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„Bund gegen Wien?“

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Zum erstenmal in der Geschichte der Republik steht das fünfzigjährige gespannte Verhältnis zwischen Wien und dem Bund unter monocolorem Vorzeichen. Hatten sich die Fronten, nach der totalen Einigelung Wiens in der Zwischenkriegszeit, während der Zeit der Koalitionsregierungen weitgehend entschärft, so war doch unter der ÖVP-Alleinregierung die aufgestaute Aggression erneut zum Ausbruch gekommen und entlud sich in einem umfassenden Forderungskatalog.

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Zum erstenmal in der Geschichte der Republik steht das fünfzigjährige gespannte Verhältnis zwischen Wien und dem Bund unter monocolorem Vorzeichen. Hatten sich die Fronten, nach der totalen Einigelung Wiens in der Zwischenkriegszeit, während der Zeit der Koalitionsregierungen weitgehend entschärft, so war doch unter der ÖVP-Alleinregierung die aufgestaute Aggression erneut zum Ausbruch gekommen und entlud sich in einem umfassenden Forderungskatalog.

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Durch die Slogans der beiden großen Parteien: hie „ÖVP für Wien“, hie „Bund gegen Wien“, kam es sogar zu einer für Wien sehr positiven Eskalation der Leistungen des Staates für seine Hauptstadt, Leistungen, wie man sie nie zuvor gesehen hatte. Während aber der Slogan „ÖVP für Wien“ auf eine Wiedergeburt hoffen darf, muß sieh die SPÖ etwas Neues einfallen lassen.

Voerst plant die Wiener SPÖ eine Bestandsaufnahme. An Wohn- und Straßenbaumitteln hatte die ÖVP-Regderung der Stadt Wien bedeutend mehr zur Verfügung gestellt, als die Gemeinde verbrauchen konnte. Dadurch sind für Straßen- und Autobahnbau in Wien bestimmte Gelder verfallen und Mittel der Bundes-wohnbauförderung 1968 wanderten auf die „hohe Kante“ des Finanzstadtrates.

Während man nun versuchen wird, die Wohnbaurücklagen der neuen Regierung gutzubuchen, hat man es beim Straßenbau mit der enormen Konkurrenz der anderen Bundesländer zu tun, die mit Recht auf die von der Gemeinde Wien verschuldete Differenz zwischen bisheriger Bundesleistung und dem Wiener Verbrauch hinweisen werden. Ziel der Wiener SPÖ ist es daher, wenigstens jene Wiener Straßen in das Bundesstraßennetz der neuen SPÖ-Regie-rung hineinzubringen, die laut Neubewertung des Bundesstraßennetzes durch ÖVP-Bautenminister Kotzina bereits dafür vorgesehen gewesen wären. Die Stadtplanungskommission des Wiener Gemeinderates wird sich noch in dieser Woche mit diesem Problem befassen.

Eine weitere Frage ist der Ausbau der Wiener Schnellbahn. War es unter sozialistischen Verkehrsministern der Koalitionszeit zu keiner Einigung gekommen, sorgte ÖVP-Verkehrsminister Dr. Weiß zur Zeit der ÖVP-Alleinregierung für den Bau der neuen Schnellbahnstationen Matzleinsdorfer Platz, Brünner Straße und Rennweg. Der weitere Schnellbahnausbau, ein wesentliches Anliegen zehntausender Berufspen-ler, wird nun wieder vom Verhandlungsergebnis zwischen rotem Minister und roter Gemeinde abhängen. Ebenso der Bau der III. Wasserleitung, die Finanzierung des Wiener Hochwasserschutzes, die Neugestaltung der Wiener Hoch- und Mittelschulen, schließlich die seit Jahren anhängigen Grundtauschgespräche zwischen Wien und dem Bund. Zunächst wird sich die Wiener SPÖ zweifellos auf den blockierten Bundeszuschuß für den Wiener U-Bahn-Bau konzentrieren. Da diese Bundesleistung niemals ernstlich in Frage gestellt wurde, sondern nur eine brauchbare Form gefunden werden sollte, um die Einnahmen des Bundes trotz Wiener U-Bahn-Steuer wieder auszugleichen, wird die SPÖ in diesem Fall um einen optischen Effekt nicht verlegen sein. Aber nach diesem Scheingeschenk der neuen Regierung, das überdies mit großer Wahrscheinlichkeit einstimmig über die Bühne des Nationalrates gehen wird, kommt der graue Alltag des Föderalismus, in dem die SPÖ-Regierung neben dem roten Wien noch acht andere Bundesländer betreuen soll, von denen ebenfalls einige rot sind, oder noch rot gemacht werden sollen.

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