7075294-1993_16_03.jpg
Digital In Arbeit

„Italien-Zustände" in Niederösterreich?

Werbung
Werbung
Werbung

Die niederösterreichische Landtagswahl am 16. Mai bringt dem Land eine zweifache Premiere: Die Bewährungsprobe für das neue Wahlrecht mit Vorzugsstimmensystem in 21 - bisher nur vier - Wahlkreisen sowie eine bisher unbekannte „Parteienflut". ÖVP, SPÖ, FPÖ, bisher bereits im Landtag vertreten, dazu das Wahlbündnis Grüne Alternative & Bürgerlisten (GABL) und die Vereinten Grünen (VGÖ) kandidieren landesweit, das „Liberale Forum - Heide Schmidt" (LIF) tritt in 18, die KPÖ in neun Wahlkreisen an, während die Autofahrerpartei (ÖABP) nur im Bezirk Krems die notwendige Unterstützung zur Kandidatur erfahren hat.

Die einen - wie der Innbrucker Politikwissenschaftler Rainer Nick - sehen „italienische Zustände" heraufdämmern und in der Zersplitterung der Parteienlandschaft eine Gefahr, die zur Unre-gierbarkeit führen könnte, andere begrüßen das Mehr an Konkurrenz durch das Listenbukett als demokratische Würze, als logische Folge handfester Parteienverdrossenheit den etablierten Gruppierungen gegenüber.

Das letztgenannte Argument darf gewissermaßen bereits als widerlegt gelten. Nirgendwo in Österreich hat das Auftreten neuer oder umgemodelter Gruppierungen bisherige Nicht-Wähler zurück an die Urnen gebracht, die Wahlbeteiligung ist im Gegenteil weiter gesunken. Richtig ist aber, daß sich dadurch das Protestwählerpotential anders verteilt. Dort findet die eigentliche Aufsplitterung statt.

Die Vier-Prozent-Hürde muß aber eine Liste erst einmal überspringen, um dann bei der Mandatsverteilung - und die erfolgt streng proportional nach dem Stimmenanteil - zum Zug zu kommen. Das schränkt die Mandatschancen für Kleinparteien doch ziemlich ein. Aber natürlich werden die Stimmen, die sie an sich ziehen, den größeren Konkurrenten „abgehen" - und nicht nur diesen. So könnten sich etwa die beiden Grün-Listen wieder einmal gegenseitig den Einzug in den Landtag verbauen.

Im Prinzip hoffen ÖVP, SPÖ und -erstmals in Niederösterreich - auch die Freiheitlichen, daß die fünf Mitkonkurrenten die Vier-Prozent-Hürde verfehlen. Dann „verfällt" nämlich deren Stimmenanteil bei der Mandatsbe- und -abrechnung.

Wenn aber eine Kleingruppierung landesweit die vier Prozent und damit den Einzug in den Landtag schafft, wird die blau-gelbe Welt deshalb weder untergehen noch unregierbar. Das Problem der Bundesregierung sind doch auch weniger die anderen drei oppositionellen, sondern vielmehr die zwei eigenen Fraktionen im Nationalrat.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung