6605125-1954_13_09.jpg
Digital In Arbeit

Randbemerkungen ZUR WOCHE

Werbung
Werbung
Werbung

DEN WIDERHALL ZUM AUFBRUCH DER FAMILIE beweist die noch vor wenigen Wochen und Monaten undenkbare Tatsache, daß kürzlich beide Regierungsparteien im Parlament Initativanträge für ein Familienlastenausgleichsgesetz eingebracht haben. Der Vertreter der WdU hatte anläßlich der jüngsten familienpolitischen Woche derartigen Bestrebungen jegliche Unterstützung zugesichert. Bei voller Anerkennung dieser erfreulichen Uebereinstimmung in unserer Volksvertretung — deren Bedeutung gar nicht überschätzt werden kann — ist es jedoch leider überaus bedauerlich, daß beide Gesetzesentwürfe, wenn auch aus verschiedenen Gründen, einer kritischen Prüfung nicht standhalten. Die O e V P ist wohl die erste Partei, die sich zum Gedanken der Familienpolitik bekannte und die Partei, die mit ihrem Antrag ein Versprechen termingerecht einlöst, der Inhalt ihres Antrages aber, vor allem die Höhe der vorgesehenen Kinderbeihilfe ist enttäuschend. Wenn z. B. die Familie eines Unselbständigen mit drei Kindern monatlich nur um 45 S mehr erhalten soll als bisher, so muß dementgegen gefordert werden, daß die Beihilfen auch dann, wenn es sich nur um einen ersten Schritt handelt, wenigstens für die kinderreichen Familien fühlbar sein müssen. Die Begründung des Entwurfes ist überdies dürftig. Befremdlich ist, daß in der zur Verwaltung des Fonds vorgesehenen Kommission wohl eine Reihe von Ministerien und Kammern, nicht aber die Familienorganisationen vertreten sein sollen. Daß dieser Antrag die Möglichkeit in Aussicht stellt, bei günstiger Gebarung etappenweise Verbesserungen der Leistungen vorzunehmen, ist zwar zu begrüßen, jedoch kein Alibi für seine allzu große Bescheidenheit. — Der Gesetzesentwurf der S P O e sieht höhere Beihilfen vor, als die von der OeVP vorgesehenen. Dies gift jedoch nicht für die kinderreichsten Familien. Für breite Schichten des gewerblichen Mittelstandes wäre sogar der Vorschlag der OeVP noch günstiger! Die ausführliche Begründung hingegen scheint hier durchdacht und ist zutreffend. Die Bedeckung aber hat sich der SPOe-Entwurf leider sehr leicht gemacht. Es ist einfach, annehmbare Familienbeihilfen vorzuschlagen, wenn man sich mit dem Hinweis genügt, daß „ein allfälliger Abgang beim Fonds der Unselbständigen aus allgemeinen Bundesmitteln gedeckt“ werden soll, wenn für die Landwirschaft die Erhöhung des Grundsteuermeßbetrages um einen Hun- dertsatz gefordert wird, dessen Höhe durch Verordnung festzusetzen sein soll, oder wenn man fijr die gewerbliche Wirtschaft eine neue enorme Steuer einführen will, die zu den bisherigen Steuerlasten hinzutreten soll. Es ist befremdend, daß in diesem Entwurf nur für den Fonds der Unselbständigen an einen Zuschuß aus öffentlichen Mitteln gedacht ist. Zur Deckung der ebenfalls vorgesehenen Heiratsund Geburtshilfen und Haushaltsdarlehen liegt überhaupt kein Vorschlag vor. Daß die Finanzierung des ersten Schrittes zum Ausgleich der Familienlasten so große Schwierigkeiten bereitet, ist vor allem darauf zurüek- zuführen, daß bei der Senkung der Einkommensteuer auf den damals angekündigten Familienlastenausgleich keinerlei Bedacht genommen wurde. Für diese folgenschwere Unterlassung ist das gesamte Parlament verantwortlich. Die Oe VP wird nun zu beweisen haben, ob sie wirklich der Familie in spürbarer Weise Gerechtigkeit angedeihen lassen will, oder ob es ihr nur um optische Leistungen geht, die der aufstrebenden Familienbewegung den Wind aus den Segeln nehmen soll (für den sie seinerzeit bei der Einkommensteuersenkung so ausgiebig gesorgt hat!) Die S P O e wird in den bevorstehenden parlamentarische!! Verhandlungen zu beweisen haben, daß ihr Antrag nicht — worauf der unseriöse Bedek- kungsvorschlag schließen lassen könnte — nur darauf gbgestellt ist, vom Parlament abgelehnt werden zu müssen und damit nur den Zweck verfolgt, der OeVP den Wind aus den Segeln zu nehmen, sondern daß sie vielmehr ernstlich gewillt ist, der Familie die von ihr offenbar ins Auge gefaßte Hilfe auch tatsächlich zukommen zu lassen.

DIE PARLAMENTARISCHE ENQUETE UBER DAS KULTURBUDGET entrollt zum erstenmal vor den Politikern und Beamten, vor der österreichischen Oeffentlichkeit das ganze Panorama des langen Elends der Künstler, Wissenschafter, der Dichter und geistig Schaffenden in unserem Land. Da präsentieren also ihre Bitten und Forderungen die Hochschullehrer, an ihrer Spitze der Präsident der Akademie der Wissenschaften, Professor Dr. Meister, und die Rektoren der österreichischen Hochschulen. Vielbemerkt wurde die Erklärung des Generaldirektors der Nationalbibliothek, daß „auf kulturellem Gebiet sibirische Kältegrade“ in Oesterreich herrschen. Es fehlt an Lehrkanzeln, an der notdürftigsten Ausrüstung wissenschaftlicher Institute (Marinelli: „Mit Taschenfeiteln kann man nicht experimentieren"). Die Abwanderung höchstwertiger Fachkräfte ins Ausland dokumentiert die Nichtbezahlung geleisteter hochwertiger Arbeit. — Nach den Wissenschaftern brachten die Rektoren der Kunstakademien, Vertreter der österreichischen

Schriftstelierververbände, der Schauspieler, Musiker, Graphiker und bildenden Künstler ihre Anliegen vor. Hofrat Rollett wies unter anderem auf das Fehlen österreichischer Kulturinstitute im Ausland hin, ein Manko, dessen katastrophale Auswirkungen mehrfach in unserem Blatt behandelt wurde. — Eine lange Reihe von Zahlen, von Hinweisen auf vielfach jahrzehntelang unterbliebene Leistungen, welche den Staat und die Gemeinschaft eines Kulturvolkes verpflichten… — Was wird weiter geschehen? Ein Demonstrationszug in Wien, an dem alles teilnehmen soll, was Rang und Namen hat in Oesterreichs kulturellem Schaffen, soll in diesen Tagen noch einmal das Augenmerk der Oeffentlichkeit auf sich lenken. Schade, daß er nicht vor einem Jahr bereits stattfand, als er angesagt war. Schade, daß er nicht bereits in der vergangenen Woche, zur Messezeit, stattfand. Die Konfrontierung der Notgetriebenen mit den Geschäftetreibenden hätte beiden Teilen gut getan. Sie hätte vor allem den Vertretern der Wissenschaft und Kultur drei Dinge mitteln können, mit denen sie nur mangelhaft ausgestattet sind, und die ihnen kein noch so wohlwollendes Parlament der Welt geben kann: Einigkeit (an ihr fehlt es zuallermeist, was nicht nur die Tragödie der österreichischen Hochschulen und ihrer Besetzung beweist), Zivilcourage (wie klein und gekrümmt bezeigen sich sehr große Namen oft vor den kleinsten Beamten der Finanzverwaltung) und Konsequenz. Auf das Durchhalten nämlich kommt es an und auf den redlichen Willen der prominenten Vertreter von Kunst und Wissenschaft, unparteiisch und objektiv Sorge zu übernehmen für die zahlreichen ihrer Betreuung anheimgestellten Assistenten, Hilfskräfte, des Nachwuchses — und der Konkurrenz. Dem Ruf nach außen hin, um Hilfe von Außenstehenden müßte ein Ruf nach innen, in die eigene Brust begegnen, eine Gewissenserforschung. Ohne sie werden die erhofften Gelder ins Leere versickern. Also wollen wir hoffen, daß die Spitzenreiter der Demonstration selbst zuallererst und zuallermeist von ihr beeindruckt werden…

SENATOR MCCARTHYHATTE IN DEN LETZTEN WOCHEN bedeutende Erfolge errungen. Diese waren so groß, daß sie bereits begannen, die Außenpolitik der USA zu lähmen, und die Innenpolitik des Präsidenten in einem hohen Maße gefährdeten. Immer unverhüllter wird der Kampf um die Macht zwischen dem rechtsradikalen Flügel der Republikaner (Mac Carthy, das Erdöl von Yowa, der Weizen von Minnesota, die großen Kriegsgewinnler und Neureichen des Mittelwestens) und der gemäßigten Mitte (Eisenhower, Dulles, die alte Bostoner Aristokratie und die Presbyterianer). Die Art und Weise, wie McCarthy den Armeeminister Robert Stevens niederrang, wurde selbst in -Amerika mit der Diffamierung der deutschen Generale von Blomberg und Fritsch durch Himmler, Göring und Goebbels verglichen. Der Fall eines Zahnarztes, der angeblich früher Kommunist war, wurde von McCarthy benutzt, einen verdienten General als „Idioten“ und „Narren" darzustellen -— der Staatssekretär für die Armee Stevens vermochte nicht, diesen General zu entlasten, da ihn Washington, die Regierung, im Stich ließ. Nur indirekt vermochte Präsident Eisenhower durch eine Erklärung, die Methoden dieser Untersuchung seien „unfair" und „unwürdig", nachträglich das makabre Resultat zu frisieren. Eisenhower sieht sich selbst einer dreifachen Offensive seiner rechtsradikalen Parteigenossen gegenüber: diese lehnen sein weitsichtiges, maßvolles Regierungsprogramm ab (das unter Umständen im Falle einer möglichen Wirtschaftskrise Regierungsmaßnahmen vorsieht, die diesen Hochkapitalisten nicht passen), sie verlangen (durch Senator Bricker) ferner eine Beschränkung der außenpolitischen Vollmachten des Präsidenten durch den Kongreß, die Eisenhowers Handlungsfreiheit praktisch aufheben würde, und sie laufen zum dritten Sturm gegen die neue Chinapolitik, die von Staatssekretär Dulles vorsichtig und klug begonnen worden ist. Diese Rechtsradikalen sind bedingungslose Anhänger Tschiangkaischeks und einer militärischen Initiativ- und Stützpunktpolitik in Asien. Nun hat Dulles einen mutigen Schritt gewagt: er hat Scott McLeod, den Intimus McCarthys und bis vor wenigen Tagen Chef der Sicherheits- und Personalabteilung im Staatsdepartment (Außenamt), ausgebootet. McLeods erster großer Erfolg vor Jahresfrist war die Absägung von Charles Bohlen, des besten amerikanischen Rußlandkenners, gewesen. John Foster Dulles mußte für das Ausbooten McLeods denn auch sofort eine Gegenleistung zahlen: Sonderbotschafter Arthur Dean, der prominenteste Vertreter einer neuen Chinapolitik, scheidet aus dem Dienst aus. — Diese innenpolitischen Gegensätze werfen heute bereits ein Licht auf die Genfer Aprilkonferenz mit China und Rußland. Hat McCarthy den Bogen überspannt? Republikanische und demokratische Kreise sind zum Gegenangriff angetreten. In diesen Wpchen wird sich vielleicht das Schicksal des McCarthysmus entscheiden — und der USA jene innen- und außenpolitische Handlungsfreiheit zurückgeben, die sie in dieser Stunde nötig hat.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung