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„Felix mit'n Stift“

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„I haß“, so definiert sich der Wiener Vizebürgermeister Felix Slavik zu vorgerückter Stunde selbst, „im Rathaus nur da Felix mit'n Stift.“ „Weil“, begründet er, „i rechn immer alles glei aus.“ Nun haben die Mitglieder des Wiener Ausschusses der SPÖ und der Klub der sozialistischen Gemeinderäte den Finanzreferenten und Obmann der Wiener SPÖ Slavik einstimmig zum Bürgermeister der Bundeshauptstadt Wien nominiert.

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„I haß“, so definiert sich der Wiener Vizebürgermeister Felix Slavik zu vorgerückter Stunde selbst, „im Rathaus nur da Felix mit'n Stift.“ „Weil“, begründet er, „i rechn immer alles glei aus.“ Nun haben die Mitglieder des Wiener Ausschusses der SPÖ und der Klub der sozialistischen Gemeinderäte den Finanzreferenten und Obmann der Wiener SPÖ Slavik einstimmig zum Bürgermeister der Bundeshauptstadt Wien nominiert.

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Die am Montag, dem 21. Dezember im Gemeinderart stattfindende Wahl ist „lediglich eine Formsache“. Damit löst Felix Slavik Bürgermeister Marek ab, der, durch die starre Altersklausel der SPÖ verpflichtet, Ende dieses Jahres in Pension geht. Durch diese Hofübergabe werden nachträglich die vor der Gemeinderatswahl 1969 kursierenden, aber dementierten Gerüchte bestätigt, daß Marek, auf den der Wahlkampf weitgehend zugeschnitten war und der — dem Aufruf des damaligen Wahlkomitees folgend — „sich als Persönlichkeit präsentiert, die dem Geist und der Atmosphäre der Stadt kongenial ist“, noch vor Ablauf der Legislaturperiode demissioniert. Slavik, der am 3. Mai 1912 geboren und seit seinem 14. Lebensjahr in der Sozialistischen Partei tätig ist (was ihm im Jahre 1934 und ausgiebiger in den Jahren von 1939 bis 1943 insgesamt vier Jahre politischer Haft einbrachte), bekleidete eine Vielzahl von Posten. 1945 war er amtsführender Stadtrat für das Wohnungswesen, 1946 Bundesrat und Erster Sekretär des österreichischen Städtebundes, 1948 Sekretär der Landesorganisation Wien der SPÖ, 1949 Abgeordneter zum Nationalrat, Mitglied des Finanz- und Budgetausschusses und ständiges Mitglied des politischen Verhandiungsausschusses im Wiener Rathaus. Am 27. September 1957 wurde er als Nachfolger von Johann Resch als Stadtrat für das Finanzwesen angelobt, was er bis zum heutigen Tag blieb. Mit seiner Nominierung zum Bürgermeister dei Stadt Wien hat Slavik den Gipfel seiner politischen Karriere erreicht — sofern man die Modelle Körner und Jonas nicht zur Gesetzmäßigkeit erheben will. Slavik wird — wie er ankündigte — ganz entscheidend in kommunale und politische Belange der Stadt eingreifen und die Repräsentation, die Domäne der väterlich wirkenden Bürgermeister Körner, Jonas und Marek, in den Hintergrund treten oder von Stellvertretern ausführen lassen: ein „Arbeits-bürgermedßter“ also. Um die Anerkennung als politischer Manager oder besser noch als Wirtschaftsboß bemühte sich Slavik immer schon. Keine der rund 40 gemischt-wirtschaftlichen Gesellschaften (Gesellschaften, die, der üblichen Konstruktion folgend, zu 51 Prozent im Eigentum der Gemeinde Wien, zu 49 Prozent im Eigentum einer privaten Gesellschaft stehen) ist, ob-zwar die formelle Zustimmung immer in den zuständigen Gremien fiel, ohne sein Zutun ins Leben gerufen worden. Allgemeiner ausgedrückt: keine finanzielle Transaktion im Rathaus ohne seine Initiative und Zustimmung. Die Stadthallenftlm-produktion, die Sujets wie „Die tollen Tanten“ und deren ebenso tolle Nichten“ filmisch aufbereitete, schloß mit 123 Millionen Schilling Defizit. Da die Gemeinde Wien für die Kredite in gleicher Höhe, die die Wiener Stadthalle bei der Zentralsparkasse aufnahm, die Ausfallshaftung übernommen hatte, zahlte man nach wie vor pünktlich Zinsen und Kredite zurück. Pech! Selbiges Pech blieb dem Finanzmanager treu, als er zur Versorgung Wiens mit Fernwärme die Gründung der „Heizbetriebe Wien Ges. m. b. H.“ entrierte: basierend auf einem Beschluß des Wiener Gemeinderates vom 25. Oktober 1968, sollte diese Gesellschaft finanziell potente Privatfirmen finden, die, zu 49 Prozent beteiligt, gemeinsam mit der Gemeinde Wien Femwärmeeinricbtun-gen produzieren sollten Als Stammkapital wurden im Jahre 1968

100.000 Schölling bereitgestellt, die 1969 um 120 Millionen Schilling von der Gemeinde Wien aufgestockt wurden, um 1970 um weitere 250 Millionen Schilling auf insgesamt

370.1 Millionen Schilling erhöht zu werden. Des weiteren beschloß der Gameinderat im Dezember 1969 (als sich noch immer kein privater Partner gefunden hatte), einen Kredit-rahmen bis zur Höhe von 400 Millionen Schilling, für den wieder die Gemeinde Wien haftet, zu errichten. Privatfirma fand sich allerdings bis jetzt noch keine. Vollends ins Kreuzfeuer der Oppositionsparteien geriet der Wiener Finanzireferent mit seiner Hilfsaktion für den Bund: Zur Schaffung von 17.100 zusätzlichen Telephonanschlüssen in Wien nahm der Bund bei der Zentralsparkasse 82 Millionen Schilling auf. Die Gemeinde Wien verpflichtete sich, für diesen Kredit, der bei fünfjähriger Laufzeit zu 7 Prozent p. a. verzinst wird, einen Zinsenzuschuß in der Höhe von 4 Prozent zu leisten: Insgesamt etwas mehr als 18 Millionen Schilling. Zur Vorfinanzierung von acht Schnellbahnzugsgarnituren benötigte der Bund 125 Millionen Schilling, die durch einen weiteren Kredit bei der Zentralsparkasse aufgebracht werden sollen. Die gesamte Zinsenlast, die bei einer Laufzeit von 20 Jahre und bei einer jährlichen Verzinsung von 7 Prozent entsteht, nämlich insgesamt ungefähr 119 Millionen Schilling, trägt die Gemeinde Wien.

Als neuer Vizebürgermeister wurde Hans Bock, Stadtrat für Personalangelegenheiten und Bezirksobmann von Hernais, der 1948 den damaligen Gewerkschaftssekretär Franz Olah im Gemeinderat ablöste, nominiert. Mit seiner Wahl beweist die SPÖ Weitblick. Denn: Bock hat des öfteren erklärt, die laufende Funktionsperiode sei seiine letzte. Sollte bei den im Jahre 1974 fälligen Gemeinderatswahlen die ÖVP mehr als 34 Mandate und damit das Recht, einen Vizebürgermeister zu stellen, erringen, wäre für die SPÖ das Problem, welcher der beiden Vizebürgermeister zurücktreten müsse, gelöst. Als Nachfolger für den Posten als Finanzreferent setzte Slavik gegen einigen Widerstand den Generalsekretär des Städtebundes Otto Schweda durch. Dieser, als engster Mitarbeiter Slaviks bekannt, wird dessen Finanzpolitik — so fürchtet die (schwache) Rathausposition — weiterführen.

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