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Immer wieder Silberstreifen

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Nun ist es wieder soweit: Bundeskanzler Kreisky will mit der ÖVP über verschiedene offene Fragen reden. Aus dem Beginn der politischen Herbstsaison ist der Spätherbst geworden — was für September geplant gewesen war, beginnt erst jetzt, Mitte November. Die Themen sind aber, zumindest was die Vorstellungen des Bundeskanzlers über den Inhalt der Gespräche betrifft, gleichgeblieben.

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Nun ist es wieder soweit: Bundeskanzler Kreisky will mit der ÖVP über verschiedene offene Fragen reden. Aus dem Beginn der politischen Herbstsaison ist der Spätherbst geworden — was für September geplant gewesen war, beginnt erst jetzt, Mitte November. Die Themen sind aber, zumindest was die Vorstellungen des Bundeskanzlers über den Inhalt der Gespräche betrifft, gleichgeblieben.

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Die Gespräche hatten sich vor Beginn der politischen Ferien im Juli dieses Jahres festgefahren, eine Übereinstimmung war damals auf keinem Gebiet zu sehen. Im wesentlichen war es damals, ausgehend von Problemen der Landwirtschaft, um folgendes gegangen: um die Wiener UNO-City und deren Finanzierung, um den Volksanwalt (oder besser gesagt um die Volksanwaltschaft,

weil es ja ein Gremium sein soll) und auch um die Novellierung des Rundfunkgesetzes.

Die nunmehrige Wiederaufnahme der Gespräche läßt grundsätzlich die Frage zu, ob und wieweit der Bundeskanzler zu wirklichen Verhandlungen bereit ist. Was die ORF-Novelle betrifft, die der Ministerrat bereits gebilligt hat und die damit dem Nationalrat zur weiteren Behand-

lung vorliegt, hat Kreisky unmißverständlich jedem Parteiengespräch von vornherein Grenzen gesetzt: Nach der Ministerratssitzung, in der der Ministerialentwurf beschlossen worden war, sagte der Kanzler, daß durch die Verhandlungen mit der ÖVP der Gang der parlamentarischen Beratungen nicht gehemmt werden dürfe. Als Datum für das geplante Inkrafttreten trägt der Entwurf der Rundfunkgesetznovelle nämlich den 1. Februar 1974. Es müßte also in diesem Fall die Abstimmung im Nationalrat spätestens in der zweiten Jännerhälfte erfolgen, damit die anderen Teile der Gesetzesmaschinerie in Aktion treten können. Für Kenner der Arbeit des Parlaments steht fest, daß solche Termine nur mit einem Antrag auf Befristung der Ausschußberatungen zu halten sind — den wohl die SPÖ-Fraktion stellen und mit ihrer Mehrheit auch gleich beschließen wird. Die ÖVP hat allerdings nach der Beschlußfassung im Nationalrat die Möglichkeit, mit ihrer derzeitigen Bundesratsmehrheit den Gesetzesbeschluß zu beeinspruchen und damit das Datum des Inkrafttretens um

etwa zwei Monate hinauszuschieben. Hellhörige Beobachter wollen nun bemerkt haben, daß die Volkspartei ihr anfänglich starres Nein zur ORF-Novelle spätestens bei der vor kurzem durchgeführten Klausurtagung des Abgeordnetenklubs in Bad-gastein leicht modifiziert hat.

Aber wieviel Zeit bleibt dann für echte Parteienverhandlungen und was soll dort erörtert werden?

Ein anderer Punkt, den Bundeskanzler Kreisky mit der ÖVP jetzt neuerlich erörtern will, ist der Bau und die Finanzierung der umstrittenen Wiener UNO-City. Die ÖVP hat dazu vor der Wiener Landtags- und Gemeinderatswahl eine Meinungsumfrage durchführen lassen, aus der hervorgeht, daß eine Mehrheit die vom Bundeskanzler angepeilte „große Lösung“ ablehnt. Dieses Projekt des Baues der Unterbringungsmöglichkeiten für diverse UNO-Organisatio-nen und eines internationalen Konferenzzentrums würde nach den Berechnungen der ÖVP mehr als zehn Milliarden Schilling kosten, wozu noch die riesigen Zinsendienste kämen, die neuerlich Milliardenbeträge ausmachen würden. Im Wiener Wahlkampf, aber auch schon bei den Parteiengesprächen vor dem Sommer vertrat die ÖVP daher die Auffassung, man solle ein wesentlich kleineres Projekt, das dann auch viel billiger käme, realisieren. Doch ist dieses Thema, wenn es in den kommenden Gesprächen zwischen

Kreisky und Schleinzer wieder angeschnitten wird, für die Volkspartei besonders heikel: im Wiener Donaupark, dem Standort der UNO-City, wird bereits gebaut. Gebaut von Wiener, von österreichischen Firmen mit österreichischen Arbeitskräften, mit Materialien und Zubehör, die' in Österreich hergestellt werden — und die für viele Firmen große und gute Aufträge sowie Auslastung ihrer Arbeitskräfte bedeuten. Daher tut sich zumindest ein Flügel der ÖVP mit der Ablehnung des großen Projektes schwer: der Wirtschaftsbund, dessen Obmann Sallinger bekanntlich gleichzeitig Präsident der Bundeswirtschaftskammer ist.

Was den Ombudsman, also die Volksanwaltschaft, betrifft, die der Bundeskanzler ebenfalls wieder zur Sprache bringen will, so dürfte die Beschlußfassung über ein derartiges Gesetz vorläufig in die Ferne gerückt sein. Die ÖVP hat zwar ihrerseits einen Entwurf fertiggestellt, doch gibt es in Wirklichkeit sehr wenige Fachleute, die eine solche Institution für erstrebenswert halten.

Jene, die (vor allem in der ÖVP) immer wieder die Zusammenarbeit der großen politischen Kräfte im Lande predigen, sehen in den Parteiengesprächen den Silberstreif möglicher Koalitionen heraufdämmern. Haben sie aus den Ergebnissen vergangener Gesprächsrunden keine Lehren gezogen?

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