6863307-1977_45_05.jpg
Digital In Arbeit

„Spitalskompromiß - mit gemischten Gefühlen..

19451960198020002020

Ein „Kompromiß, der uns mit gemischten Gefühlen erfüllt“: Das ist, was Länder-, Städte- und Gemeindevertreter in der letzten Woche mit der Regierung auf dem Spitalssektor ausgehandelt haben. Die gemischten Gefühle haben die Landeshauptleute durchaus zu

19451960198020002020

Ein „Kompromiß, der uns mit gemischten Gefühlen erfüllt“: Das ist, was Länder-, Städte- und Gemeindevertreter in der letzten Woche mit der Regierung auf dem Spitalssektor ausgehandelt haben. Die gemischten Gefühle haben die Landeshauptleute durchaus zu

Werbung
Werbung
Werbung

Recht. Noch weiß man nicht, ob die Landesregierungen akzeptieren werden, was ihnen jetzt als Lösung für fünf Jahre angeboten wurde und was sie später auf Heller und Pfennig aus eigener Tasche zu zahlen haben werden.

Das ausgehandelte Ergebnis, das noch der Zustimmung aller Landesregierungen bedarf, um zur vorläufigen Spitalsfinanzierungslösung zu werden, lautet in groben Zügen: Die Länder werfen ihren einstimmigen Beschluß um und stimmen einem zentralen Bundesspitalfonds zu. In diesen Fonds zahlen die Länder einen Teil jenes Geldes ein, das ihnen laut Finanzausgleich aus den erhöhten Einnahmen der Luxusmehrwertsteuer zustünde. Im kommenden Jahr sollen das rund 800 Millionen Schilling sein, falls die Bevölkerung genügend Luxusgüter kauft Weitere 400 Millionen, die ebenfalls aus Luxussteuermehreinnahmen hereinkommen sollen, fließen dieser Vereinbarung zufolge in den Wasserwirtschaftsfonds.

In den Bundesspitalsfonds, der als zentrales Eingriffsinstrument des Bundes gedacht ist, in dem die Länder und Gemeinden jetzt aber auch ein Wort mitzureden haben werden, zahlt auch die Sozialversicherung ein und zwar das, was sie dem Versicherten über die mit Jahreswechsel außertour- lich erhöhte Bemessungsgrundlage abknöpft und das sind mehr als 800 Millionen Schilling. Schließlich will die Bundesregierung in diesen Fonds all jene Gelder hineinstecken, die sie bisher schon für Investitionen und Betrieb von Spitälern - vor allem für die Universitätskliniken - bereit stellen mußte. Der Topf wird dann gut umgerührt und in den Bundesländern vermuten clevere Finanzreferenten, daß der Bund beim Schöpfen soviel auf seinen Teller bringt, daß die Sorgen mit Projekten wie dem müliar- denverschlingenden . Allgemeinen Krankenhaus in Wien für ihn auf Länderkosten gering werden.

Daß die Länder einem solchen Kompromiß zustimmten der für den Bund überhaupt keine Mehrbelastung bedeutet - im Gegenteil, wenn man an die Kliniksorgen denkt - liegt in der unerträglich gewordeneh Finanznot begründet. Die Spitäler erwirtschaften heuer bereits ein Defizit von rund acht Milliarden Schilling und auch wenn der weitaus größte Brocken da-

von für Wien anfällt, so sind doch die Budgetlöcher in den Landeshaushalten auch schon schwer zu stopfen. Mit der Lösung ist so lange gewartet worden, bis auch der Strohhalm als echter Rettungsring erschienen ist.

Dabei war sich die Regierung schon bei Amtsantritt bewußt, daß das finanzielle Spitalsproblem gelöst werden muß. In der Regierungserklärung 1970 hieß es, „dringende Aufgabe“ sei, „die Reorganisation des österreichischen Krankenanstaltswesens auf der Grundlage eines gesamtösterreichischen Krankenanstaltenplanes, einschließlich eines Finanzierungskonzeptes in Form eines Mehrstufenplanes.“

Der Krankenanstaltenplan liegt seit langem in seinen Umrissen vor. An der Finanzierung sind inzwischen viele fähige und weniger befähigte Politiker gescheitert: Zunächst wurde ein eigenes Gesundheitsministerium gegründet. Minister Ingrid Leodolter schaffte es von 1971 bis 1975 nicht, der Spitalsfinanzierungssorgen Herr zu werden. Die Defizite stiegen und als der Geldschwund sich bei den Krankenkassen in Defiziten bemerkbar zu machen drohte, wurde die Angelegenheit ei nem durchschlagskräftigen Mann, dem durch Fußballehren inzwischen allgemein bekannten SPÖ-Abgeord- neten Karl Sekanina, übertragen. Der bemühte sich seit Ende Jänner 1976 mit allem Nachdruck, das inzwischen zum dritten Mal von Kreisky gegebene Regierungsversprechen einzulösen und „Die Finanzierung des gesamten Krankenanstaltenwesens“ (Regierungserklärung vom November 1975) sicherzustellen.

Sekanina hoffte zunächst auf Ende März 1976 als Termin für die ersehnte Erfolgsmeldung. Aber auch er hatte die Differenzen zwischen den Bundesländern - rot und schwarz marschieren hier auf einer Linie - und dem Bund maßlos unterschätzt. Obwohl Sekanina sich zunächst noch gar nicht mit dem politischen Gegner auseinanderzusetzen hatte, mußte er die Fristen prolongieren. Im Sommer dann stellte sich heraus: Nicht einmal SPÖ- intern war eine Einigung zu finden.

Daraufhin nahm der Bundeskanzler das Heft selbst in die Hand und er hält es seitdem. Das war vor mehr als einem Jahr. Der erste Hoffe ungs- schimmer war eine Kranke’nhausen- quöte im Sozialministerium im Dezember vorigen Jahres. Sie war, was heute absehbar ist, so erfolgreich wie jene, die noch im ersten Jahr der Regierung Kreisky, also 1970, unter dem damaligen Sozialminister Rudolf Häuser stattfand. Es geschah gar nichts. Es wurde weitergefeilscht. Die Defizite stiegen. Oppositionskonzepte zur Sanierung wurden verworfen. Eine

Sparkommission des Gesundheitsministeriums erforschte zum Preis von einigen Millionen Steuer-Schillingen Grundwahrheiten wie jene, daß Rationalisierung in den Spitälern notwendig ist wenn die Kosten nicht weiterhin davonlauf en sollen.

Die Lage war deshalb verfahren, weil die Opferbereitschaft der Bevölkerung für die Spitäler inzwischen schon reichlich strapaziert war und die Defizite dennoch explosionsartig stiegen.

Zunächst hatte Bundeskanzler Bruno Kreisky die Frage gestellt, was denn der Bevölkerung die Gesundheit wert sei. Die Meinungsforscher erhoben: Sie ist der Bevölkerung echte Einsparungen im Budget, notfalls aber auch einen höheren Schnapspreis wert. Die Regierung beschloß daraufhin, die Zigarettenpreise mehrmals anzuheben. Ein eigener Gesundheitsschilling war später dann politisch nicht mehr durchzubringen, weil die übrigen Belastungen von der Kfz- Steuer über teure Stempelmarken bis zu höheren Post- und Bahntarifen schon genug Unmut ausgelöst hatten.

Jetzt endlich glaubt man, die Lösung gefunden zu haben. Die Geschichte der Sanierung der Spitalsfinanzen mahnt allerdings zur Vorsicht vor verfrühtem Optimismus.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung