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Veranstaltungshatz

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Ehe der Wahlkampf in Wien noch richtig angelaufen ist, muß sich Bürgermeister Gratz Spekulationen der ÖVP un seine politische Zukunft gefallen lassen.

Bekanntlich hatte Gratz auch in der Öffentlichkeit immer wieder für Veränderungen in der sozialistischen Gemeinderats- und Stadtratsgarnitur plädiert, jedoch keine einzige durchsetzen können. Auf eine Kurzformel gebracht: Slaviks Team bleibt, denn Probst ist der „Boß“! Deshalb dürfte es auch Gratz mißlungen sein, auch nur einen einzigen Mann seiner engeren Wahl in den Gemeinderat zu bugsieren. So scheiterte vor allem der junge wissenschaftliche Leiter des kommunalpolitischen Dokumentationszentrums, Prof. Egon Matzner, daran, von Gratz favorisiert worden zu sein. Im 10. Wiener Gemeindebezirk, der politischen Heimat von Probst und Hintschig, fiel er auf den zehnten Platz der Kandidatenliste für den Gemeinderat zurück. Gratz' Favorit für eine moderne Kulturpolitik in Wien, Otto Steininger, wurde erst gar nicht placiert.

Ferner klagt Gratz nun auch schon in einer größeren Öffentlichkeit darüber, daß sich die Wiener SPÖ-Spitzen aus dem Wahlkampf völlig heraushalten, ihn aber von Veranstaltung zu Veranstaltung hetzen, so daß er gar nicht dazu komme, Kommunalpolitik zu machen. In zwei wichtigen Fragen dieses Wahlkampfes wurde Leopold Gratz sowohl von seinen Parteifreunden im Wiener Rathaus als auch von der Bundesregierung präjudiziell:: die Donauinsel wird nach dem Willen der SPÖ-Spitze nach dem Konzept Slavik, für den Gratz bei jeder parteioffiziellen Veranstaltung Blumen streuen muß, gebaut. Das UNO-City-Projekt wird realisiert, weil sich Bundeskanzler Kreisky mit allem Engagement für die Sache einsetzt.

Angesichts dieser Sachlage mußten Gerüchte über Gratzsche Schwierigkeiten zwangsläufig entstehen. Wie es dazu heißt, sehnt sich Gratz wieder nach ruhigeren Zeiten in einem Ministerium zurück. Darüber hinaus dürfte er wieder mit dem Gedanken der Kreisky-Nachfolge spielen: Gratz hat in diesem Zusammenhang nie geleugnet, gewisse Ambitionen auf das höchste Amt in der Sozialistischen Partei zu verspüren,

Selbstredend führten die Gerüchte über die Rathausmüdigkeit von Gratz auch in der Wiener SPÖ-Or-ganisation zu Diskussionen über die polltische Zweckmäßigkeit einer vollen Unterstützung von Gratz durch die Wiener SP-Spitze. Prompt meldete sich der stellvertretende Wiener SP-Obmann Pfoch, seines Zeichens Obmann der Ottakringer Organisation und auch lange Jahre ein möglicher Slavik-Nachfolger, über die „Sozialistische Korrespondenz“ zu Wort. So meinte er, daß „sich die Sozialisten auf die Leistungen der vergangenen viereinhalb Jahre berufen können, die ein solides Fundament für die künfitge Arbeit sind“. Im Klartext könnte das heißen: wer sagt, daß wir Wiener Sozialisten Gratz brauchen, wo wir doch ohnedies — wie die Vergangenheit beweist — tüchtig genug sind? Stadtrat Hofmann, der zuerst als anderer möglicher Slavik-Nachfolger seinerzeit oft im Wiener Rathaus genannt wurde, schwieg, weil er derzeit damit beschäftigt ist, die Weichen für seine künftige Laufbahn zu stellen.

Wie die Dinge liegen, gibt es personalpolitische Situationen in der Wiener SPÖ in Parallele mit der oberösterreichischen SP-Szene. Aus Beamtenkreisen des Wiener Rathauses klingt es deutlich durch, daß man sich mit Aktivitäten für irgend jemand vorläufig nicht festlegen will: „Die Zukunft von Gratz muß ja nicht hier liegen“, meint ein ängstlicher Beamter, und wer die eigentliche Slavik-Nachfolge antritt, ist offenbar noch keine ausgemachte Sache. In diesem Zusammenhang verweisen Gratz-nahe Kreise in der Wiener SPÖ auch darauf, daß sich die sozialistische Wahlwerbung allmählich von der Person Gratz wegbewegt und auf den Dreieckständem in den diversen Wiener Bezirken mehr und mehr die Konterfeis von Gemeinderäten und Bezirksvorstehern aufscheinen.

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