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An den Round geschrieben

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SOMMERMANÖVER. Kurz bevor der Nationalrat in die Sommerferien .ging, gab es noch ein Zwischenspiel. Durch den Flirt SPÖ-FPÖ nervös gemacht, suchten einige Kreise nach einer Gelegenheit, auch eine parlamentarische Mehrheitsbildung ÖVP- FPÖ zustandezubringen. Sie glaubten sie gefunden zu haben, als der Justizminister eine Vorlage gegen die Verjährung von Kriegsverbrechen vorlegte. Das war freilich ein völlig untaugliches Objekt. Zum Glück für die Ehre und a’as Ansehen der Volks- parfei wurde dies auch von Klubobmann Dr. Hurdes erkannt und die FPÖ blieb mit ihrer bezeichnenden Opposition allein. Seither ist man in weit rechts stehenden Zirkeln (außerhalb und innerhalb der Volkspartei) wieder recht böse auf Dr. Hurdes, der als christlicher Demokrat und überzeugter Österreicher hier nie viele Freunde gehabt hat. Eilig werden Nachrichten kolportiert, bei dem im Herbst stattfindenden Revirement der Volkspartei werde auch ein neuer Klubobmann bestellt werden. Man kennt die Quellen genau und auch die Methoden jener journalistischen Arbeitsgemeinschaften, die solche Nachrichten zu lancieren pflegen. Bedauerlich nur, wenn es ihnen hier und da auch gelingt, auch in ka’ho- lischen Blättern ihre Zwecknachrichten „einzuschalten”.

WORTMELDUNG IN NIEDERÖSTERREICH. Der niederösferreichische Bauernbund hat schon mehr als einmal in entscheidenden Stunden des Staates und der Partei sein Gewicht in die Waagschale geworfen. Dieser Tage war es der Abgeordnete zum Naiionalrat und Sekretär des Niederösterreichischen Bauernbundes, Doktor Johann Haider, der in einer Rede in Groß-Gerungs alle Kombinationen über eine Regierungsbildung auf einer neuen Basis zurückwies und die gegenwärtige Koalition verteidigte. Er könne sich, so sagte er, keine bürgerliche Führung vorstellen, die gegen die Arbeiterschaft regieren will, desgleichen aber auch keine Arbeiterführung, die gegen das Bürgertum und gegen den Bauernstand auftreten sollten. Daß der Abgeordnete dann noch ausdrücklich betonte, daß Arbeiter und Bauern viel mehr gemeinsame Interessen als Gegensätzlichkeiten hätten, unfer- ~ streicht noch die Bedeutung der interessanten Rede, die eines starken politischen Echos sicher sein kann. Es Ist erfreulich, diese bemerkenswert offenen Worte von einem Vertreter jener Bauernvereinigung zu vernehmen, deren Vertreter seit jeher für ihren gesunden politischen Realismus bekannt waren, ob sie jetzt Reither oder Figl hießen. Der „Turm Niederösterreichs’ — so charakterisierte einmal Friedrich Funder den Bauernbund — steht noch.

NERVENKRIEG IN SUDTIROL. Italien hat in Südtirol eine Heeresmacht zusammengezogen, die mit allen Mitteln gegen die Bombenwerfer Vorgehen soll. Bis zur Stunde ist — trotz des Oberfalls auf eine Zollwachkaserne noch kein Blut geflossen. Das kann sich jedoch rasch ändern. Die Nervosität, mit der die Italiener ihre Untersuchungen durchführen, könnte leicht Unbeteiligte zum Opfer werden lassen. Die Terroristen freilich werden nicht gefunden. Unklar bleibt, was die Attentäter mit ihrem Partisanenkrieg wirklich erreichen wollen. Die „zypriotische Lösung” der Südtirolfrage, von der man immer wieder hört, wird von der Südtiroler Volksparfei abgelehnt, ebenso die verworrenen Ideen vom Volkstumskampf, von den Freikorps usw. Eines jedenfalls ist nicht gelungen, nämlich durch eine Reihe von Attentofen erneut einen Keil zwischen die österreichisch-italienischen Mini- sferbesprechungen zu schieben. Und das ist viel wert. Sowohl die Südtiroler Volksparfei als auch die österreichische Regierung haben sich nach Bekanntwerden der ersten Anschläge soforf entschieden davon distanziert auch die italienische Regierung hat sofort erklärt, daß die Sprengstoffanschläge eine echte Einigung nicht verhindern können. Immethin seien die Attentäter noch daran erinnert, daß das Südtiroler Volk keineswegs hinter Ihnen steht. Das Volk weiß nämlich ganz genau, daß eine Serie von Terroranschlägen noch lange keine Manifestation politischer Willensbildung bedeuten.

WELTFRIEDENSPREIS. Die große Persönlichkeit des verstoibenen Papstes wirkt über das Grab hinaus. Der Vatikan gab gestern bekannt, daß Johannes XXIII. die 160.000 Dollar des Balzan-Friedenspreises kurz vor seinem Tode als Grundlage lür einen Wellfriedenspreis gestiftet hafte, der alle drei Jahre verliehen werden soll. Am 10. Mai 1963 hat Johannes XXIII. die Bedingungen für den Preis selbst niedergelegi: „Weil wir noch einmal die Wertschätzung ausdrücken wollen, daß der Friedenspreis 1963 dem Haupt der katholischen Kirche von der Internationalen Gründung des Balzan-Preises verliehen worden ist, haben Wir unserseits beschlossen, einen Friedenspreis zu stiften.” Die unermüdliche Arbeit des verewigten Heiligen Vaters für den Frieden hat hier einen letzten Höhepunkt erfahren. Johannes XXIII., dessen letztes Auftreten in der Öffentlichkeit anläßlich der Entgegennahme des Balzan-Preises staftfand, hat sich durch seine fortgesetzten Bemühungen um die Erhaltung des Weltfriedens schon längst den Namen eines Friedenspapstes erworben. Daß darüber hinaus der große Verstorben selbst einen Friedenspreis stiftete, macht den Preis als sein Andenken besonders wertvoll.

BONN GIBT NACH. Nun hat sich auch die deutsche Bundesregierung entschlossen, dem Moskauer Vertrag über die Einstellung der Kernwaffenversuche beizufreten, obwohl im Westen General de Gaulle deutlich abwinkte. Die Gründe für das lange Zögern sind nicht ganz durchsichfig. Außenminister Schröder, der vehement für den Beitritt. sprach, mußt eine Rüge des Bundeskanzlers hinnehmen, der offenbar warten wollte, was sein Freund de Gaulle unternehmen werde. Die offizielle Deutung, die Bonn seinem Zögern jetzt gibt, liegt ganz auf der Linie der Außenpolitik der letzten Jahre: Ein Beitritt Ostdeutschlands, das ebenfalls Interesse bekundet hatte, würde einer d facto-Anerkennung des Ulbricht- Staates durch die Westmächte gleichkommen und die Hoffnung auf Wiedervereinigung gänzlich begraben. Es bedurfte erst eines persönlichen Briefes des amerikanischen Präsidenten und eines Schreibens der britischen Regierung, um Bonn von diesen Zweifeln zu befreien. Warum also zuerst diese Härte? Die Bonner Außenpolitik hat nicht zum erstenmal Fehler begangen, die auf der Basis einer Stärke beruhten, die gar nicht vorhanden war. Immerhin wurde der Gedanke, eventuell zusammen mit Frankreich eine gemeinsame „force de trappe” aufzubauen, wieder ad acta gelegt. Der Tatsache, daß die Vereinigten Staaten eben doch stärker sind als Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland zusammengenommen, war hier offenbar ausschlaggebend. Vielleicht auch die zu erwartende atomare Strategie, die aus Deutschland binnen kurzem ein Wüste machen würde.

SPATE SÜNDENBÖCKE. In einer kurzen Meldung gab das Zentralorgan der tschechoslowakischen kommunistischen Partei bekannt, daß das Prager Zentralkomitee auf Grund neuer Beweise und eines innerparteilichen Gutachtens zwei ihrer einst führenden Mitglieder, nämlich den ehemaligen Vizeministerpräsidenfen Cepicka und den früheren Sicherheits- minisfer Kopriva, aus der Partei ausgeschlossen habe. Entsprechende Maßnahmen seien eingeleitet worden. Damit wurden endlich zwei Sündenböcke für die Prozesse gegen höchste Staats- und Parteiführer, wie den 1952 hingerichteten Rudolf Slansky, gefunden. Cepicka, ursprünglich Rechtsanwalt, war als Schwiegersohn des Präsidenten Clement Gotfwald rasch die Leiter der politischen Karriere emporgekleitert. Als Verteidigungsminister und Vize- minisferpräsident war der Höhepunkt erreicht, die Stelle eines Präsidenten des Patentamtes war für den bereits bedeutungslos gewordenen Cepicka ein Tiefpunkt. Auch der einstig Sicherheitsminisfer Ladislaus Kopriva leitete zunächst noch eine Sektion des Innenministeriums, verschwand jedoch ebenfalls bald in der Versenkung. Di Bestrafung der beiden, den alten Genossen unbequem gewordenen Karrieremacher und daher dankbar begrüßten Sündenböcke wird nicht mehr lange auf sich warfen lassen. Die Rehabilitierungen ihrer Opfer geht allerdings nur zögernd vor sich.

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