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Vorarlbergs „Längle-Plan“

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Bregenz, Mitte Oktober

Eine der wichtigsten Aufgaben, die vor dem neugewählten Vorarlberger Landtag stehen, ist das große Wohnbauprogramm, das als „Längle-Plan“ auf dem Katholikentag zu Bregenz entwickelt worden war.

Es wäre natürlich sehr einfach, ein Programm, das allen Wünschen gerecht wird, auf dem Papier zu entrollen. Vielleicht ist nicht einmal die Finanzierung das schwerste Problem. Man hat es in der durch bestes Wetter gesegneten Bausaison des Jahres 1949 gesehen, daß zahlreiche Neubauten im Lande zum Teil in der Ausführung steckenblieben, weil Engpässe in der Baustoffversorgung sowie in der Beschaffung der nötigen Arbeitskräfte auftraten. Es ist nicht mit Unrecht darauf hingewiesen worden, daß die Herstellung von 400 Wohnungen in Vorarlberg innerhalb der letzten Jahre das Äußerste an Erreichbarem darstellte. Selbst die Aufbringung größerer Mittel hätte an der Unmöglichkeit, Baustoffe und Arbeiter zu erlangen, an einer gewissen Grenze haltmachen müssen.

Aus dieser Erkenntnis ergeben sich zwei Schlüsse. Zunächst muß der einzelne Bauwerber seine Wünsche auf ein gewisses Maß beschränken. Eine Förderung von Bauten, die über den Bedarf hinausgehen, aus öffentlichen Mitteln verbietet sich von selbst. Dann aber ist eine Verteilung auf einen größeren Zeitraum unerläßlich. Dr.-Ing. Ernst Längle rechnet mit 20 Jahren. „Sofortprogramme" werden leicht zur Demagogie.

Die Finanzierung der Neubauten wurde in Vorarlberg bisher in der Form vollzogen, daß das Land aus Steuergeldem einen Zuschuß von 8000 bis 9000 S gab, wobei nicht gefragt wurde, wieweit der Bauwerber aus eigenen Mitteln baute und wieviel Kredit er in Anspruch nahm. Der heutige Zinsfuß führte dazu, daß beim Bauen auf Kredit hohe Zinslasten gezahlt werden müssen, zu denen noch die Abstattungen des Kapitals kommen. Die Zinsen sind für die meisten Bauwerber von einer drückenden Höhe.

Hier greift nun der „Längle-Plan" entscheidend ein. Die Gelder sollen n i c h t a 1 s Subvention gegeben werden, sondern als zinsfreie Darlehen. Ihr Umfang aber soll derart erhöht werden, daß schon in den nächsten Jahren eine wirksame Bekämpfung und bis zum Jahre 1970 eine völlige Beseitigung der Wohnungsnot erreicht ist. Statt mindestens ,6 % Zinsen und dazu noch Tilgungsraten zahlen zu müssen, hat künftig der Bewerber, der öffentlichen Kredit in Anspruch genommen hat, 5% Tilgungsraten zu zahlen. Seine monatlichen Aufwendungen sind wesentlich entlastet; überdies iss er in 20 Jahren mit der Abstattung fertig, nicht erst in 40 oder mehr Jahren.

Man rechnet mit der Erstellung von 300 Wohnungen im Jahr aus den Mitteln des zu errichtenden Fonds und Tilgungsraten von 150 S monatlich, die in den meisten Fällen nicht einmal die Höhe des Betrages erreichen, der heute als Miete bezahlt werden muß. Mit diesen 150 S im Monat aber sichert sich der Bauwerber ein in 20 Jahren schuldenfreies Eigenheim.

Zur Durchführung des Programms sind jährlich 9 Millionen Schilling erforderlich. Es ist klar, daß diese für den Landeshaushalt des kleinen Landes allein eine unverhältnismäßig hohe Summe darstellen. Dagegen rechnet Längle mit einem Landesbeitrag von 4 Millionen Schilling, was zwar gegenüber den bisherigen Förderungsbeiträgen ein Steigerung bedeutet, die aber dadurch erträglich wird, daß es sich nicht um Geschenke, sondern um Darlehen handelt. Es hätten ferner die Gemeinden 2 Millionen Schilling beizutragen, während die restlichen 3 Millionen durch Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgebracht werden müßten. Schon im Jahre 1951 setzen die Rückzahlungen mit 450.000 S ein und steigen jedes Jahr um den gleichen Betrag, bis sie im Jahre 1970 die vollen 9 Millionen erreichen. Entsprechend sinkt der Landesbeitrag alljährlich um 300.000 S auf 100.000 S im Jahre 1963, der Betrag der Gemeinden jährlich um 150.000 S auf 50.000 S im Jahre 1963. Die Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen bis zum Jahre 1963 stabil bleiben und dann ganz aufhören. Damit aber müßte im Jahre 1964 der Landesbeitrag wieder mit 1,800.000 S, der Gemeindenbeitrag mit 900.000 S einsetzen, um sich wieder alljährlich um 300.000 S, beziehungsweise 150.000 S zu senken und schließlich im Jahre 1970 den Nullpunkt zu erreichen. Die Gesamthöhe der Beiträge und zugleich der Rückzahlungen wird zum Schluß der Rechnung den für das kleine Land hervorragenden Betrag von 94,500.000 S erreicht haben.

Es ist ein Programm, an Umfang nur den Illwerken vergleichbar, das jetzt vor dem Lande Vorarlberg steht. Es handelt sich aber um nicht weniger Wichtiges als die elektrische Kraft — um Leben und Gesundheit der Familie. Die neugewählten Landtagsabgeordneten sehen sich gleich einer Probe gegenübergestellt.

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