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Städtischer Wohnungsbau und Familienpolitik

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Der soziale Wohnungsbau der Gemeinde Wien und die Richtlinien für die Vergebung von Gemeindewohnungen sind auf das engste verbunden mit den Bestrebungen der Stadtverwaltung, eine zeitgemäße, den Bedürfnissen und Wünschen der wohnungsuchenden Familien entsprechende Zuweisungspraxis zu betreiben. Familien mit Kindern sollen, wenn die Voraussetzungen zutreffen, eine schöne, gesunde und genügend große Wohnung erhalten. Diese Obsorge faßt den Begriff Familie weitestgehend und ist um so dringlicher, je mehr Kinder eine Familie hat.

Neben diesem Gesichtspunkt wird auch die Aufgabe nicht verkannt, jungverheirateten Paaren im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten Wohnungen zuzuweisen, um ihnen die Gründung von Familien zu erleichtern.

Bei der Zuweisung von Wohnungen wird vorerst für die Unterbringung jener Familien gesorgt, die obdachlos geworden oder von Obdachlosigkeit bedroht sind. Neben solchen Fällen gibt es eine sehr große Zahl anderer, die dringend Abhilfe erheischen. So zum Beispiel gibt cs Familien, die in stark überbelegten Wohnungen wohnen. Auf Kabinett-Küche leben häufig Ehepaare mit einem oder zwei Kindern, auf Zimmer- Küche Ehepaare mit drei oder vier Kindern. Aber nicht allein Delogierungsfälle und unzumutbarer Ueberbelag sind dringend zu lösen. Es gibt Familien mit Angehörigen, die an einer dauernden Krankheit leMen. Eine Aenderung der Wohnve: ältnisse ist im Interesse der Heilung des erkrankten Mitgliedes und der Ansehörigen geboten, besonders wenn es sich um übertragbare Krankheiten handelt.

Anderseits wohnen Familien, die gerade dann ihr Heim verloren hatten, wenn eine sofortige Hilfe nicht möglich war, in den städtischen Herbergen und hoffen auf eine rasche Hilfe. Auch in diesen Fällen wird nach einiger Zeit stets' geholfen v um den Fam iii verband so bald als möglich in geordnete WohttverhältnlssSr hi brin

Außer diesen Arten von Notstand weist Wien auch eine erhebliche Anzahl gesundheitsschädlicher Wohnungen auf. Meist sind solche Wohnungen wegen Unbewohnbarkeit gesperrt. Die Bewohner sind der Gefahr ausgesetzt, krank zu werden; insbesondere sind Kinder gefährdet, wenn sie gezwungen sind, längere Zeit in diesen feuchten und muffigen Behausungen zu leben.

Eine besonders dringliche Aufgabe ist die Umauartierung von Familien, die aus einsturzgefährdeten Häusern herausgenommen werden müssen. Hier sorgt die Gemeinde Wien vorbildlich, indem sie alle Familien unterbringt, ob sie nun in gemeindeeigenen oder privaten Häusern wohnen.

Diese Aufgaben — es ist hier nicht möglich, alle aufzuzählen — können nur vermöge der andauernden Bautätigkeit gelöst werden, wenn die Erledigung auch häufig mit größeren Schwierigkeiten und längeren Wartezeiten verbunden ist.

Welche Wohnungen baut die Gemeinde?

Ein kurzer Blick in die Vergangenheit erinnert daran, daß die Gemeinde Wien mit dem Beginn ihrer Bautätigkeit einen kühnen Sprung ins Neue gewagt hat. Damals gab es in mehr als einem Drittel aller Wiener Wohnungen Llntermieter bzw. Bettgeher. Fast ein Viertel der Zimmer-Küchen-Wohnungen im 16. Bezirk wurden von sechs bis zehn Personen bewohnt. Die Menschen waren in Wien gezwungen, bei fremden Leuten zu wohnen, obwohl es vermietbare Wohnungen gab. Die Mieten von damals zwangen die Menschen, auf eine eigene Wohnung zu verzichten und mit bloß einer Schlafstelle vorlieb zu nehmen. Die Folge dieses zusammengepferchten Wohnens war, daß es 1900 neben rund 35.000 ehelichen mehr als 16.000 uneheliche Kinder gab. Aus der alten, schlechten und völlig unzureichenden privaten Bauweise wurden lehrreiche Erkenntnisse und Folgerungen abgeleitet. Mit der Auffassung vom Bau der Miet- und Zinshäuser im Stile der Spekulations zeit wurde völlig gebrochen. Anstatt freudlose Häuser mit ungesunden und viel zu kleinen Wohnungen, in denen notgedrungen selbst bei Ueberbelag der eigenen Familie oft noch Bettgeher wohnten, wurden moderne Wohnanlagen errichtet. Eine völlig neue, von sozialer Einsicht bestimmte Baugesinnung wurde verwirklicht. Die neuen Wege waren schöpferisch und revolutionär, man dachte in weitestem Sinne an die Familien und ihr künftiges Wohlergehen. Die technische Entwicklung wurde von Jahr zu Jahr ausgenützt, an den Wohnanlagen und in den Wohnungen Verbesserungen durchgeführt, so daß eine fortschreitende Modernisierung, die immer Neues und Besseres bringt, die Entwicklung kennzeichnet.

In welche Wohnungen werden Familien entsprechend ihrer Kopfzahl eingewiesen?

Die neuen Wohnungstypen werden planvoll gebaut. Die Planung geschieht im Einvernehmen zwischen dem Wohnungsamt und dem Stadtbauamt. Das Wohnungsamt gibt eine Schätzung über die notwendige Anzahl der Wohnungsgrößen bekannt. Auf Grund von Unterlagen wird der Prozentsatz des Bedarfes an verschiedenen Typen abgestuft und innerhalb des jährlichen Bauprogramms berücksichtigt.

Aus der Praxis zeigt sich, daß die am häufig sten benötigten Wohneinheiten auch die gesuchtesten sind, und zwar:

Alle Wohnungen haben Vorzimmer, teilweise Abstellraum, Klosett, eingerichtete Badenische und Wandbrunnen sowie Durchlauferhitzer. In den neueren Bauten befinden sich‘Abstellräume für Kinderwagen, Garagen, und Lift, moderne Wäschereianlagen, Nachtbeleuchtung usf.

Wieviel Personen werden in diese Wohnungen eingewiesen, das heißt, wie groß darf eine Familie sein, um in eine bestimmte Type zu kommen?

Besonders erfreulich ist der Umstand, daß Im städtischen Wohnungsbau die Unterbringung von Familien mit vier und mehr Kindern fast immer in kurzer Zeit möglich ist, da meist genügend große Wohnungen anfallen.

Wenn der Begriff vom Bau familiengerechter

Wohnungen in bezug auf Ausstattung, Größe und Hygiene und die auf Grund von sozialen Richtlinien vorgenommenen Zuweisungen sinnvolle Geltung hat, dann trifft dies für die Bauweise der Stadtverwaltung und die Auswahl der bedürftigen Familien zu. Es werden nicht nur Wohnungen gebaut, die den Ansprüchen der Familien voll entsprechen, sondern es wird auch darauf Bedacht genommen, den Familien in sozialer Hinsicht zu helfen.

Zur Frage, ob eine Wohnung familiengerecht ist, gehört darum auch die Höhe des Mietaufwandes. Nur der auf Instandhaltung und Betriebskosten abgestellte Mietzins ermöglicht erst der kindetTeichen Arbeiterfamilie, eine familiengerechte Wohnung in Anspruch zu nehmen.

Die Zinsbemessung, die eine Parallele zum sozialen Wohnbau darstellt, ist ebenso wie der

Wohnbau selbst, die große familienpolitische Leistung der Gemeinde Wien.

Es ist nützlich, zu vorliegenden Ausführungen eine Zahl zu nennen, die beachtenswerte Aufschlüsse gibt:

Nach einer vorläufigen Zählung wurden im abgelaufenen Jahr 4667 Familien mit Kindern in Gemeindewohnungen eingewiesen. Darunter befanden sich Großfamilien, die bis zu acht Kinder haben.

Aus der Darstellung, die einen wesentlichen Teil der Aufgaben aufzeigt, ist anzunehmen, daß die Tätigkeit des Wohnungsamtes der Gemeinde Wien auf familienpolitischem Gebiet von der ehrlichen Einsicht bestimmt wird, möglichst immer dann zu helfen, wenn die Not am größten ist. Neben dieser Hilfeleistung darf man nicht vergessen, daß es große und schwer zu bewältigende Aufgaben gibt, wie etwa die durch die Assanierung bedingte Umsiedlung von Familien, die ebenfalls einen hohen Prozentsatz von Neubauwohnungen in Anspruch nimmt.

Wenn die Gemeinde Wien auch nicht imstande ist, alle Wünsche zu befriedigen, so wird sie immer bemüht sein, ihr bestes zu tun. Noch ist die Zahl der aus der alten Zeit stammenden Wohnungen, die man bei bestem Willen nicht als familiengerecht bezeichnen kann, ungeheuer groß.'

Die Stadt Wien aber wird auch in Zukunft mit aller Kraft weiterbauen und ein stetiger und freudiger Helfer der bedürftigen Familien sein.

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