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Vor der „großen Wohnungsreform“

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In der letzten Zeit ist es im Zuge der Auseinandersetzungen um die Entwürfe eines Wohnbauförderungsgesetzes 1968 und des Mietreehtsänderungsgesetzes zu einer heftigen Diskussion um die Wohnungspolitik dn Österreich gekommen. Die Katholische Sozialakademie Österreichs hat bereits im Jahre 1960 eine umfassende Stellungnahme zum Wohnungsproblem abgegeben und auf die wirtschaftlichen und sozialen Schäden hingewiesen, die durch das ungelöste Wohnungsproblem entstanden sind. Die Katholische Sozialakademie Österreichs hält es daher auch im gegenwärtigen Zeitpunkt für ihre Pflicht, zu grundsätzlichen Fragen der gegenwärtig in Angriff genommenen Wohnungsreform Stellung zu nehmen.

Die Initiative der Regierung, nach einer langen Zeit der Stagnation in der Wohnungspolitik endlich wieder einen wesentlichen Schritt zur Neuordnung zu setzen, ist unbedingt zu begrüßen. Die vorliegenden Gesetzentwürfe sind zweifellos geeignet, einen beachtlichen Beitrag zur Neuordnung der Wohnungswirtschaft in Österreich zu leisten. Freilich bringen sie nioht alles. Eine fünfzigjährige verfehlte Wohnungsgesetzgebung läßt sich nicht auf einmal wiedergutmachen; es gilt daher, zunächst starke Ordnungskräfte in Gang zu setzen, die von selbst wieder weitere Impulse zu einer tiefergreifenden Neuordnung setzen können.

Nach ihrer ökonomischen Seite werden die vorliegenden Gesetzentwürfe einem sehr umfassenden Begutachtungsverfahren unterworfen. Primäre Aufgabe der Katholischen Sozialakademie Österreichs scheint es zu sein, die soziale Problematik der Wohnungsreform aufzuzeigen. Eine solche Beurteilung des neuen Konzeptes zur Wohnbauförderung und der Mietengesetzgebung macht es erforderlich, zunächst einmal die wesentlichen sozialen Fehlentwicklungen darzustellen. Zum Unterschied von den meisten anderen westeuropäischen Staaten kennt die Wohnbauförderung in Österreich keine Einkommensgrenzen: Das hat dazu geführt, daß auch Personen mit sehr hohem Einkommen keine Scheu haben, Sozialbauwohnungen in Anspruch zu nehmen und damit Minderbemittelte verdrängen. Während es in anderen Ländern geradezu als unehrenhaft erscheint, bei hohem Einkommen oder in angesehener politischer Funktion öffentlich geförderte Wohnungen zu beziehen, besteht in Österreich in dieser Hinsicht keinerlei Zurückhaltung. Es hat auch an einer Berücksichtigung der Familien bei der Vergebung der zum Teil oder zur Gänze aus öffentlichen Mitteln erbauten Wohnungen gefehlt. Im Regelfall haben die jüngeren Bevölkerungssohichten einen ungleich höheren Wohniungsaufwand zu erbringen; jüngere Familien wenden, sei es im Wege der Ablöse oder des Eigenmittelanteiles bei Neubauwohnungen, sei es infolge einer hohen Miete oder einer entsprechenden Rückzahlungsverpflich-tung, überwiegend einen erheblichen Teil Ihres Einkommens auf. Dagegen haben weitgehend Altmieter mit höheren Einkommen nur geringen Wohnungsaufwand. Die gegenwärtige Wohnungsbeihilfe berücksichtigt weder die Einkommenshöhe noch den Familienstand. Erhöhungen der Mieten auf Grund des 7 des Mietengesetzes für Instandsetzungsarbeiten verzerren die ungerechte Belastung der Mieter noch besonders.

Bringt die vorgesehene Regelung nun bessere Verhältnisse im Sinne der sozialen Gerechtigkeit? Sie ändert zunächst nichts an der sinnwidrigen Wohnungsbeihilfe. Wenn schon budgetäre Erwägungen eine völlige Neuordnung des Wohnungsbeihilfensystems verhindern, so sollte zumindest geprüft werden, ob nicht für jene Wohnungsinhaber, die durch Instandsetzungsarbeiten am Haus im Sinne des 7 des Mietengesetzes eine wesentliche Erhöhung ihrer Mieten hinnehmen müssen, eine gerechtere Beihilfe gewährt werden könnte. Die vorgesehene Neuregelung des 7 des Mietengesetzes bringt eine an sich zweckmäßige Regelung, wonach zwischen zwei Dritteln der Mieter und dem Vermieter eine Vereinbarung über eine Erhöhung des Mietzinses abgeschlossen werden kann, wenn die Miet-zinsreserve der letzten fünf Jahre für die Dek-kung der Auslagen der ordnungsgemäßen Instandhaltung des Hauses nicht ausreicht. Eine derartige freiwillige Vereinbarung war bisher nicht möglich. Diese flexiblere Regelung wäre geeignet, zu einer verbesserten Instandhaltung der Miethäuser beizutragen. Es könnte noch eine weitere Auflockerung in der Richtung angestrebt werden, daß auch Modernisierungsarbeiten mit Zustimmung der Mieter durchgeführt werden könnten und dafür eine entsprechende Erhöhung der Miete vorzusehen sei. Doch müßte ein gewisser, nach sozialen Gesichtspunkten gestalteter Ausgleich erfolgen. Ein solcher erschiene möglich, indem die derzeitige Beihilfe bei den Beziehern höherer Einkommen wegfallen würde und mit den dabei freiwerdenden Mitteln eine nach Familienstand, Wahnungsaufwand und Einkommenshöhe abgestufte Wohnungsbeihilfe eingeführt würde, die von den Bundesländern zu verteilen wäre.

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