Das Jahr der Ungewissheit

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Dort, wo Tirol an Salzburg grenzt“ - dort beginnt, so weiß es die Landeshymne, Kärnten. Die politischen Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser drei aneinander grenzenden Länder beschäftigen zur Zeit die Protagonisten des politmedialen Betriebs. Dies natürlich insbesondere im Hinblick auf die Ende September stattfindenden Nationalratswahlen: Was, so fragen sich Politiker, Parteistrategen und professionelle Beobachter, lässt sich aus den Landtagswahlen an allgemeinen Trends herauslesen, und was ist den je spezifischen Gegebenheiten in den Ländern geschuldet?

Die Antworten darauf fallen naturgemäß sehr unterschiedlich aus. Man könnte auch sagen: Wie bei einem guten Programm ist für jeden was dabei. Für die SPÖ Kärnten, für die Grünen Zugewinne in NÖ, Kärnten und Tirol plus Regierungsbeteiligung in Kärnten, für Stronach Niederösterreich und Kärnten, für die ÖVP Niederösterreich, das "Ostarrichi“ der Volkspartei, plus ein relativer Erfolg in Tirol - und für die FPÖ einstweilen nur die Hoffnung auf Salzburg am nächsten Sonntag …

Salzburger Festspiele - für wen?

Dorthin richten sich auch die Blicke der anderen: Anders als in Niederösterreich und Tirol ist dort ein Machtwechsel im Bereich des Möglichen. Was der ÖVP in der Steiermark nicht gelungen ist und auf mittlere Sicht auch nicht gelingen wird, könnte dort passieren: die Rückeroberung eines angestammten schwarzen Kernlandes. Atmosphärisch zumindest ist das von einiger Bedeutung: Gelingt es der ÖVP, wird Werner "mehr Gerechtigkeit“ Faymann noch finsterer dreinblicken und Michael "mich wundert das ich so frölich bin“ Spindelegger noch ein wenig selbstbewusster das Lied vom "Jahr der ÖVP“ singen. Andernfalls wird der Kanzler seine Liebe zur Salzburger Landeshauptfrau entdecken und Karlheinz Kopf irgendetwas von Regionalwahlen erzählen.

Im Herbst wird es dann wieder ganz anders kommen als erwartet/befürchtet/prophezeit. Und wir werden da sitzen und uns anhören, wie es kommen konnte, dass die Meinungsforscher so daneben gelegen sind, warum die ÖVP doch knapp hinter der SPÖ (bei Verlusten beider Parteien) geblieben ist, wieso die Grünen schon wieder in den Umfragen besser waren als unterm Strich, wie heruntergekommen die politische Kultur sein muss, dass der Selfmademan-Charme des Austrokanadiers für den Einzug in den Nationalrat reicht und weshalb Strache unterm Strich besser als in den Umfragen, aber doch weit weg von seinem Ziel die Nummer eins zu werden, hat bleiben müssen (aber wenn sich jetzt die "Großparteien“ nicht besinnen, dann marschiert er bei der nächsten Wahl durch …).

Das Spannendste an diesem Wahljahr aber ist - und Tirol war hier exemplarisch - die Aufsplitterung der Parteienlandschaft und deren höchst unterschiedliche Interpretation je nach ideologischen Bedürfnissen.

Lauter "Bürgerliche“

Dabei zeichnet sich als Mainstream eine Sprachregelung ab, die alles was nicht rot oder grün ist, im Zweifelsfall als "bürgerlich“ zu bezeichnen. Die FPÖ, Stronach, die NEOS, das BZÖ, zuletzt in Tirol alles von Fritz (Dinkhauser) bis Fritz (Gurgiser) und Vorwärts Tirol. Aber nicht jeder, der einen Trachtenanzug unfallfrei tragen kann oder schon einmal eine Kirche von innen gesehen hat, geht als "bürgerlich“ durch - und auch nicht jeder junge Urbane, der Begriffe wie Transparenz oder Eigenverantwortung buchstabieren kann. Die kernigen VP-Rebellen im Gefolge Fritz Dinkhausers haben etwa mit den Grünen sicher mehr Berührungspunkte als mit wesentlichen Gruppen ihrer eigenen Partei oder wirtschaftsnahen Sozialdemokraten (gut, von denen gibt es seit Alfred Gusenbauer nicht mehr so viele, aber das ist eine andere Geschichte).

Um dieses Missverständnis aufzuklären, bräuchte es freilich irgendjemand, der Interesse an politisch-programmatischer Arbeit in diesem Land hat. Also lassen wir es einfach.

rudolf.mitloehner@furche.at

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