenz der sieben EFTA-Länder und Finnlands in Genf in der letzten Woche stand im Zeichen des Unbehagens der Partner Englands wegen der Politik der Labour-Regierung, mit der sich diese über ihre vertraglichen Verpflichtungen hinweggesetzt habe. Die anwesenden Minister des Vereinigten Königreichs operierten geschickt, und es gelang ihnen, mit einigen vagen Zusicherungen etwa die skandinavischen Vertreter milder zu stimmen. Auch Außenminister Kreisky erklärte nach Abschluß der Konferenz: Die britische Importabgabe habe österreichische Exporte im Werte von rund einer Milliarde Schilling in die Gefahrenzone gebracht. „Wir haben aber jetzt berechtigte Hoffnung, daß innerhalb der nächsten Monate eine erste Herabsetzung der Abgabe durchgeführt wird.. . Diese Äußerung Kreiskys brachte ihm bereits scharfe Kritik seitens der ÖVP ein.
DER LINKSRUCK DAUERT AN. Die am letzten Sonntag und Moniag staftgefundenen Wahlen für die Provinz- und Gemeinderäte in Italien erbrachten den Beweis, daß sich die Kommunistische Partei Italiens im langsamen aber ständigen Vormarsch befindet. Sftmmenanfeil statt wie bisher 25,5 nunmehr 26 Prozent. Die Democrazia Cristiano, welche die Gefahr offenbar erst im letzten Moment erkannte, hat 37,4 Prozent (gegenüber früher 38,3 Prozent) der Stimmen gewonnen. Die Liberalen verstärkten ihre Position von 6,9 auf 7,9 Prozent, die Sozialdemokraten von 6,3 auf 6,6 Prozent. Der Anteil der Nenni-Sozialisfen ging von 14,2 auf 11,3 Prozent zurück. Die „linke Mitte' hat damit die Mehrheit in Mailand, Florenz und Neapel und noch in weiteren Gemeinde- und Provinzräten verloren. Die Ursachen für diese Entwicklung dürften bei den wirtschaftlichen Krisenerscheinungen der letzten Monate, aber vermutlich auch tiefer liegen.
BLUTIGER DIENSTAG IN STANLEYVILLE. Das Abschlachten wehrloser Menschen vor dem „Lumumba-Denkmal”, Kannibalismus, brutalste Drohung, Vergewaltigung, Plünderung waren auch vor dem letzten blutigen Dienstag keine Neuigkeiten mehr in Stanleyville. Die „Rebellen , die nach Moskauer, Belgrader oder Kairoer Darstellung eigentlich durchaus disziplinierte und demokratisch gesinnte Befreiungstruppen eines sich nach Freiheit sehnenden Volkes sein oder zumindest als solche angesehen werden sollen, haben in Wirklichkeit die Uhr der Geschichte in diesem Teil der Erde zurückgedreht: totale, blutige Anarchie, Schreckensschreie, perverser Mord, Irrsinn sind die Begleitumstände eines „notwendigen Überganges vom Kolonialismus in die Freiheit. Wer zählt die Opfer, wer schafft Frieden und Gerechtigkeit im Kongo und anderswo, wenn die Gewalt das Gesetz der Stunde ist und alles, was im Namen der manipulierbaren Leertormel „Freiheit” verübt wird, von den Opportunisten in Ost und West nachträglich mit hohltönenden Tiraden sanktioniert wird? Die Geschichte lehrt freilich, daß Freiheit immer hohen Blutzoll gefordert hat von denen, die sie anstrebfen und erkämpften. Aber wie off haben schon Tyrannen und Terroristen im Namen der „Freiheit" gewütet, Irrsinnstafen verübt und damit diesen Namen mißbraucht? Die Zeiten sind, so heißt es, andere geworden. Also man warte auf das klärende Wort der Vereinten Nationen, die hier, treu ihrem Auftrag, nicht werden schweigen dürfen.
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