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Herbergsuche 1978: Der Weg zum Happy-End ist weit und einsam

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Wenn einer eine Wohnung sucht, dann kann er was erzählen. Speziell Jungfamilien können oft ein langes Lied davon singen, mit welch mannigfaltigen Problemen man auf dem Weg zum eigenen Heim konfrontiert wird. Dieser Weg mag zwar mit guten Vorsätzen der zuständigen öffentlichen Stellen gepflastert sein, die alle möglichen Förderung smaßnahmen propagieren, trotzdem kann sich der Wohnungsuchende häufig des Eindruckes nicht erwehren, daß er auf diesem Weg allein gelassen wird und immer wieder durch den Rost fällt.

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Wenn einer eine Wohnung sucht, dann kann er was erzählen. Speziell Jungfamilien können oft ein langes Lied davon singen, mit welch mannigfaltigen Problemen man auf dem Weg zum eigenen Heim konfrontiert wird. Dieser Weg mag zwar mit guten Vorsätzen der zuständigen öffentlichen Stellen gepflastert sein, die alle möglichen Förderung smaßnahmen propagieren, trotzdem kann sich der Wohnungsuchende häufig des Eindruckes nicht erwehren, daß er auf diesem Weg allein gelassen wird und immer wieder durch den Rost fällt.

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Es liegt auf der Hand, daß in erster Linie junge Leute auf Wohnungssuche sind, junge Leute, die sich vom Elternhaus selbständig machen wollen, die im Begriff stehen, eine Ehe einzugehen und eine neue Familie zu gründen. Sie stehen vor den Problemen: Wie kommen wir zu einer Wohnung? Wie können wir sie finanzieren? Sind die beiden finanziell weder durch ihre Eltern noch durch das eigene Einkommen auf Rosen gebettet beziehungsweise zählen sie nicht zu jenen, die eine schöne Hauptmietwohnung von Eltern oder Großeltern „erben“, stehen sie damit an der ersten Station eines Leidensweges.

Zunächst müssen sie sich selbst einige Fragen beantworten: Wie groß soll die Wohnung sein? Welchen Preis können wir uns dafür leisten? Wie lange können wir realistischerweise darin wohnen? In welcher Gegend und Lage soll die Wohnung sein? Welchen qualitativen Standard soll sie mindestens haben? Lauter Fragen, die nicht vorschnell abgetan, sondern mit wachem Blick in die Zukunft sorgfältig überdacht werden sollten.

Denn die preisgünstige Kleinwohnung im total verbauten Gebiet kann, wenn sich Nachwuchs eingestellt hat, bald zum Schauplatz und Gegenstand heftiger häuslicher Konflikte werden, wenn die Familie auf engstem Raum miteinander leben muß und das Kind kaum ins Grüne kommt. Eine weitere Schwierigkeit kann darin bestehen, daß die Verwandten und Freunde (die potentiellen Babysitter also) weit entfernt wohnen oder der Weg zum Arbeitsplatz einer Weltreise gleichkommt.

Die Traumwohnung, die aüe Ansprüche zufriedenstellt, die bei entsprechender Größe und komfortabler Ausstattung eine absolute Ruhelage im Grünen mit einer minimalen Wegzeit zur Arbeitsstätte verbindet, wird kaum zu finden sein oder nur zu einem Preis, der jenseits der Möglichkeiten fast aller Jungfamüien liegt. Trotzdem - bestimmte Vorstellungen sollte man bereits haben, wenn man mit der Wohnungsuche ernsthaft beginnt.

Wo kann man sich über Wohnungsangebote informieren? Zunächst gibt es Wohnungsämter und

Wohnungsberatungsstellen von öffentlicher Seite und von politischen Parteien, außerdem stehen gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsvereinigungen sowie Realitätenbüros im Telefonbuch. Einen relativ schnellen Blick auf den Wohnungsmarkt 4 allerdings unter Ausklammerung der meisten Neubauprojekte - lassen die Inserate in den Zeitungen zu. All diese Informationsquellen

für eine angebotene Mittelwohnung beträgt im Durchschnitt zwischen 3000 und 4700 Schüling.

Dr. Fritz Koppe, der Geschäftsführer des Vereins, charakterisiert das Suchen einer Wohnung in Österreich als „Lotteriespiel“, bei dem man oft nur mit einer tüchtigen Portion Glück zum Erfolg kommt. Preise sagen oft gar nichts über die Qualität einer Wohnung aus.

Im wesentlichen wird man vor der Wahl stehen: Mietwohnung, Eigentumswohnung oder Genossenschaftswohnung? Eine fertige, sofort beziehbare Wohnung oder eine noch im Bau oder gar erst in Planung befindliche? Die Antwort wird oft von den Finanzierungsmöglichkeiten, aber auch von der Qualität des Angebotes abhängen. Bei deren Uberprüfung kann die heuer vom Katholischen Famüienverband herausgebrachte Check-Liste eine große Hüfe sein. Was teuer oder neu ist, muß

noch lange nicht gut, geschweige denn familiengerecht sein.

Sitzt man dann eines Tages im Büro eines Immobilienmaklers, der gerade die telefonische Verbindung mit dem Vermieter der gewünschten Wohnung herstellt, die man besichtigen will, kann man auch erleben, wie der Büroangestellte resolut darauf hingewiesen wird, sich gefälligst zu merken, daß die große Wohnung in Grünlage nur an alleinstehende Personen, keinesfalls aber an junge Ehepaare - schon gar nicht mit Kind -abgegeben werde. In Inseraten stehen solche Wünsche von Vermietern freüich selten.

Wül man eine Mietwohnung, so ist der Weg zum Makler, der in der Regel eine Provision in der Höhe von zwei bis drei Monatsmieten, aber auch mehr, kassiert, kaum zu vermeiden. In Kenntnis vieler schwarzer Schafe seiner Branche rät der Wiener Ge-

bäudeverwalter und Realitätenvermittler Dkfm. Bernhard Hinterwirth, Alleininhaber der Firma „Heinz Sodoma“, allen Wohnungsuchenden, keinesfalls vor Vertragsabschluß irgendwelche Zahlungen zu leisten.. Seine Worte sind Balsam für entmutigte Wohnungsuchende: „Jeder fin-

det schließlich genau das, was er haben will. Es kann freilich bis zu einem Jahr dauern, und man muß möglichst intensiv suchen.“

Mit dem Wiener Wohnungsmarkt hat es überhaupt eine eigene Bewandtnis. Die angeblich verbotenen Ablösen. für Mietwohnungen (tatsächlich sind sie nur bei Substan-dardwohnungen nicht erlaubt) klettern bei schönen Objekten in ähnliche Höhen wie die Eigenmittel-Anzahlungen für Eigentumswohnungen. Während in der einen Wohnung eines Miethauses eine alte Beamtenwitwe (oder deren „Erbe“) für 150 ~ Quadratmeter 200 Schilling pro Monat bezahlt (es sei ihr gegönnt), muß nebenan eine neu eingezogene junge Familie nach einer saftigen Ablöse mindestens das Zehnfache monatlich auf den Tisch des Hausherrn blättern. Gerechtigkeit?

Ehe eine junge Familie eine hohe Ablöse zahlt oder bei einer vergleichsweise billigen Substandard-wohnung umfangreiche Investitionen durchführt, stellt sie sich natürlich die Frage, ob sie so lange in dieser Wohnung bleiben wird, daß sich die Kosten amortisieren. Kommt sie zu dem Schluß, daß dies nicht der Fall

Hietzing: 2 Zimmer, 2 Kabinette, Küche, Vorzimmer, Bad, WC, Veranda, zirka 100 rft, 1. Stock, mit Gartenbenützung, Spannteppich, unmöbliert, bis zu 10 Jahre zu vermieten für Ehepaar ohne Kinder, 4200,- monatlich.

So offen steht es selten in einem Inserat: Daß für die große Wohnung im Grünen Mieter mit Kindern unerwünscht sind. („Kurier“, April 1978)

ist, wird sie vielleicht auf die teurere, aber ablösefreie Untermietwohnung verfallen (und dabei möglicherweise finanziell derart ausbluten, daß sie keine Rücklagen für einen weiteren Wohnungswechsel bilden kann) oder gleich den Kauf einer Genossenschafts- oder Eigentumswohnung in Erwägung ziehen. Und die Wiener Althäuser verfallen weiter, und die leerstehenden Wohnungen nehmen zu...

Daß jede Jungfamilie zwangsläufig einmal mit einer geförderten Neubauwohnung liebäugelt, liegt auch daran, daß - entgegen den Vorstellungen des Katholischen Familienverbandes - Wohnraumbeschaffung noch immer nicht gefördert wird, wohl aber die Schaffung von neuem Wohnraum. Die Gemeinde Wien ist nur das markanteste Beispiel für die Verfilzung von politischen Gruppierungen und Wohnbauträgern, die mit dem Wohnen, das im Prinzip von allen Seiten als existentielles Recht anerkannt wird, ihr Geschäft machen beziehungsweise ihr parteipolitisches Süppchen kochen. Dreimal darf man raten, welches Projekt einem Wohnungsuchenden im Wiener Wohnungsberatungszentrum von den freundlichen Beraterinnen zu-

erst und immer wieder ans Herz gelegt wird: der Wohnpark Alt-Erlaa der gemeindeeigenen GESIBA.

Für die Beratung in Kreditfragen steht in Wien die Zentralsparkasse zur Verfügung. Für geförderte Neubauwohnungen wird ein Eigenmittelersatzdarlehen gewährt, allerdings heute bereits wesentlich restriktiver

als noch vor anderthalb Jahren. Wer bedürftig genug ist, es zu bekommen, erhält dafür wahrscheinlich von keiner anderen Stelle Kredit. Wer dann in einer neuen geförderten Wohnung wohnt, kann eine Wohnbeihilfe in Anspruch nehmen. Leute, die sich eine neue Wohnung leisten können und trotzdem wenig genug verdienen, um diese Vergünstigungen aus-' schöpfen zu können, dürften allerdings rar sein.

An die von Bundeskanzler Kreisky einst groß angekündigten 5000 Wohnungen mehr pro Jahr darf man nicht denken, aber es wird doch noch recht viel gebaut, auch in Wien. Leider sind oft gerade die Wohnungen, die Jungfamilien gern hätten, noch auf der Warteliste des Rathauses - die jährlich länger wird - und harren der Bewilligung der Förderungsmittel und damit des Baubeginns, manche schon über drei Jahre. Wer eine geförderte Neubauwohnung anstrebt, die in der Regel lange vor der Fertigstellung angezahlt werden muß, braucht eben Geduld - und gute Nerven. Denn es sollen auch schon Wöh-nungsgenossenschaften auf Kosten ihrer Kunden als trauernder Hinterbliebener pleite gegangen sein. Von Wiener Baufirmen liest man dergleichen ohnehin oft genug.

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