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Ende der fetten Jahre?

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Ganz Kärnten in Alarmstim- mung: Das Gästeminus schlägt sich bis dato mit 605 Millio- nen Schilling zu Buche. In einem kopflastigen Fremdenverkehrsland wie Kärnten, das noch dazu in den vergangenen Jahren mit Steige- rungsraten verwöhnt worden ist, besonders schmerzlich. Was die Kärntner aber kaum verwinden können, ist ihr Einzelschicksal: mit dem eklatanten Minus hat Kärnten eine fragwürdige Sonderstellung in Österreich.

Kärnten wäre nicht Kärnten, würde nicht sofort die Fährte nach einem „Schuldigen" an der Misere aufgenommen werden. Den zu er- schnüffeln ist gar nicht so einfach. Einfach weil es keinen einzelnen gibt. Höchstens eine Häufung un- glücklicher Zufälle.

Beginnen wir im Land selbst. Als Allheilmittel gegen offensichtlichen „Bürokratietourismus" wurde die Tourismuswerbung aus dem Land ausgegliedert und einer Tourismus- gesellschaft übertragen. In Kärn- ten nennt man diese Konstruktion gerne „Privatisierung des Fremden- verkehrs". Was an einer Beteili- gung von Land (60 Prozent), Han- delskammer (30 Prozent) und Ar- beiterkammer (zehn Prozent) pri- vat sein soll, kann allerdings nie- mand exakt beantworten. Zumin- dest muß jetzt nicht mehr für jede Journalisteneinladung und für die Anschaffung von Bleistiften und Spitzern ein offizieller Antrag ge- stellt werden.

Bestellt wurde zwei Tage vor der Landtagswahl ein Manager, der zwar die geforderten Punkte der Ausschreibung nicht erfüllte, aber dafür keine Fremdenverkehrspra- xis vorweisen konnte. Urteil des Tourismusberaters, der für die Auswertung zuständig war: „Unter den Bewerbern hat keiner den ge- stellten Anforderungen entspro- chen. Von allen dreien war Hel- muth Ellensohn der beste."

Die erste Tat der KTG (Kärntner Tourismusgesellschaft) war die Umkrempelung der Werbelinie, die just als sie aufs Abstellgleis gestellt wurde, einen Staatspreis für vor- bildliche Werbung einheimste. Kärnten bekam ein eckiges Tan- gram-Männchen verpaßt, das sich je nach Angebot zum Fisch, zum Radfahrer, zum Ferienhaus oder zum Willkommensmännchen ver- renken kann. Ungetestet, wild umstritten und kritisiert landete es flächendeckend auf Prospekten, Plakaten und Inseraten.

Wenn schon Tourismus nicht unbedingt die Stärke des ehemali- gen Schuhverkäufers Helmuth El- lensohn ist, so macht er wenigstens mit markigen Sprüchen von sich reden. Die Kärntner Fremdenver- kehrswirtschaft hatte Gesprächs- stoff von Frühjahr bis zum späten Herbst. Zuerst überraschte er mit der Aussage, alles, was bisher im Kärntner Tourismus geschehen ist, sei „Mist" gewesen. Später ließ er via Radio vernehmen, daß der DDR- Urlauber für das Land Kärnten uninteressant sei, da die Betriebe nur an Qualitätsgästen interessiert seien. In einem Tourismusmedium verkündete er, daß „Anfragen nach Billigquartieren von den Fremden- verkehrsämtern einfach nicht mehr weitergegeben werden sollen" und schlußendlich ließ er aufhorchen, als er Wirte und Personal für den Gästerückgang verantwortlich machte, da sie „dem Gast die Spei- sekarte hinknallen würden". So weit, so unsensibel.

Viel folgenschwerer wirkte ver- mutlich die Entscheidung, die Werbung lediglich auf die deut- schen Bundesländer Bayern und Baden Württemberg zu konzentrie- ren, während das einwohnerstärk- ste Bundesland Nordrhein Westfa- len von Tangram & Co „verschont" blieb.

Jetzt haben sich so ziemlich alle auf den obersten Manager einge- schossen. Politiker, weil noch kein Rechnungsabschluß für 1989 vor- liegt (die KTG verwaltet 55 Millio- nen Schilling aus der Nächtigungs- taxe), die Wirte, weil sie sich trotz ihres Einsatzes gefrotzelt fühlen, die Privatzimmervermieter - sie haben bereits mit der Verweige- rung der Nächtigungstaxe an die KTG gedroht. Das Kontrollamt habe bisher noch nicht einschrei- ten können, da wichtige Unterla- gen fehlen.

Für Minuszahlen von 17,8 Pro- zent in Bad Kleinkirchheim, 11,4 Prozent in Velden, 13,3 Prozent in Finkenstein, 8,3 Prozent in Pört- schach und so weiter können aber all die Unzulänglichkeiten nicht verantwortlich sein. Sind sie auch nicht.

Kärnten hat bezüglich seiner Gäste eine Monostruktur: 75 Pro- zent sind Ausländer und davon wiederum 70 Prozent aus westdeut- schen Landen. Die Westdeutschen waren es auch, die heuer ihrem traditionellen Urlaubsland Kärn- ten, wo man mühelos Quarktorten, Sahne zum Kaffee und Sauerkohl zum Eisbein bekommt, den Rücken kehrten: weil sie die Fußball WM von längeren Urlaubsfahrten ab- hielt, weil sie Ausflüge (nicht län- gere Urlaubje) in die DDR unter- nahmen, weil sie Verwandtenbe- such aus dem Osten erhielten, weil ihnen der Aufbau beim „kleinen Bruder" wichtiger war, weil Mana- ger aus diesem Grund Urlaubssper- re hatten, und weil sie einmal den Sinn des „Stay-home-Effekts" er- gründen wollten.

Daß sich Kärnten in den letzten Jahren kaum um den nahen italie- nischen Gast, kaum um Engländer, Skandinavier und andere Völker- scharen gekümmert hat, scheint jetzt schmerzlich zu Buche zu schla- gen.

Besonders zu leiden hat Kärnten aber an seinem überlastigen Ein- saisonentourismus. Das Verhältnis zum (seit drei Jahren schneearmen) Winter liegt immer noch bei sie- beneinhalb zu eineinhalb. Für die Unternehmer wird es immer schwieriger, in wenigen Wochen jene Erträge zu erzielen, die für Investitionen nötig sind. Auf inter- nationalen Märkten wettbewerbs- fähig zu bleiben, wird immer schwieriger. Hinzu kommt ein neuer Aspekt: die Betriebe haben zuse- hends Schwierigkeiten, qualifizier- tes Personal zu bekommen. Junge Leute kehren den Gastgewerbebe- rufen den Rücken und wenden sich weniger anstrengenderen und au- genscheinlich attraktiveren Beru- fen zu.

Vonden216.000KärntnerBetten stehen 55.000 in Privatzimmern und 45.000 in Quartieren der C- und D- Qualität. Sie sind leider nicht immer so ausgestattet, daß sich der Gast darin bedingungslos wohlfühlen würde. In Zeiten geringer Nachfra- ge sind sie die ersten, die leerblei- ben. In diesem Fall ist an Verbesse- rungsinvestitionen überhaupt nicht mehr zu denken.

Die „fetten Jahre", von denen Kärntens Tourismuswirtschaft einst zehrte, scheinen vorbei zu sein. Den erfolgsgewohnten Kärntnern bläst ein kühler Wind ins Gesicht. Meist hat sich gezeigt, daß Krisen, Minuszahlen und Schwierigkeiten die Kärntner Unternehmer nicht zur Resignation sondern zum Är- melaufkrempeln anregen. So gese- hen könnte sich der Rückgang im Kärntner Fremdenverkehr - auch der August brachte Minuszahlen - heilsam für die nächsten Jahre auswirken.

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