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Entwirrung im Mietzins-Chaos?

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Die Frage der Regelung der Mietzinse tritt nunmehr aus dem Bereich -parteipolitischer Auseinandersetzungen heraus in die Sphäre ernsthafter sachlicher Diskussion. Der dem Nationalrat wegen einer Neufestsetzung der Mietzinse in den sogenannten .Althäusern' vorgelegte Initiativantrag, der vorsieht, daß eine Friedenskrone (als Verrechnungsbasis) mit einem Schilling valorisiert werden soll, wurde auch - von den Vertretern der Arbeiterkammern und der Gewerkschaften nicht vorweg abgelehnt, seine Behandlung ist für den Frühherbst vorgesehen. Bei der Stellungnahme der Arbeitnehmervertreter mag wohl auch die Einsicht in die Tatsache mitgespielt haben, daß ein Großteil der Mieter auch in den Althäusern heute bereits mehr für die Miete aufwenden muß als nach der vorgesehenen Neuregelung. Damit scheint der tote Punkt in der meritori-schen Behandlung der Frage überwunden. Man sitzt am Verhandlungstisch und kann sich mit ungetrübter Sachkenntnis in die schwierigen Einzelfragen des verwickelten Komplexes vertiefen.

Unbestritten steht fest, daß in einem großen Teil der Fälle die alten Häuser mit den bisherigen Hauptmietzinsen nicht erhalten werden können, so daß wertvoller Wohnraum entweder verlorengeht

oder zumindest nicht modernisiert werden kann. Zudem muß vom Standpunkt der Tauschwertgerechtigkeit festgehalten werden, daß in einem großen Umfang die Mieter Vorteile erhielten, ohne Rücksicht auf ihre' Einkommenslage, so daß man geradezu von einer negativen H a us h er r en r e n t e sprechen kann.

So begrüßenswert der Versuch ist, auch für die Wohnungs mi e t e n einen echten und zur Errichtung von Neubauten anregenden Preis zu sichern, muß aber gegen die Form Stellung genommen'werden, wie die Erhöhung der Mieten im Rahmen eines Lohn-Preis-Abkommens abgegolten werden soll, wie überhaupt gegen den allzu schematischen Lösungsversuch.

Der Zweck der Mietzinsregelung

ist es a) dem Hausbesitzer eine Amortisationsrate zu gewähren, wobei die Pflicht besteht, die neuzufließenden Mittel zur Deckung der Kosten der Erhaltung der Häuser zu verwenden. Hier könnte man zwar einwenden, daß manche Häuser (und zwar jene, die schon lange vor 1914 erbaut worden sind) durch die seinerzeit angemessenen Mietzinse bereits amortisiert worden sind, so daß kein Rechts-

anspruch auf eine neuerliche (zweite usw.) Amortisationsrate besteht. Der Einwand kann aber, da die neuzufließenden Mittel keine Rente für den Hausherrn darstellen, als unbeachtlich abgewiesen werden. Wohl muß aber darauf Bedacht genommen werden, daß manche Häuser bereits abbruchsreif (nicht erhaltenswert) geworden sind und ihre Erhaltung aus diesem Grund volkswirtschaftlich sinnlos wäre. Die neuzufließenden Mittel kämen nicht einem Reparaturfonds zugute, sondern eher einem Abbruchsfonds, b) Die mit der Neuregelung angestrebte Erhöhung der Vergütung für die Verwaltung des Hauses ist eine Selbstverständlichkeit. Die Leistung des Hausherrn oder seines Vertreters muß an die Sätze vergleichbarer Dienstleistungsbetriebe angepaßt werden.

Die Berechnungsgrundlage für die Neuregelung soll nun die Friedenskrone sein. Es ist nicht möglich, diesem Teil der vorgeschlagenen Lösung zuzustimmen. Der Berechnungssatz stammt aus der Zeit vor 1914, also aus einer Zeit, in der hinsichtlich der Qualitätsbestimmung bei Wohnungen wesentlich andere Grundsätze herrschten als heute. Was vor 1914 Komfort war, kann heute als eine groteske Entartung der Wohnungskultur an-

gesehen werden. Aus diesem Grund sind auch die Vergleiche mit Gemeindehäusern, wie mit allen nach 1918 erbauten Häusern unzutreffend, da eine Gemeindewohnung fast durchwegs höhere Qualitäten aufweist als eine gleichgroße Wohnung aus der Zeit vor 1914. Bevor man an eine mechanische Übernahme von

Bewertungsgrundsätzen aus einer vierzig und mehr Jahre zurückliegenden Zeit geht, wäre es wohl angezeigt, vorerst eine Neubewertung sämtlicher Wohnungen, auch jener, die nicht dem Mietengesetz unterliegen, vorzunehmen, um nicht neuerlich Ungerechtigkeiten bei der Mietzinsbildung zu schaffen.

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