6773376-1969_12_04.jpg
Digital In Arbeit

Der Bund kontra Wien?

Werbung
Werbung
Werbung

Als sich die Wiener Sozialisten nach zwanzigjährigem Sträuben gegen alle U-Bahn-Vorschläge heuer dazu entschieden, gerade dieses Thema zu Ihrem Hauptwahlschlager zu machen, dürften sie zunächst mit einem (nachhaltigen Widerstand des Finanzministers gegen die begehrte Bundesbeteiligung gerechnet haben. Von der rasch ausgesprochenen Bereitschaft Professor Korens, der Bund werde 2,4 Milliarden Schilling für dieses Projekt bereitstellen, scheinen sie daher völlig überrumpelt worden zu sein. Denn die Ankündigung Slaviks, die Lohnsummensteuer um 50 Prozent hinaufsetzen zu wollen, zeigt mit aller Deutlichkeit, daß der Wiener Stadtkasse offenbar das Geld für den eigenen Anteil fehlt. Die 300 Millionen Schilling, die Wiens Unternehmer und Gewerbetreibende nun Jahr für Jahr aufbringen sollen, entsprechen ungefähr dem städtischen Anteil an den Baukosten.

Für den U-Bahn-Bau soll also nach den Slavikschen Plänen teils der Staat, teils der Steuerzahler aufkommen, die Gemeindekasse zahlt hingegen nichts. Diesen Offenbarungseid zu leisten, stand sicherlich nicht im ursprünglichen Propagandakonzept der Wiener Rathausmehrheit. Es scheint vielmehr so, als habe man den breit angelegten U-Bahn-Rummel zunächst inszeniert, um den Bund wieder einmal seine Wien-Feindlichkeit „nachweisen“ zu können. Wäre es in den Verhandlungen über die finanzielle Beteiligung des Bundes zu keiner Lösung gekommen — womit man offenbar gerechnet bat —, dann hätte man den Wienern demonstrieren können, wie eine zugeknöpfte Regierung ihre Bundeshauptstadt um ein wirklich attraktives Massenverkehrsmittel bringt. Freilich hat man den Schwarzen Peter, den man dem Bund in die Hand drücken wollte, nun selber in Händen.

Zeichnet sich in Sachen U-Bahn-Bau die Ebbe in der Wiener Stadtkasse doch recht deutlich ab, so steht dem in krassem Widerspruch das ungebrochene Luxusstreben der Gemeindeverwaltung in der Frage des Hochwasserschutzes an der Donau gegenüber. In der Rathausstube verficht man nämlich hartnäckig den Bau eines zusätzlichen Entlastungsgerimnes und die Schaffung einer künstlichen Insel von 16 Kilometer Länge und 200 Meter Breite. Auf dieser Insel sollen später Sportstätten und Erholungseinrich-tungen geschaffen werden. Dieses gigantische Vorhaben kostet voraussichtlich 3,2 Milliarden Schilling, während für einen reinen Hochwas-serscbutz nur ein Betrag von einer Milliarde Schilling notwendig wäre. Der Bund hat sich nun vor wenigen Tagen bereit erklärt, zum Hochwasserschutz 680 Millionen Schilling innerhalb von zehn Jahren beizutragen. Würde sich Wien mit reinen Hochwasserschutzmaßnahmen begnügen, dann hätte die Stadt etwa 320 Millionen aufzubringen. Das gegenwärtige favorisierte Projekt würde die Stadt hingegen mit rund 2,5 Milliarden belasten.

Während die Stadtverwaltung im Herzen Wiens bereits mit riesigen Tafeln um Verständnis für die „Belästigungen“ durch den U-Bahn-Bau wirbt, fragen sich die Bürger der Bundeshauptstadt, wie denn nun neben dem U-Bahn-Bau gleichzeitig auch noch der Hochwasserschutz in Luxusausführung bezahlt werden soll.

Diese Frage ist begründet, denn fehlt der Stadt das Geld für den U-Bahn-Bau, woher will sie es dann auch noch für den Hochwasserschutz nehmen?

Die Vermutung liegt nahe, daß die insgesamt acht bis neun Milliarden Schilling allen Österreichern, ganz besonders stark aber den Wienern,direkt aus der Tasche geholt werden sollen.

Man erinnert sich in diesem Zusammenhang anderer Steuerpläne, die aus dem Rathaus immer wieder an die Öffentlichkeit drangen. Droht diese Steuerlawine zusätzlich zur angekündigten Erhöhung der Lohnsummensteuer den Wienern wirklich?

Der Verdacht, daß es dazu nach den Wahlen kommen könnte, ist nicht von der Hand zu weisen.

Anläßlich der Vorverlegung der Gemeinderatswahlen haben die Sozialisten betont, es solle die Bevölkerung zur Entscheidung über die großen Vorhaben der Zukunft aufgerufen werden. Daß man sich dabei eine Zustimmung erwartet, die Steuerschraube kräftig drehen zu dürfen, blieb unausgesprochen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung