6806844-1972_12_05.jpg
Digital In Arbeit

Geld gegen Schmutz

19451960198020002020

Der Wiener Presseclub Concordia, normalerweise Austragungsort zahlreicher Pressekonferenzen österreichischer Spitzenpolitiker, erlebte vergangene Woche vermutlich eine Premiere: Vier Kärntner Gemeindevertreter leisteten ihren Beitrag zu der gerade aktuellen „umfassenden Demokratisierung“, indem sie der In- und Auslandspresse die Sorgen ihrer Kommunen vortrugen — Sorgen freilich, die aus volkswirtschaftlicher Sicht ganz Österreich berühren und ausländischen Österreich-Urlaubern auch nicht ganz gleichgültig sein dürften.

19451960198020002020

Der Wiener Presseclub Concordia, normalerweise Austragungsort zahlreicher Pressekonferenzen österreichischer Spitzenpolitiker, erlebte vergangene Woche vermutlich eine Premiere: Vier Kärntner Gemeindevertreter leisteten ihren Beitrag zu der gerade aktuellen „umfassenden Demokratisierung“, indem sie der In- und Auslandspresse die Sorgen ihrer Kommunen vortrugen — Sorgen freilich, die aus volkswirtschaftlicher Sicht ganz Österreich berühren und ausländischen Österreich-Urlaubern auch nicht ganz gleichgültig sein dürften.

Werbung
Werbung
Werbung

Was die Bürgermeister Dir. Nikolaus Lanner (Maria-Wörth) und Diplomingenieur Ludwig Waldhauser (Krumpendorf), der Vizebürgermeister Oskar Samitz (Pörtschach) sowie LAbg. Franz Seitschnig zu erzählen hatten, ließ aufhorchen. Es ging dabei um die Abwasserbeiseiti-gung an dem als total verschmutzt verteufelten Wörthersee. Von einer

Verschmutzung des Seewassers — das konnte Waldhauser mit Untersuchungsberichten belegen — kann zur Zeit absolut nicht gesprochen werden, doch dabei soll es auch bleiben, weshalb man sich zum Bau einer Abwasserbeseitigungsanlage entschlossen hat, die in drei Baustufen realisiert und mehr als 100 Millionen Schilling kosten wird, wovon die genannten Gemeinden Beiträge zwischen 12 und 30 Millionen Schilling leisten müssen. Dazu kommen aber noch für jede Gemeinde Kanalisierungsprojekte im eigenen Ortsbereich, die Aufwendungen in der Höhe von 80 Millionen für Pörtschach und jeweils etwa 60 Millionen füi Maria-Wörth und Krumpendorf erfordern.

Zwar gewährt der Bund zum Bau der Abwasserbeseitigungsanlage ein 50prozentiges Darlehen, doch dies nur mit einer Laufzeit von zwanzig Jahren. Zieht man den 20prozentigen Zuschuß des Landes Kärnten ab, so haben die Interessenten bis zur Kanalfertigstellung (vermutlich 1976) dreißig Prozent, und während der nächsten zwanzig Jahre die weiteren fünfzig Prozent dieser Summe zu zahlen. Auf die Hotelbetten umgelegt, bedeutet dies, daß die Fremdenverkehrsbetriebe je Fremdenbett jährlich zwischen 14.000 und 18.000 Schilling berappen müssen. Die Gemeinden werden nicht in die Bresche springen: „Die Kasse ist leer“, umriß Waldhauser die Situation.

Angesichts der Tatsache, daß der Bund 2,4 Milliarden Schilling für die Wiener U-Bahn auf den Tisch legt, lag die Überlegung nahe, daß reine Kärntner Badeseen für die gesamtösterreichische Wirtschaft (Kärnten erwirtschaftet durch den Fremdenverkehr jährlich Deviseneinnahmen zwischen 2,5 und 3 Milliarden Schilling) mindestens ebenso wichtig seien, wie die bundeshauptstädtische Grottenbahn — also fand man zu der Forderung, wonach der Bund einen echten Beitrag zur Seensanierung leisten solle. Anfangs sah dieses Unterfangen auch sehr aussichtsreich aus. „Das Wasser werden wir in Ordnung bringen müssen“, erklärte Bundeskanzler Kreisky im vergangenen Sommer anläßlich eines Urlaubsaufenthaltes in Pörtschach und auch Kreiskys Parteifreund Landeshauptmann Sima versprach, sich beim Bund für dieses Anliegen einzusetzen. Doch über Versprechungen und Vertröstungen hinaus ist trotzdem noch nichts geschehen, auch ein im Dezember des Vorjahres im Kärntner Landtag von ÖVP-Abgeordneten eingebrachter Antrag, in dem die Landesregierung aufgefordert wurde, bei der Bundesregierung einen Beitrag in der Höhe von 400 Millionen Schilling zur Sanierung aller Kärntner Seen zu erwirken, stieß — bereits bei den SP-und FP-Landtagsabgeordneten — auf taube Ohren. Bürgermeister Lanner sieht nun bereits darin einen gewissen Fortschritt, wenn es wenigstens zu einer Verlängerung der Laufzeit des Bundeskredites kommen würde, denn „die gesamten Belastungen im Zusammenhang mit der Seensanierung müssen von einer einzigen Generation bewältigt werden, obwohl diese Leistungen — ähnlich, wie etwa bei der Wohnbauförderung — auch späteren Generationen zugute kommen werden. Und vor allem müssen diese Belastungen aus den Einkünften von nur einer Fremdenverkehrssaison jährlich bewältigt werden.“

Doch trotz aller dieser plausibel klingenden Erklärungen geht beim Bund das Spiel mit den Ausflüchten und Versprechungen weiter. Die Bürgermeister, die mit ihrem für heimische Politiker nicht alltäglichen Marsch auf Wien Zivilcourage und Eigeninitiative bewiesen haben, wollen sich aber nicht länger hinhalten lassen. „Nötigenfalls“ — so Lanner — „wird die Anlage eben nicht weitergebaut.“

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung