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Der private Wohnungsbau

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Der verewigte Bundespräsident Körner hat noch als, Bürgermeister der Stadt Wien bei einer großen Tagung von Fachleuten der Wohnwirtschaft die bedeutsame Erklärung abgegeben, daß der private Wohnungsbau in Hinkunft wesentlich zu fördern sei. Er war sich klar darüber, daß die Mittel, welche bisher und in Zukunft aus dem Steueraufkommen zur Verfügung gestellt werden können, für eine Wohnbautätigkeit nicht ausreichen, welche die Gewähr dafür geben könnte, daß die noch immer drückende Wohnungsnot in rascher Folge beseitigt wird.

Man war sich zwar in maßgebenden Kreisen klar darüber, daß entscheidend für die Wiederzuführung von privatem Kapital zum Wohnungsbau in Oesterreich eine entschiedene Abkehr der seit dem ersten Weltkrieg herrschenden Zwangswirtschaft im Wohnungswesen ist. Aber die parlamentarische Lage brachte immer wieder solche Hemmungen, daß weder damals noch später jene entscheidenden Schritte gemacht wurden, die eine Rückgliederung auch der Wohnwirtschaft in das allgemeine freie Wirtschaftsgefüge möglich machten.

Erst im Sommer 1954 einigten sich die beiden Koalitionsparteien auf ein neues Wohnbauförderungsgesetz, das man eben für die stärkere Heranziehung des privaten Kapitals und für den privaten Wohnungsbau in Aussicht gestellt hatte. Leider hat dieses Gesetz weitgehend seine Erwartungen nicht erfüllt. Es konnte dies auch nicht, weil wesentliche Mängel in seinem Aufbau und den Durchführungsbestimmungen getroffen wurden, die letzten Endes wohl auf das übliche parlamentarische Kompromiß zurückzuführen sind. Man hat wiederum neue Fonds gebildet, und damit nur neue bankartige Büros der öffentlichen Verwaltung geschaffen, statt die finanzielle Abwicklung gänzlich den bestehenden Landeskreditanstalten zu übertragen. Im vollen Widerspruch aber zu der Absicht, den privaten Wohnungsbau im besonderen zu fördern, steht die Aufteilung der jährlich aufzubringenden Steuermittel von Bund und Ländern auf vier Wohnbaugruppen, von denen die ersten drei zur Beseitigung der Baracken, für Gemeindebauten und öffentliche Wohnanlagen bestimmt sind, also durchwegs dem kollektiven Gedanken in der Wirtschaft dienen, während nur das letzte Viertel für Einzelbewerber zur Verfügung gestellt wird. Aber auch hiefür sind nur die Erwerber von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen berufen, während der gesam private Mietwohnungsbau dadurch praktisch ausgeschlossen wurde. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn von sozialistischer Seite dieses Gesetz als der qrößte Fortschritt in der Sozialisierung des Hausbesitzes in Oesterreich bezeichnet wurde.

Auch sonst ist der Grundgedanke, nunmehr in großem Maße Privatkapital für den Wohnungsbau heranzuziehen, vernachlässigt worden, indem ähnlich wie beim Wohnhauswiederaufbaufonds, wo die gesamten Baukosten aus Steuermitteln zinsenlos gegeben werden, bis zu 90 Prozent der Kosten zu einem niedrigen Zinssatz von 1 Prąze t gewährt we den.

Vielleicht ist Schuld an der Unkenntnis der ' Lage, daß' wir keine einheitliche statistische Erhebung über den Wohnungsbau haben, offenbar deshalb, weil diese in den einzelnen Bundesländern zum Teil nach verschiedenen Gesichtspunkten erhoben und bekanntgegeben wjrd. Bei genauer Betrachtung dieser Gesamtziffern, die sich für Oesterreich ergeben, zeigt sich, daß die Entwicklung in den Bundesländern eine andere Richtung zeigt, wie in der Bundeshauptstadt Wien, in der man auch hierin geneigt ist, die Verhältnisse im ganzen Bundesgebiet nach den Wiener Gegebenheiten zu betrachten.

Aus amtlichen Veröffentlichungen seien im nachstehenden aus den letzten Jahren Ziffern angeführt, aui denen gleichzeitig ein anschauliches Bild über den Anteil von Bauten, welche zur Gänze aus öffentlichen Mitteln, ferner von solchen, daraus geförderten, meist genossenschaftlichen Bauten und den nur aus privaten Mitteln errichteten Wohnungen, gewonnen werden kann. So meldet das Land Salzburg für die Jahre 1945 bis 1952, daß aus öffentlichen Mitteln 1969 Wohnungen und aus privaten Mijtteln 10.803 Wohnungen erbaut wurden (80 Prozent). Das Land Niederösterreich meldet für die Jahre 1951 und 1952 2406 Wohnungen aus öffentlichen und 4965 aus privaten Mitteln (68 Prozent). Steiermark für das Jahr 1953 durch Gemeinden errichtete Wohnungen 650, durch Genossenschaften 1146, durch Private 3745 Wohnungen (68 Prozent). Kärnten 1954: Gemeinden 205, Gemeinnützige 294 und Private 2532 (70 Prozent). Oberösterreich 1954: Gemeinden 593, Gemeinnützige 1660, Private 4831 (66 Prozent). Wien 1951 bis 1956 (nach Staatssekretär Weikhart): Gemeinden 3 5.200, Gemeinnützige 4000 und Private 17.500 (30 Prozent).

Die „Statistischen Nachrichten" geben für das Jahr 1955 eine Aufstellung, wonach von den 41.620 neuen Wohnungen dieses Jahres 23 Prozent durch Gebietskörperschaften, 20 Prozent durch gemeinnützige Bauträger und 57 Prozent durch sonstige Bauherren errichtet wurden. Sie veröffentlichen dann noch einige Detailziffern, aus welchen hervorgeht, daß in Wien der Anteil der Gebietskörperschaften (meist Gemeinde) mit 63 Prozent den höchsten Anteil an den Neubauten ausmacht, während im Land Tirol es nur 10 Prozent sind. Die Tätigkeit der gemeinnützigen Bauvereinigungen ist am stärksten in Oberösterreich und Tirol mit etwa ren, so ist anderseits schon aus städtebaulichen Gründen die Förderung des Mietwohnbaues notwendig. Denn es ist nicht jedermanns Sache, sich durch die Erwerbung eines Eigenheimes in seiner beruflichen Freizügigkeit frühzeitig zu beschränken. Es ist daher geboten, daß auch dem privaten Bauherrn die Möglichkeit gegeben wird, zu denselben wirtschaftlichen Bedingungen Miethäuser zu bauen, als dies derzeit den gemeinnützigen Bauvereinigungen gewährt wird.

Es ist bekannt, daß in Westdeutschland auch die sozialdemokratisch geführten Stadtverwaltungen (mit Ausnahme von München) es abgelehnt haben, selbst im Wohnungsbau tätig zu sein, sondern sie haben nur die übrigen Bauwilligen, Insbesondere die Genossenschaften, entscheidend gefördert. Selbst eine so markante Persönlichkeit dieses Lagers, wie der frühere Oberbürgermeister Bauer von Hamburg, erklärte es in der Oesterreichischen Gemeindezeitung vom Juni

1955 für ungewiß, ob die Beseitigung des Wohnungsmangels im Rahmen der heutigen kapitalistischen Wirtschaft auch nur eine vorübergehende Aufgabe kommunaler Tätigkeit sein wird.

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