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Maßnahmen nach sozialen Gesichtspunkten

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Eine Beurteilung des Wohnbauförderungsgesetzes 1968 nach sozialpolitischen Gesichtspunkten ist insofern nur in begrenzten Umfang möglich, als die Regelung der Subjektförderung im einzelnen den Bundesländern überlassen ist. Es wird eben Entscheidendes davon abhängen, wie die Regelung der Annuitätenzuschüsse und der Darlehenshöhe nach sozialen Gesichtspunkten erfolgt. Der Grundsatz, daß bei Festsetzung der Höhe des zu gewährenden Darlehens das Famdlienein-kommen, die Anzahl der im Haushalt lebenden Familienmitglieder und das erforderliche Mindestausmaß an Nutzfläche zu berücksichtigen sind, entspricht den auch bisher von der Sozialakademie vertretenen Grundsätzen. Eine gewisse Problematik ergibt sich aus der Vorschrift, wonach mindestens 10% Eigenmittel aufzubringen sind. In einzelnen besonders berücksichtigungswürdigen Fällen sollte die Möglichkeit gefunden werden, auch unter diese Mindestgrenze der Eigenmittel zu gehen. Einer eingehenden Prüfung bedarf noch die Bestimmung, daß die Förderungswerber die Promesse für ein Hypothekardarlehen einer inländischen Kreditunternehmung in der Höhe der Differenz zwischen den Gesamtbaukosten und den Eigenmitteln bzw. dem Öffentlichen Darlehen nachzuweisen haben. Hier könnten sich gerade bei sozial bedürftigeren Wohnungswerbern insofern Schwierigkeiten ergeben, als diesen die Abwicklung der Bewerbung um ein solches Hypothekardarlehen bzw. überhaupt um die öffentliche Wohnbauförderung größere Schwierigkeiten bereiten würde als nach der derzeitigen Regelung, in der die Wohnbauträger weitgehend die administrativen Aufgaben bewältigen.

Wie beim Konzept zur Neuordnung der Mietengesetzgebung sind auch bei der neuen Wohnbauförderung die wohnraumsichernden Maßnahmen nach sozialen Gesichtspunkten vertretbar. So ist das Darlehen der öffentlichen Hand zu kündigen, wenn das Eigenheim bzw. die Eigentumswohnung nicht zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses des Eigentümers, seiner nahen Angehörigen oder seiner Dienstnehmer regelmäßig verwendet wird, es sei denn, daß der Eigentümer wegen nachgewiesener Krankheit, zu Kur- oder Unterrichtszwecken oder aus zwingenden beruflichen Gründen abwesend ist.

Hinsichtlich der Übergangsbestimmungen ist darauf hinzuweisen, daß eine unbedingte Priorität der derzeit eingereichten Anträge problematisch erscheint; nach sozialen Gesichtspunkten wird sich zweifellos bei neuen Wohnungswerbern weitgehend eine größere Dringlichkeit ergeben als bei vielen der bisher eingereichten Wohnbauförderungs-anträgen. Man müßte wohl den Landesregierungen, denen die Wohnbauförderung übertragen werden soll, eine kritische Sichtung der bisher eingereichten Anträge auftragen. Sonst könnte es geschehen, daß viele nach sozialen Gesichtspunkten unvertretbare Ansuchen um Wohnbauförderung später eingereichten vorgezogen würden, bei denen es sich um durchaus förderungswidrige Wahnbauprojekte handelt. So könnten sich gerade für junge Familien neue Härtefälle ergeben. Es ist nicht ihre Schuld, erst nach Inkrafttreten der neuen Wohnbauförderung um Wohnbaukredite ansuchen zu können. Werden ihnen aber frühere Wohnungswerber vorgezogen, die nach Einkommenshöhe und Familienstand in keinem anderen europäischen Land irgendeine Wohnbauförderung erhalten, handelt es sich um eine krasse Unigerechtigkeit. In diesem Sinn ist die vorgesehene Regelung einer bevorzugten Behandlung der bisher eingereichten Anträge sehr problematisch.

Die sehr unterschiedliche Entwicklung des Bevölkerungswachstums nach Regionen zwingt dazu, mehr als bisher regionaipolitische Gesichtspunkte bei der Wobnbaufönderung gelten zu lassen. In diesem Sinne müßten die Landesregierungen ermächtigt werden, insbesondere in Ballungsgebieten Förderungsanträge in größerem Umfange zu behandeln als in jenen Regionen, in denen das Bevölkerungswachstum stagniert oder sogar eine rückläufige Bevölkerungsbewegung gegeben ist. Eine moderne Wohnungspolitik muß überhaupt eng mit der Raumpolitik und der regionalen Strukturpolitik verbunden sein. Sie muß sich die besondere Aufgabe stellen, in der Gestaltung der Städte und Dörfer Grundsätze zur Durchführung zu bringen, die den modernen Lebensformen entsprechen. Diesen Forderungen hat sich auch wieder der Wohnungsbau unterzuordnen. Bei der Behandlung der Förderungsanträge ist jedoch nicht nur die großräumige Entwicklung zu berücksichtigen, sondern insbesondere auch die Planung der Bauvorhaben im Rahmen der Flächenwidmungspläne. Es muß mehr als bisher gelingen, die Wohnungen aus der engen Verquickung mit Betriebsbauten herauszubringen, insbesondere dort, wo sich starke Einflüsse von den Betriebsbauten auf die Wohnungen ergeben und wo immer es möglich ist, für die Zukunft zu einer klareren Trennung der Funktion „Wohnen und Arbeiten“ zu kommen. Anderseits hat die Wohnungspolitik dafür Sorge zu tragen, daß Wohnungen in größerer Zahl vor allem auch dort gebaut werden, wo neue Arbeitsplätze entstehen. Eine Einschränkung der Pendlerwanderung müßte eines der wesentlichen Ziele einer zukunftsweisenden Wohnungspolitik sein. Eine besondere Frage im Zusammenhang von Wohnbaupolitik und Regionalpolitik ergibt sich auch durch die Grenzziehung der Gemeinden. Es müssen Stadtregionen als Ganzes gesehen und gefördert werden, so daß eine für einen solchen' Gesamtorganismus adäquate Verteilung der Wohnstandorte, der Betriebe, der Versorgungseinrichtung im wirtschaftlichen Bereich, der Erholungsmöglichkeiten erfolgt.

Die neue Wohnbauförderung wird in größerem Umfang als bisher der Landwirtschaft zugute kommen; dies allerdings erst nach der Übergangszeit, wenn die heute bei den Fonds liegenden Anträge bewältigt sind. Gerade die ländlichen Bereiche erfordern eine Erneuerung ihres Wahnungsbestandes, der einen unerhörten Investitionsauf wand nach sich zieht. . .

Die Wohnungsreform sollte auch ein Assanierungsgesetz bringen, das den Bedürfnissen einer zeitgemäßen Städteplanung und durchgreifenden Sanierung, vor allem unserer größeren Städte, Rechnung trägt. In diesem Sinn sollte es die Möglichkeit bringen, auch größere Teile unserer Städte durchgreifenden Sanierungsmaßnahmen zu unterziehen, wobei aber die Rechte der Grundeigentümer möglichst gewahrt werden sollten. In diesem Sinne sollte bei Ausarbeitung der Assanierungspläne in besonderer Weise darauf

Bedacht genommen werden, daß den Grundeigentümern die Möglichkeit einer Beteiligung an der Assanierung gegeben würde, insbesondere für eine Seibstverbauung im Rahmen des Assanierungsplanes. In diesem Sinne wären den Grundeigentümern auch die gleichen Förderungsmaßnahmen zuzubilligen, wie den antragstellenden Gemeinden. Bei der Assanierung sollte darauf geachtet werden, daß eine den modernen Wohnbedürfnissen entsprechende zu dichte Verbauung vermieden wird, daß ausreichende Grünanlagen sowie die erforderlichen Gebäude für kulturelle und religiöse Zwecke eingeplant würden, selbstverständlich auch die erforderlichen Betriebsbauten.

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