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Patient NEWAG

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Die Newaig, noch vor einem Jahr heiß wmfehdetes Stromimperium Viktor Müllners, geht nun ruhigeren Zeiten entgegen. Die Landesgeseil-schaft war zwar beim nächtlichen Kehraus im niederösterreichischen Landtag (Ende: 6 Uhr früh!) wieder etamal Tagesordnungspunkt, aber es ging dabei eicht mehr ums Ausmisten — um mit Landeshauptmann Maurer zu sprechen —, sondern nur noch um die Sanierung. Das ist immerhin ein Fortschritt.

Dem neuen Vorstand der Newag ist es auch schon weithin gelungen, die Hinterlassenschaft Müllners aufzuarbeiten, Ordnung aus dem Chaos zu machen. Die Angriffe der Sozialisten rollten daher auch nicht mehr gegen die Newag, sie hatten sich auf 'die Conti-Bank verlagert, von der, ihrer Meinung nach, die Festgelder des Landes — viele Millionen Schilling — sofort abgezogen werden müßten. Landesflnanzreferent Resch, der angeblich für den ÖAAB einmal Aktien gehalten hat, stand in der Hauptschußlinie der Sozialisten. In Sachen Conti-Bank dürfte der Kampf im Herbst weitergehen, die Newag-Dabatte gilt dagegen als abgeschlossen.

Kapitalaufstockung

Der vorläufige Schlußpunkt wurde mit der Übernahme der Haftung für Gesellschaftskredite bis insgesamt 215 Millionen Schilling durch das Land gesetzt. Noch vor 'den Sommerferien hatten sieben unabhängige Fachleute ein Gutachten über die wirtschaftliche Lage und die Sanie-rungsmöglichkeiten der Newag und Niogas abgegeben. Das Gutachten wurde übrigens von beiden Parteien gebilligt. Es 'ist bemerkenswert, daß in der Studie beide Landesgesellschaften als >absolut sanierungswür-dig bezeichnet werden. Allerdings forderten die Wirtschafts-, Finanz-und Energiefachleute eine entsprechende Aufstockung des Grundkapitals. Darüber kam es im Landtag zu heftigen Debatten. Eigenartigerweise traten die Sozialisten für eine möglichst weitreichende Landeshllfe ein, während die ÖVP vorsichtiger operierte.

Eine endgültige Gesundung der Newag läßt sich freilich nicht von heute auf morgen erreichen. Dem hat das Land, dessen Finanzreserven relativ bescheiden sind, auch Rechnung getragen. Die notwendige Kapitalauifstockung wird nun sozusagen in einem „Fünf jahresplan“ erfolgen. Es wurde beschlossen^ daß das Land Niederösterreich als Alleineigentümer der Newag das Grundkapital von bisher 150 Millionen Schilling auf 800 Millionen Schilling anheben wird. In den nächsten fünf Jahren werden damit 650 Millionen in die Kassen der Newag fließen. So wird es möglich sein, die in der Ära Skacel und Müllner eingegangenen Verpflichtungen abzudecken, den Anteil des Fremdkapitals, also der Schulden, mit dem Eigenkapital in eine wirtschaftlich vernünftige Relation zu bringen.

Verheerend hatte sich für die Newag die Beteiligung an unzähligen Gesellschaften ausgewirkt, die mit der E-Wirtschaft in keinerlei Zusammenhang standen. Hier hatte bekanntlich die Vetternwirtschaft einiger Newag-Gewaltiger — vor allem waren es Müllner und Ofen-böcfc — eine bedeutende Rolle gespielt. Auch hier bemüht man sich, aus den Beteiligungen ohne größeren Schaden herausaukommen.

Ein großer wirtschaftlicher Fehler des früheren Vorstandes war es, daß eine viel zu große Zahl an kurzfristigen Verbindlichkeiten eingegangen wurden, daß man einzelnen Banken univerantwortliche Konditionen einräumte. Es ist sicher ein Verdienst der neuen Führung in der Newag, daß es bereits im ersten halben Jahr gelungen ist, die kurzfristigen Kredite in mittelfristige, in solche mit einer Laufzeit von fünf Jahren, umzuwandeln. Der Rekonvaleszent kann nunmehr wieder ruhig atmen, da ihm das Korsett gelockert wurde...

Vor einem Stromkrieg mit Wien?

In Niederösterreichs Newag-Zen-trale in der Südstadt hat man auch andere Sorgen. Es sind dies die Sorgen um das Absatagebiet. „Stromkriege“ zwischen einzelnen Bundesländern gehören in Österreich nahezu zur Tagesordnung. Erst vor kurzer Zeit haben Niederösterreich und das Burgenland im „Frieden zu Eisenstadt“ den Schlußstrich hinter eine wenig rühmliche Angelegenheit gezogen. Bekanntlich hatten die Burgenländer einst in einem Handstreich die Anlagen der Newag auf ihrem Territorium besetzt. Nach langen Verhandlungen konnte eine einvernehmliche Ablösesumme festgelegt werden.

Der Pfahl im Fleisch, der die Newag im Burgenland war, sind die

Wiener Stadtwerke in Niederösterreich. Sie versorgen heute etwa 240.000 Niederösterreicher mit Strom — das ist nahezu ein Viertel der Stromversorgung im Lande unter der Erms. Es ist fast eine Ironie, daß auch Niederösterreichs Newag-Zentrale, die Südstadt, von den Wienern beleuchtet wird. Die Wiener Stadtwerke beliefern eines der größten Industriegebiete Nieder-österreichs südlich der Bundeshauptstadt. Sie haben den Vorteil, daß sie mit einem sehr kleinen Leitungsnetz einen riesigen Stromabsatz haben.

Die Newag kann sich die fetten Happen nicht aussuchen. Sie muß mit ihrem enormen Leitungsnetz auch die dünn besiedelten Grenzgebiete im Wald- und Weinviertel versorgen, dadurch entstehen hohe Kosten und niedrigere Gewinne, angeblich sogar Verluste.

Seit Jahren laufen Verhandlungen zwischen den Wiener Stadtwerken und der Newag über die Übernahme der Elektrizitätsanlagen der Wiener in Niederösterreich. Auf friedlichem Wege ist auch in nächster Zeit kein Ergebnis zu erwarten. Wie verlautete, werden die Niederösterreicher den Verwaltungsgeri'chtslhof und eventuell auch den Verfassungs-gerdchitshof um eine Entscheidung bemühen.

Strompreiserhöhung?

Falls die Wiener ihre Stellungen im Lande unter der Enns nicht räumen müssen, so droht den Niederösterreichern eine Strompreiserhöhung. Zumindest erklärte dies der neue Generalsekretär der Newag in einem Artikel in den „Nö. Nachrichten“: „Wollte man weiterhin die für den Stromversor-ger einträglichen Gebiete der Gemeinde Wien überlassen, müßte eine Stivjmpreiserhöhung ernstlich geprüft werden... Generaldirektor Dr. Allitsch hat jedoch erklärt, daß er durch gezielte Reorganisaition und Investitionen sowie eine möglichst rasche Lösung des Streites zwischen der Newag und den Wiener Elektrizitätswerken einer Strompreiserhöhung entgegenwirken wird.“

Nun, Generalsekretär Dr. Herbert Schuster hat sich deutlich genug ausgedrückt. Seine Worte fallen bei den Politikern1 im Lande unter der Enns sicher auf fruchtbaren Boden. Wie sich wohl Niederösterreichs Sozialisten in einem Stromkrieg mit Wien verhalten würden?

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