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Viel rote Luft im grünen Ballon

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Seit ihrem 1. Bundeskongreß in Klagenfurt bilden die Grün-Alternativen nicht nur eine Wahlgemeinschaft, sondern sie haben sich auch zur Partei „mausern” müssen.

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Seit ihrem 1. Bundeskongreß in Klagenfurt bilden die Grün-Alternativen nicht nur eine Wahlgemeinschaft, sondern sie haben sich auch zur Partei „mausern” müssen.

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26 Monate liegen zwischen der „Schlacht” um die Donauau bei Hainburg im Dezember 1984 und dem „Opernball-Krawall” gegen den atomaren Wiederaufarbeiter Franz Josef Strauß im Februar 1987. Und wenn die Medien seinerzeit davon geschrieben haben, die Republik werde nach dem Polizeieinsatz gegen die Aubesetzer nicht mehr so sein wie zuvor, dann trifft das nur bedingt zu.

Tatsächlich wurde der Einsatz der Staatsgewalt zur Durchsetzung eines umstrittenen Kraftwerksbaus zumindest bis heute nicht wiederholt. Die österreichische Ökologie-Bewegung aber bekam Appetit auf mehr, nämlich auf eine politische Vertretung im Zentrum der Demokratie, im Parlament.

Nach bundesweiten Probeläufen wie dem Konrad-Lorenz-Volksbegehren oder der Präsidentschaftskandidatur der „Au-kämpferin” Freda Meissner-Blau wurden mehrere Anläufe in Richtung einer gemeinsamen Nationalratsliste aller Grünen, Alternativen, Bürgerrechts- und Friedensbewegten Österreichs unternommen — mit wechselnden Erfolgen. Denn eines war nach der Nationalratswahl 1983 klar: nur eine grün-alternative Partei hat unter den herrschenden politischen Verhältnissen auf Bundesebene die Chance, mit Abgeordneten ins Parlament einzuziehen.

Unter dem Druck dieser Erfahrung und bedingt durch die vorzeitige Beendigung der Legislaturperiode einigten sich die größten Grün-Gruppierungen letzten Herbst mit viel Bauchweh auf eine gemeinsame Liste für die Nationalratswahl am 23. November 1986. Die Diskussion über die Gründung einer gemeinsamen Partei wurde auf die Zeit nach der Wahl verschoben.

Viele Fragen, vor allem auch so wichtige wie die mögliche ideologische Spannweite einer solchen neuen Partei, blieben ungeklärt im Raum stehen. Und dieser Umstand führte letztlich zur Ausgrenzung einer widerspenstigen Frauen-Gruppe vor der Wahl in Wien und zum wohl endgültigen Bruch mit dem größten Bündnispartner, den „Vereinten Grünen Österreichs” (VGÖ), vor dem 1. Bundeskongreß der neuen Parlamentspartei am 14. und 15. Februar 1987 in Klagenfurt.

Dennoch: viele Mitglieder der VGÖ hatten schon zuvor die Fronten gewechselt. Immerhin versprach die vorgelegte Satzung der um den Namen der Listenführe-rin Freda Meissner-Blau amputierten „Grünen Alternative (Grüne)”, daß sie „die gemeinsame demokratische Organisation der Menschen, die sich in ökologischen, demokratischen, sozialen Bereichen, in der Kultur- und in der Friedenspolitik engagieren und für die Gleichberechtigung der Frauen in Beruf, Politik und in der Gesellschaft eintreten”, sein wolle.

Und in einer Presseaussendung der bis zum Bundestag provisorischen Bundesgeschäftsführung vom 11. Februar kommt der Wille zur „Breite der Bewegung — von wertkonservativ bis fortschrittlich” zum Ausdruck.

Wie so oft im Leben geht auch in diesem Fall der Wille wahrscheinlich fürs Werk. Den Ton in der neuen Partei geben die „versprengten *68er” an. Der heute bereits leicht antiquiert wirkende Jargon der „Neuen Linken” aus den spätsechziger Jahren schlägt zum Beispiel in der „Alternativen Regierungserklärung 1987” voll durch (siehe Leseprobe „Den Schleier lüften”).

Und die „Gesäß-Fraktion” in der neuen Partei, jene, die Beschlüsse in ihrem Sinn durch allgegenwärtige und stundenlange Präsenz „ersitzen”, haben ihre politische Grundschule zumeist bei den sozialistischen Studenten oder der linken „Gewerkschaftlichen Einheit” (GE) absolviert.

Deshalb plädierte selbst der grün-alternative „Linksverbinder” im Nationalrat, Peter Pilz, beim Klagenfurter Kongreß für eine „Berücksichtigung aller Strömungen der Bewegung” bei der Wahl der Führungsfunktionäre.

Herausgekommen ist schließlich eine Dominanz der „Linken”: zumindest bei drei der fünf Frauen und bei zwei der drei Männer im Bundesvorstand schlägt das „ideologische Herz” nach eigenen Angaben „links von der Mitte”.

Eine solche Diagnose ist aber auch nur bei der „Grünen Alternative” möglich: denn ehe einer in eine Funktion berufen wird, muß er vor den Delegierten quasi einen ideologischen, mitunter bis ins Persönliche reichenden „Seelen-Striptease” hinlegen.

Noch wird bei der „Grünen Alternative” zum Kampf um Macht und Einfluß mit offenem Visier angetreten. Taktische Winkelzüge, wie sie beim großen Vorbild, den „Grünen” in der Bundesrepublik Deutschland, zwischen den „Realos” und den „Fundis” auf der Tagesordnung stehen, prägen die kleine österreichische Schwesterpartei derzeit nicht.

Und ein weiteres Unterscheidungsmerkmal gegenüber den bundesdeutschen „Grünen” ist das Fehlen von Themen wie Atomkraft oder Nato-Bündnis im neutralen und kernkraftfreien Österreich. Die rot-schwarze Koalitionsregierung soll sich darüber hinaus hinter den Kulissen auf einen Kraftwerksbau-Stop für die Dauer dieser Legislaturperiode geeinigt haben.

All dies erschwert und erleichtert zugleich die politische Strategie der österreichischen Grünen im Vergleich zu den bundesdeutschen. Auf der einen Seite braucht die grün-alternative Bewegung spektakuläre ökologische Streitthemen wie handfeste, umweltzerstörende Bauvorhaben für die Mobilisierung von Protest. Auf Fragen wie der Ausstieg aus der Atomenergie einer möglichen Koalition im Weg.

Das dürfte aber derzeit die geringste Sorge der „Grünen Alternative” sein. Vielmehr wird der vierten Parlamentspartei noch der Umstand zu schaffen machen, daß sie neben Jörg Haiders FPÖ kein Monopol auf potentielle Protestwähler hat.

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