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Vernebelte Pleite

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Nach neuestem Stand kosten die noch immer recht undurchsichtigen Bauring-Abenteuer auf Wiener- und Wüstengründen die Steuerzahler rund 1,3 Milliarden Schilling. Mit diesem Betrag hätte man rund 3500 Wohnungen üblicher Größe und Ausstattung errichten können.

Als die dubiosen Geschäfte des Baurings Anfang Juli 1973 bekannt wurden, schrieb die „Arbeiter-Zeitung“, daß es sich dabei um keinen Skandal, sondern um ein Wahlmanöver der ÖVP handle. Damals behauptete Bürgermeister Gratz, man könne es doch einem Unternehmen nicht verbieten, dm Ausland Gewinne zu machen. Erste Verlustzahlen nannte Bauring-Aufsichtsratsvorsitzender Reinhold Suttner im März 1974 (er sprach damals von 120 bis 200 Millionen Schilling); durch bislang bekannt gewordene Pleiten in Saudi-Arabien, Spanien, Griechenland, der CSSR und im Wiener Grüngürtel haben sich die Verluste inzwischen zumindest verachtfacht. Nicht alle Bauring-Geschäfte wurden unter Bürgermeister Felix Slavik entriert, für jedenfalls zwei Pleiten („Beficor“ und Bürgschaften für diverse SPÖ-nahe Wohnbaugenossenschaften) trägt Bürgermeister Gratz die volle politische Verantwortung, auch wenn er das nicht wahrhaben möchte.

Im Frühjahr 1974 recherchierten Privatleute (so etwa der Wiener Mittelschulprofessor Ernst Garns und der Bautechniker Alfred Worm) das Ausmaß der Bauring-Pleiten. Beide mußten erfahren, was es bedeutet, in Wien die sozialistische Gemeindepolitik zu kritisieren: Der eine erfuhr seitens des sozialistischen Präsidenten des Stadtschulrates berufliche Nachteile; der andere kündigte, ehe ihn sein Arbeitgeber unter dem Druck des Wiener Rathauses hätte kündigen müssen.

Bürgermeister Gratz ließ sich dagegen sehr viel Zeit, ehe er die Staatsanwaltschaft einschaltete. Als Unterlage für die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen stellte er einen politisch deutlich eingefärbten Kon-trollamtsbericht zur Verfügung, der wesentliche Fakten schuldigblieb. So wird in diesem Kontrollamtsbericht das seltsame Hin und Her von 67 Millionen Schilling Provisionen kaum erwähnt. Aber auch die Staatsanwaltschaft ließ sich viel Zeit, um erst im Oktober 1975 Anzeigen gegen einige Geschäftsführer zu erstatten. Schon die ersten Einvernahmen der ehemaligen Bauring-Geschäftsführer zeigten, wie der Bauring-Prozeß — möglicherweise findet er wirklich noch in diesem Jahr statt — angelegt werden soll: Als ein Verfahren wegen fahrlässiger Krida. Die politische Natur des Bauring-Skandals kommt kaum zur Sprache.

Das ist sehr zu bedauern, weil dadurch der Bauring-Prozeß zur Farce werden muß. Immerhin gab es seit der Aufdeckung des Bauring-Skandals im Juli 1973 äußerst widersprüchliche Aussagen zahlreicher hoher und höchster sozialistischer Politiker. Da beschuldigte der frühere Bürgermeister Slavik den seinerzeitigen Finanzstadtrat Otto Schweda, über die Bauring-Affäre bis ins kleinste Detail informiert gewesen zu sein. Schweda bestreitet dies und wird darin vom Bauring-Aufsichtsratsvorsitzenden Suttner unterstützt, der erst vor zwei Monaten erklärte, daß das Wiener Rathaus über die Bauring-Transaktionen genau Bescheid wußte. Da übernimmt Bürgermeister Gratz von seinem Vorgänger Slavik auch gleich dessen Intimfreund Josef Machtl zu persönlichen Beraterdiensten. Leopold Gratz' „bester Mann“ aber gab das schriftliche Einverständnis für die meisten Bauring-Abenteuer im In- und Ausland. Seine Aktivitäten werden im Kontrollamtsbericht kaum erwähnt, auch das Gericht hat bislang auf seine Einvernahme verzichtet.

In den nächsten Wochen wird der Bauring endgültig in seine Einzelteile aufgelöst. Fast scheint es, als glaubte man im Wiener Rathaus, damit den Skandal in seiner ganzen Dimension erledigt zu haben. So ist es nicht und so darf es nicht sein. Die politische Dimension dieses äußerst kostspieligen Skandals harrt noch immer der Aufklärung; noch immer ist unbekannt, wohin 67 Millionen Schilling an Provisionen flössen. Nach Saudi-Arabien ganz offensichtlich nicht, aber auch nicht auf das Konto einer schwedischen Consulting-Firma, wie es die Rathauspolitiker zeitweise behauptet haben. Man wird vorläufig dem sozialistischen Landesparteisekretär Heinz Nittel glauben müssen, die Wiener SPÖ habe keinen Provisionsgroschen kassiert. Nur: Nittel und und die Wiener SPÖ wären um vieles glaubwürdiger, wenn sie endlich von sich aus etwas zur Aufdeckung des Bauring-Skandals beitrügen. Genau das ist bislang nicht geschehen,und man hat den Eindruck, daß so bald nichts in dieser Richtung geschehen wird. Im Gegenteil, die Urheber der Pleite nebeln sich ein.

Also bleibt es bei Vermutungen. Und die müssen angesichts eines

1,3-Milliarden-Schilling-Debakels des gemeindeeigenen Bauringes wohl erlaubt sein. Zumal sich in den ersten drei Jahren seit Auffliegen des Bauring-Skandals gezeigt hat, daß selbst absurdeste Vermutungen in der Folgezeit bestätigt wurden. Heinz Nittel soll doch nur in der „Arbeiter-Zeitung“ vom 10. Juli 1974 nachlesen, wo von einem „angeblichen Skandal“ um den Bauring die Rede ist. Schon ein knappes Jahr später bequemte sich das sozialistische Zentralorgan dazu, ebenfalls von einem „Skandal'.' und von „Pleiten“ zu schreiben.

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