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Die Wohnung ist ein relativ langlebiges Gut, das zum individuellen Gebrauch durch seine Bewohner bestimmt ist. Da die Deckung des Wohnungsbedarfes zugleich auch der Befriedigung eines primären menschlichen Bedürfnisses (nach Wohnraum schlechthin) dient, sind auch auf diesem Gebiet mittel- und langfristige Interventionen der öffentlichen Hand gerechtfertigt, um so eher, als durch die kapitalsmäßigen Verlagerungen nach dem ersten Weltkrieg der private Kapitalmarkt — speziell auch in Österreich — nicht mehr die früher von ihm eingenommene Funktion bei der Wohnbaufinanzierung erfüllen kann. Im Gegensatz zur bisher geübten Praxis bei Wohnbauflnan-zierungen durch den Bundes-Wohn- und Siedlungsfonds, den Wohnhaus-Wiederaufbaufonds und durch die Länder nach dem Wohn-bauförderungsgesetz 1954 sollte im Falle von mittel- und langfristigen Förderungsmaßnahmen der öffentlichen Hand — besonders bei Darlehensgewährungen — auf die Möglichkeiten wirtschaftlicher Veränderungen innerhalb kommender Jahrzehnte Rücksicht genommen werden. Durch den Einbau entsprechender Rahmenbestimmungen in die Förderungszusagen wie auch in die Darlehensverträge (Schuld- und Pfandbestellungsurkunden) müßte die ganze öffentliche Wohnbauförderung flexibler gestaltet werden.

„Wer soll das bezahlen?“

Hier einige Beispiele aus der gegenwärtigen Praxis: Bei Direktdarlehen des Bundes-Wöhn- und Siedlungsfonds an Gemeinden oder gemeinnützige Bauvereinigungen werden die Annuitäten mit zwei Prozent fixiert, was einer Darlehenslaufzeit von zirka 69 Jahren gleichkommt. Bei Förderungen nach dem Wohnbauförderungsgesetz 1954 beträgt die Laufzeit der Darlehen (bei ein Prozent Zinsen) 70 beziehungsweise 40 Jahre. Bei beiden Finanzierungen werden seit einigen Jahren die Annuitätenzuschüsse für vorrangige Hypothekardarlehen vorerst nur auf zehn Jahre garantiert und eine allfällige Verlängerung derselben einer späteren Uberprüfung vorbehalten. Der Wohnhaus-Wiederaufbaufonds, der ja im Gegensatz zu den beiden anderen Finanzierungen im wesentlichen eine Totalfinanzierung aus Fondsmitteln gewährt, hatte ursprünglich eine Darlehens-

Tilgungsraten bei langfristigen Darlehen für Wohnungsbauten gedacht ist, obwohl auch diese Frage von größter gesellschafts- und finanzpolitischer Bedeutung ist.

Die Fragwürdigkeit der Fixierung von langfristigen finanzpolitischen Maßnahmen, die ja in einer unbekannten Zukunft entsprechen sollen, wird am besten demonstriert durch das „Bundesgesetz vom 15. April 1921, betreffend Ausgestaltung des Staatlichen Wohnungsfürsorgefonds zu einem Bundes-Wohn- und Siedlungsfonds (B. F. G.)“, in dem es heißt ( 5, Abs. 1): „Aus Bundesmitteln werden dem Bundes-Wohn-und Siedlungsfonds bis zum Jahre 1975 (! Anmerkung des Verfassers) jährlich 100 Millionen Kronen (! Anmerkung des Verfassers) zugewiesen.“ Abgesehen von dem seit 1921 dreimaligen Währungswechsel in Österreich, bedeutet die damalige Fixierung eines jährlichen Bundesbeitrages auf 54 Jahre (!) eine Maßnahme, die mit der Dynamik des Wirtschaftsablaufes nicht in Einklang zu bringen war.

laufzeit von 100 Jahren vorgesehen; jetzt beträgt die Darlehenslaufzeit

75 Jahre. Die WWF-Darlehen sind

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zinsenlos, die jährliche Tilgungsrate beträgt daher eineindrittel Prozent des Darlehensbetrages, garantiert auf 75 Jahre (!).

Während diese Art der Förderung vielleicht bei echter Kriegsschadenbehebung noch gerechtfertigt war, so ist sie heute — bei der Möglichkeit der Verlegung von Neubauprojekten in bestimmten Fällen unter gleichzeitiger Ausweitung des Neubauvolumens — nicht mehr zu verstehen. Außerden^ dürfte es nicht im Sinne einer öffentlichen Förderung liegen, die ja nur subsidär sein soll, durch Gewährung von versteckten langfristigen Subventionen aus den Benachteiligten von gestern Privilegierte auf Lebenszeit zu machen. Von

1948 bis 1963 wurden durch die drei öffentlichen Finanzierungen — ohne Berücksichtigung der Förderungen durch Länder und Gemeinden! — 348.711 Wohnungen gefördert, davon entfallen 73.289 „Bestandssicherungen“ durch den Wohnhaus-Wiederaufbaufonds, so daß in den 16 Jahren der Bau von 275.422 neuen Wohnungen gefördert wurde. Auf Grund der langfristigen Darlehen mit starren Annuitäten kann gesagt werden, daß Ende 1963 rund 16,2 Prozent des

österreichischen Bestandes an „Normalwohnungen“ auf 40 bis 100 Jahre durch unverzinsliche Darlehen oder Darlehen mit einprozentiger Verzinsung gefördert waren. Eine Ausnahme bilden dabei nur die relativ nicht ins Gewicht fallenden Förderungen ohne Direktdarlehen.

Der Anteil der geförderten Wohnungen steigt naturgemäß von Jahr zu Jahr weiter an; es erhebt sich nur die Frage, wer in Zukunft diese öffentlichen Ausgaben bezahlen eoll! Aller Wahrscheinlichkeit nach die Privilegierten selber!

Im Wohnbaukonzept der ÖVP ist u. a. als wesentlicher Bestandteil die Forderung nach Einführung der sogenannten Subjektförderung enthalten, die — zum Unterschied von der gegenwärtig gehandhabten Objektförderung — auf die individuellen Verhältnisse des Mieters, Wohnungs- oder Hauseigentümers Rücksicht nimmt, wobei die Faktoren Wohnungsgröße, Familiengröße und Haushaltseinkommen für die Höhe der Förderung maßgebend sein sollen. Die SPÖ hat sich dieser ÖVP-Forderung, wie man hört, nicht verschlossen, aber auf die Notwendigkeit der „Sockelfinanzierung“ (also neben dem variablen auch einen

fixen Mietzinsbestandteil) hingewiesen, gegen die es auch im ÖVP-Lager anscheinend keine grundsätzlichen Bedenken gibt.

Bei der bevorstehenden Reform der öffentlichen Wohnbauförderung sollte im Hinblick auf die zu gewährende öffentliche Darlehenshilfe bei Wohnungsneubauten die Darlehenslaufzeit grundsätzlich verkürzt werden (etwa auf maximal 40 Jahre), wobei bei Beginn der Darlehenstilgung die Annuitäten beziehungsweise Tilgungsraten für die ersten fünf oder zehn Jahre zu ermäßigen wären, um dann in der Folgezeit 'le fünf Jahre anzusteigen Bei zinsenlosen Darlehen würde dies ein Ansteigen der Tilgungsraten (zum Beispiel alle fünf Jahre), daher eine schnellere Darlehenstilgunj bedeuten, w'“ :nd bei Annuitäten mit fortschreitender Zeit entweder die Darlehenstilgung erhöht oder das aushaftende Kapital höher verzinst werden könnte. Der Vorteil dieser Regelung läge vor allem in der Möglichkeit der Senkung des laufenden Wohnungsaufwandes in den ersten Jahren nach Baufertigstellung, in denen bekanntlich die Belastungen des Einkommens durch Haushaltsgründung, Möbelanschaffung usw. die größten sind, während in den späteren Jahren eine zumutbare Steigerung des laufenden Wohnungsaufwandes zu vertreten wäre. So könnte zum Beispiel eine vertretbare Zinsenprogression bei aushaftenden Darlehen neben entsprechenden steuerlichen Begünstigungen Anreize bieten zur vorzeitigen Darlehenstilgung bei Eigentumswohnungen und Eigenhäusern.

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