Was Fritz von Martin lernen kann

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Selbst ein fehlerloser Wahlkampf - den etwa Dinkhausers Liste nicht führte - reicht für den Einzug einer kleinen Partei ins Parlament noch nicht.

Damit eine kleine Partei den Einzug ins Parlament schafft, also die Vier-Prozent-Hürde überspringt, müssen mehrere Voraussetzungen gegeben sein:

Dazu gehört zunächst die Trias aus Kandidaten, Botschaft und Zielgruppen: Kandidaten stehen auch in einer personalisierten Auseinandersetzung für bestimmte Ziele (und Erwartungen der Wählerschaft). Für die personellen und inhaltlichen Botschaften müssen ausreichend große Zielgruppen in der Wählerschaft vorhanden sein. Angesichts der unübersehbaren Schwächen der beiden Großparteien und der weit verbreiteten Unzufriedenheit mit dem derzeitigen Parteiensystem ist unter diesem Gesichtspunkt die Situation für neue Parteien günstig.

Entscheidend ist auch eine professionelle Konzeption des Wahlkampfs. Einerseits muss es durch dramaturgisch geschickte Medienarbeit gelingen, intensive Präsenz in wichtigen auflagenstarken Medien zu erreichen. In den drei bis vier Wochen vor dem Wahltag konzentriert sich die öffentliche Aufmerksamkeit nämlich auf die Kandidaten der etablierten Parteien. Die Umsetzung der Wahlkampfbotschaften in - teure - Werbemittel ist ebenfalls wichtig. Nicht zuletzt brauchen auch Kleinparteien Präsenz vor Ort durch Funktionäre, Mitglieder und Sympathisanten. Übrigens brauchen sie auch herzeigbare Kandidaten auf Landeslisten und in Regionalwahlkreisen - diese werden von der politischen Konkurrenz und den Medien nämlich gnadenlos "durchleuchtet" und dürfen der Partei zumindest nicht schaden. Dass Fritz Dinkhauser wochenlang unter großer medialer Beachtung zunächst nach möglichen Verbündeten und Kandidaten in anderen Bundesländern für seine Kandidatenliste suchen musste und dann große Schwierigkeiten beim Sammeln der Unterstützungserklärungen hatte - beides Folge einer mangelnden organisatorischen Verankerung -, hat der Einschätzung seiner Erfolgsaussichten sehr geschadet. Das Liberale Forum hatte zumindest dieses Manko nicht.

Dass eine gute Ausgangsposition kein Garant für einen Einzug in den Nationalrat ist, kann anhand der Nationalratswahl 2006 studiert werden. Hans-Peter Martin hatte bei der Europawahl 2004 mit 14 Prozent einen Überraschungserfolg gelandet. Auch wenn dieses Ergebnis nicht auf Nationalratswahlen übertragbar war, hatte er damit für sein Antreten bei der Nationalratswahl 2006 zumindest eine gute Ausgangsposition. Sein Hauptthema 2004 war Kritik an der Spesenpraxis im Europaparlament gewesen, wodurch er die Motive einer Kritik an Privilegien der "politischen Klasse" und an der EU besetzt hatte. Seine "politische Marktlücke" war 2004 wie 2006 somit Populismus ohne ausländerfeindlichen bzw. rechtsextremen Hautgout (2008 Fritz Dinkhausers Position). Mit Ausnahme von FPÖ/BZÖ waren alle etablierten Parteien betont proeuropäisch, was in einem Staat mit besonders EU-skeptischer Bevölkerung eine bemerkenswerte "Marktlücke" in der politischen Mitte sowie im linken Spektrum darstellte (die von der SPÖ erst im Juni 2008 zumindest teilweise geschlossen wurde).

Obwohl Martin zunächst auch problemlos die nötigen Unterstützungserklärungen sammeln konnte und bei der Kandidatenaufstellung kaum Fehler machte, erreichte er trotzdem nur 2,8 Prozent: Etwas überraschend hatte die Kronen-Zeitung ab dem Zeitpunkt seiner Kandidatur ihre Berichterstattung über ihren bisherigen Kolumnisten nahezu eingestellt, vor allem aber ging Martin in der hochgradigen Polarisierung zwischen ÖVP und SPÖ medial unter. Die Erfahrungen zeigen mehrerlei: Eine grundsätzlich vorhandene, ausreichend große Zielgruppe ist für sich kein Erfolgsfaktor. Ergebnisse anderer Wahlen sind nicht auf Nationalratswahlen übertragbar, sonst hätte Martin bei gleicher Stimmenzahl immerhin gut sechs Prozent erreichen können. Auch das BZÖ erreichte 2006 in Kärnten bei weitem nicht die 42 Prozent der Haider-FPÖ der Landtagswahl 2004, sondern eben "nur" beachtliche 24,9 Prozent (womit auch Hoffnungen Fritz Dinkhausers auf ein Grundmandat in Tirol irreal erscheinen). Und in der Schlussphase von Wahlkämpfen werden Kleinparteien medial kaum mehr wahrgenommen.

Obwohl die Wahlkampfberichterstattung den Eindruck erweckt, dass der Parlamentseinzug den zentralen Erfolgsmaßstab für Kleinparteien darstellt, beginnt danach erst die nachhaltige Aufbauarbeit: Die Vertretung durch einen - kleinen, möglicherweise personell heterogenen und politisch unerfahrenen - Parlamentsklub garantiert ja keine Durchsetzung inhaltlicher Ziele. Sobald eine kleine Partei keinen medialen "Neuigkeitswert" mehr hat, tritt die Bedeutung der Faktoren "professioneller Wahlkampf" (also auch finanzieller Ressourcen) und Organisation stark in den Vordergrund. Soll der Erfolg dauerhaft sein, muss die Partei versuchen, stabile Strukturen in den Ländern aufzubauen, und danach trachten, auch in die Landtage einzuziehen, weil dies die einzige realistische Möglichkeit darstellt, sich auch dezentral regelmäßige Einnahmequellen aus der staatlichen Parteienfinanzierung zu sichern.

Die Grünen benötigten nach ihrem erstmaligen Einzug in den Nationalrat (1986) für diese "flächendeckende" Etablierung (letzter Landtag: Kärnten 2004) immerhin 18 Jahre. Das LIF hingegen blieb nach Anfangserfolgen bei seinem ersten Versuch (1993-1996: Niederösterreich, Nationalrat, Steiermark, Europaparlament und Wien) auf halbem Weg stecken und wurde bis 2002 wieder aus allen Parlamenten hinausgewählt. Die Nationalratswahl 2008 ist für diese Partei somit die zentrale und auf lange Zeit wohl einzige Chance für einen Neubeginn.

Falls LIF, Liste Fritz oder eine andere Kleinpartei den Einzug in den Nationalrat schaffen sollten, wäre damit also erst ein Etappenziel erreicht: 2009 stehen die Europawahl und Landtagswahlen in Oberösterreich, Salzburg, Steiermark und Kärnten an, 2010 in Wien und Vorarlberg. Auf den Gipfelsieg würden die Mühen der Ebene folgen.

Der Autor ist Politologe in Wien.

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