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Man hAtte uns fUr irrsinnig gehalten...

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Viel Unsachliches bekommt man von allen Parteien zu hören, wenn man den Wiener Landtagswahlkampf verfolgt. Aber auch' in Wien setzt sich in immer stärkerem Maße auf der Ebene der höheren Politiker ein Stil durch, der geprägt wird von den wesentlichen Sachproblemen, die die Bundeshauptstadt und ihre Bevölkerung beschäftigen. Nummer eins ist die U-Bahn und ihre Vorgeschichte, gekennzeichnet durch jahrzehntelange Ablehnung der SPÖ; Nummer zwei eindeutig der Wohnungsbau. Im Gespräch ist man sich darüber einig, daß in Wien auf der Verkehrsebene jene Maßnahmen gesetzt werden müssen, die in anderen Großstädten Europas bereits nach dem Krieg — zumindest aber in den letzten zehn Jahren — intensiv in Angriff genommen wurden. Heute ist der Wiener SPÖ-Parteiobmann, Felix Slavik, Vizebürgermeister und Finanzreferent der Bundeshauptstadt, durchaus für den Bau einer U-Bahn. Ja, er will dafür sogar eine Steuer einheben, die man bei der ÖVP für nicht notwendig hält und deren Ankündigung auch in SPÖ-Kreisen vor der Wahl als taktisch falsch kritisiert wurde. Damit ist Slavik zur Schlüsselfigur geworden, nachdem er jahrelang aus Schweden, das er auch heute noch bei jeder Gelegenheit gerne als Beispiel sozialistischer Planwirtschaft anführt, eine sogenannte Allwegbahn importieren wollte.

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Viel Unsachliches bekommt man von allen Parteien zu hören, wenn man den Wiener Landtagswahlkampf verfolgt. Aber auch' in Wien setzt sich in immer stärkerem Maße auf der Ebene der höheren Politiker ein Stil durch, der geprägt wird von den wesentlichen Sachproblemen, die die Bundeshauptstadt und ihre Bevölkerung beschäftigen. Nummer eins ist die U-Bahn und ihre Vorgeschichte, gekennzeichnet durch jahrzehntelange Ablehnung der SPÖ; Nummer zwei eindeutig der Wohnungsbau. Im Gespräch ist man sich darüber einig, daß in Wien auf der Verkehrsebene jene Maßnahmen gesetzt werden müssen, die in anderen Großstädten Europas bereits nach dem Krieg — zumindest aber in den letzten zehn Jahren — intensiv in Angriff genommen wurden. Heute ist der Wiener SPÖ-Parteiobmann, Felix Slavik, Vizebürgermeister und Finanzreferent der Bundeshauptstadt, durchaus für den Bau einer U-Bahn. Ja, er will dafür sogar eine Steuer einheben, die man bei der ÖVP für nicht notwendig hält und deren Ankündigung auch in SPÖ-Kreisen vor der Wahl als taktisch falsch kritisiert wurde. Damit ist Slavik zur Schlüsselfigur geworden, nachdem er jahrelang aus Schweden, das er auch heute noch bei jeder Gelegenheit gerne als Beispiel sozialistischer Planwirtschaft anführt, eine sogenannte Allwegbahn importieren wollte.

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FURCHE-Gespräch mit Vizebürgermeister Felix Slavik (SPÖ) über den Wiener Wahlkampf und den U-Bahn-Bau

FURCHE: Herr Vizebürgermeister, die SPÖ hat bereits acht Monate vor Ende der Wiener Legislaturperiode mit Stimmenmehrheit den Landtag aufgelöst. Warum hat man sich in der SPÖ entschlossen, schon acht Monate, bevor die Periode ausläuft, Schluß zu machen?

SLAVIK: Die acht Monate sind etwas übertrieben, denn hier wird auch die ganze Wahlzeit mit hineingerechnet. In Wirklichkeit geht es darum, ob wir schon über den Sommer wieder die neue Gemeindeverwaltung installiert haben oder wir das erst wieder im November oder Dezember gehabt hätten. Für uns waren einige Überlegungen maßgebend. So konnte sich die Sozialistische Partei Wien keineswegs in die Abhängigkeit zu dem Generalsekretär der ÖVP, Wit-halm, begeben. Wir hätten keine Möglichkeit des Ausweichens gehabt, wenn die Bundesparteileitung beschlossen hätte, im Herbst National-ratswahlen durchzuführen. Und dann wäre das eingetreten, was wir auf keinen Fall wollen, Nationalratswahlen, niederösterreichische Wahlen und die Wiener Wahlen in einem. FURCHE:... und das war alles?.

SLAVIK: Nein, es gibt auch noch einen zweiten Grund, nämlich daß wir große Projekte in Angriff nehmen, und wir sind der Meinung, daß man dann eben einen Gemeinderat braucht, den man noch einige Jahre hat, und nicht einen, der nur noch wenige Monate im Amt ist. FURCHE: Waren nicht dafür auch vorgesehene Steuer- und Abgabenerhöhungen, die man der Bevölkerung erst nach den Wahlen bekanntgeben wollte, maßgebend? SLAVIK: Durchaus nicht. Der Wiener Gemeinderat wird sich im Herbst mit Ausnahme der U-Bahn-Abgabe mit keinerlei derartigen Maßnahmen beschäftigen müssen. FURCHE: Und innerparteiliche, finanzielle Schwierigkeiten waren dafür ebenfalls nicht maßgebend? Ich denke an das steigende Defizit, das der Wiener SPÖ aus dem Betrieb der „Neuen Zeitung“ erwächst? SLAVIK: Das steigende Defizit der „Neuen Zeitung“, das wünschen sich alle Parteien, mit Ausnahme der Sozialisten, aber das gibt es nicht, es gibt ein stark fallendes Defizit, und wir denken nicht daran, die „Neue Zeltung“ einzustellen, und so konnte es auch kein Grund sein, die Wahlen vorzuverlegen. FURCHE: Herr Vizebürgermeister, man spricht angesichts der Tatsache, daß Bürgermeister Kommerzialrat Marek bereits siebzig wird, davon, daß er bald nach den Wahlen sein Amt niederlegen wird! SLAVIK: Es gibt weder einen Beschluß, der das untermauern würde, sondern Bürgermeister Marek wurde zur Wiederwahl in Vorschlag gebracht. Wie lange er bleiben wird, das hängt davon ab, was er selber will, wie sein Gesundheitszustand sein wird und was es sonst noch für Überlegungen gibt. Aber es ist überhaupt nirgends festgelegt worden, daß zu irgendeinem Zeitpunkt Bürgermeister Marek sein Amt zurücklegt, sondern er ist zur Wiederwahl vorgeschlagen, und das ist Beschluß der Sozialistischen Partei. FURCHE: Eines der großen Wiener Probleme der nächsten Jahre wird der Bau der U-Bahn sein. Nun ist es bekannt, daß sich die SPÖ jahrelang gegen den U-Bahn-Bau ausgesprochen hat und anderen Projekten den Vorzug gegeben hat. Warum gab es eigentlich eine jahrelange Abneigung bei den Sozialisten gegen den Bau der U-Bahn? Halten Sie jetzt die Finanzierung des Baues für gesichert?

SLAVIK: Wir haben lange Zeiten gehabt, wo die Sozialdemokraten gar nichts dreinzureden hatten, weder vor dem Ende des ersten Weltkriegs,als -in Wien die Christlichsozialen am Ruder waren, noch während der Zeit der Vaterländischen Front zwischen 1934 und 1938 hat man sich darübergewagt, eine U-Bahn zu bauen. Der Standpunkt der Sozialisten war immer, daß, wenn man den U-Bahn-Bau beginnt, man auch die Garantie haben muß, sie vollenden zu können. Erst jetzt, nachdem wir die Vorarbeiten geleistet haben, können wir uns über ein so großes Projekt wagen. Die weitere Voraussetzung war, daß eine U-Bahn nie von einer Stadt allein gebaut werden kann, weder in Österreich noch sonstwo in der Welt. In Österreich haben wir uns jetzt mit der Bundesverwaltung geeinigt. Von den 5063 Millionen SchiEing, die die Linien 1, 2, 3 und 4 kosten, zahlt 2,4 Milliarden Schilling der Bund. Damit ist die Finanzierung weitgehend gesichert. FURCHE: Gesichert nur insofern, als Sie ja darin bereits die Steuererhöhung eingeplant haben. Nun meint man aber in Wien, eine solche Steuererhöhung wäre gar nicht notwendig gewesen, da man aus den Budgets der letzten Jahre ersehen kann, daß ohnehin 150 bis 200 Millionen für Verkehrsbauten pro Jahr vorgesehen waren, und mit den Mitteln des Bundes \daher ohnehin je 500 Millionen pro Jahr vorhanden wären, die man in den nächsten Jahren für die U-Bahn verbauen will. SLAVIK: Es handelt sich dabei um keine Steuererhöhung, sondern nur im Rahmen des Steuerfindungsrech-tes um eine neue Abgabe. Natürlich kann man sagen, ich wünsche etwas und ich bezahle es nicht — das ist eine Möglichkeit, natürlich könnten wir andere Aufgaben einschränken und die U-Bahn finanzieren. Aber wir brauchen Wohnbauten, Kindergärten, Straßenbauten — und wenn wir das alles fortsetzen wollen, dann müssen wir eine solche U-Bahn-Abgabe einführen.

FURCHE: Nun hat der Rechnungshof vor kurzem festgehalten, daß man mit dem Bau der U-Bahn in Wien 15 Jahre zu spät begonnen hat. Glauben Sie, daß dieses Urteil zu Recht besteht?

SLAVIK: Rechnen wir einmal 15 Jahre zurück — das wäre die erste Hälfte der fünfziger Jahre gewesen — ich möchte gar nicht darüber diskutieren, welche Schwierigkeiten es in der Besatzungszeit gegeben hätte —, aber alle, die heute so gescheit reden, übersehen ganz, in welcher Situation wirdamals gewesen sind, wo die Leute nicht genug zum Anziehen und zum Essen hatten. Wenn wir damals der Wiener Bevölkerung gesagt hätten, wir werden uns nicht um die Schaffung neuer Wohnungen und neuer Industriebauten und neuer Kindergärten kümmern, sondern wir werden eine U-Bahn bauen, so hätte man uns für irrsinnig gehalten.

FURCHE: Die ÖVP wirft Ihnen in einer Wahlkampfbroschüre vor, Sie hätten in der letzten Legislaturperiode 65 Abgabenerhöhungen in Wien durchgeführt. SLAVIK: Erstens sind von den 65 39 von der ÖVP beantragt worden und nur 25 von der Sozialistischen Partei. Zweitens sind hier Tarife enthalten, die die Bevölkerung gar nicht interessieren, weil sie diese gar nicht berühren. FURCHE: Die SPÖ fordert auf Bundesebene immer wieder ein langjähriges Finanzierungs- und Investitionskonzept. Auf Wiener Landesebene gibt es das aber ebenfalls noch nicht, oder hat man bereits solche Maßnahmen geplant oder begonnen?

SLAVIK: Zum Unterschied vom Bund, der das bisher überhaupt nicht zustande gebracht hat, gibt es in Wien bereits seit dem Jahre 1923 immer schon fünf Jahresprogramme. Das Programm der SPÖ für die Gemeinderatswahlen 1969 sieht das erste Mal ein Fünf Jahresprogramm vor und daneben auch ein Langzeitprogramm für die nächsten 30 Jahre.

Das Gespräch mit Vizebürgermeister Felix Slavik führte FURCHE-Redaktionsmitglied Georg Manhardt.

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