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Bis zum Verfassungsgericht

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Die Auseinandersetzung um die Wiener U-Bahn-Steuer geht weiter. Hatte der städtische Finanzreferent Slavik noch anläßlich des Behar- r-unigsbeschlusses im Wiener Landtag am 12. September durchblicken lassen, er halte nichts von weiteren Schritten der Bundesregierung, dürfte nun am weiteren Ablauf des Bundeseinspruchs kein Zweifel mehr bestehen. Die Regierung geht bis zum Verfassungsgerichtshof.

Zunächst müssen allerdings noch folgende Formalitäten ausgeschöpft werden:

• Den neuerlichen Einspruch des Ministerrates wird Nationairatsprä- sideht Dr. Maleta in der nächsten Sitzung des . Nationalrates am 21. Oktober verlautbaren. Der Streitfall wäre dann dem sogenannten 26er-Ausschuß zuzuweisen, der zur Hälfte vom Nationalrat und zur Hälfte vom Bundesrat nach der Stärke der in diesen Kammern vertretenen Parteien zu beschicken ist.

• Mit der Anrufung des 26er-Aus- schusses wird sich dann die Präsi- dialsitz.ung befassen. Dort wird man feststellen, daß dieser Weg derzeit nicht gangbar ist, weil ÖVP und SPÖ im Bundesrat gleich stark vertreten sind, so daß die 13 Bundesratsdelegierten nicht in den 26er-Ausschuß entsendet werden können, weil man keine „halben” Delegierten schicken kann.

• Nun könnte man zuwarten, bis sich durch eine der nächsten Landtagswahlen Änderungen in der Zusammensetzung des Bundesrates ergeben. Für die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes ist jedoch schon jetzt der Weg frei.

Die Juristen, des Finanzministeriums sind zuversichtlich: Die Wiener U- Bahn-Steuer verstoße als reine Unternehmerabgabe gegen den Gle ichhe it sg-run ds a t.z, ein Bundesland könne nicht durch ein Landesgesetz den Bund zu einer finanziellen Leistung verpflichten, und die Berechnung Slaviks über den Ertrag der Steuer sei falsch.

Allerdings ist man sich auch im Finanzministerium darüber im klaren, daß die U-Bahn-Steuer dadurch nicht verhindert, sondern nur formal [richtiggestellt werden kann. Denn an der Haltung der städtischen Finanzverwaltung wird sich nichts ändern: Slavik braucht Geld.

Die Stadt Wien hat — notgedrungen, vereinbart oder freiwillig — für die nächsten Jahre enorme Verpflichtungen übernommen: U-Bahn-Bau, Hochwasserschutz, Donauinsel,

Großkläranlagen, Kur- und Heilzentrum Qberlaa, Wiener Internationale Gartensehau 1974, 35 Prozent der UNO-City beim Donaupark, Bau der III. Wasserleitung usw. Das Gemeindebudget aber . beruht auf den Einnahmen einer Zeit, als man glaubte, auf diese Dinge verzichten zu können.

Selbst mit der U-Baihn-Steuer sind diese Investitionen noch lange nicht sichergestellt, und es werden in allernächster Zeit die Baulandsteuer und die Parkometersteuer im Landtag zur Diskussion stehen, um künftige Finanzierungssargen meistern zu können.

Die selbstbewußte Erklärung des Wiener Bürgermeisters, Wien werde die U-Bahn auch ohne Bund’eshilfe bauen, hat allerdings bei der Wiener Wirtschaft einige Unruhe ausgelöst: Ein Verzicht auf diesen Beitrag würde nämlich bedeuten, daß die U-Bahn auch ohne U-Bahn-Steuer hätte gebaut werden können, die ja Ursache der Blockierung des Bundesbeitrages war.

Außerdem fiel diese Marek-Erklärung unmittelbar mit den letzten Vorbereitungen für den Baubeginn am Karlsplatz zusammen. Und während im 1. und 4. Bezirk, wo die erste Bauetappe abrollen wird, rund

10.0 Betriebe mit 170.000 Beschäftigten angesichts der U-Bahn-Steuer und der Belästigungen durch den Bau in eine graue Zukunft blickten, gab es noch immer keine Annäherung in der Frage der Entschädigungen für existenzbedrohende Störungen des Geschäftslebens.

Nun scheint aber auch dieses Problem vor einer Lösung zu stehen: Nach einer umfangreichen Resolution der Wiener ÖVP an den Bürgermeister replizierte der Finanzstadtrat, die Kammer habe bereits ein konkretes Forderungsprogramm übergeben und die Verhandlungen auf Beamtenebene stünden unmittelbar bevor.

Schon heute ist jedenfalls sicher, daß U-Bahn-Finanzierung und U-Bahn- Bau naturgemäß zu den latenten Problemen Wiens der nächsten Jahre gehören werden. Ihre Lösung wird in erster Linie vom Fingerspitzengefühl aller Beteiligten abhängen, das in den letzten Monaten bisweilen vermißt wurde.

Vor allem aber wird die U-Bahn zu einem Nationalratswahlschlager werden.

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