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Die Bekämpfung der Wohnungsnot

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Im nachstehenden macht der Leiter einer Tiroler gemeinnützigen -Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft Vorschläge zur Lösung des Wohnungsproblems, di über ihre lokale Bedeutung hinaus Gehör verdienen.

„Die österreichische Furche“ Der Wohnungsmangel bildet eine schwere Belastung der Bevölkerung, seine Lösung ist zu einer vordringlichen sozialen Aufgabe geworden. Durch die Zwangsbewirtschaftung das Wohnungsmarktes können die zusätzlichen Wohn räume nidht geschaffen werden. Dem Neubau von Wohnungen stehen aber die Kapitalverluste, die hohen Grundpreise und die angespannte Lage des.Kapitalmarktes entgegen. Trotzdem muß aus diesem Notstand ein Ausweg gefunden werden, der die tatkräftige Unterstützung der öffentlichen Hand erfordert.

Die Ursachen der Wohnungsnot gehen in ihrer Wurzel auf die Mietengesetzgebung aus dem ersten Weltkrieg zurück. Sie hat eine Rentabilität des privaten Wohnungsbaues ausgeschaltet, ohne die Befriedigung der Wohniungsnachfrage nach dem Grundsatz einer sozialen Auslese sicherzustellen. Zudem ist ein Verfall zahlreicher Wohnungen und ine zusätzliche Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt dadurch entstanden, daß das für die Erhöhung der Instandhaltungszinse vor der Mietkommission abzuführende Verfahren hei der großen Zahl reparaturbedürftiger Häuser nicht zeltgerecht abgewickelt werden kann. Als weitere Ursache des Wohnungsmangels sind der fast völlige Stillstand der Bautätigkeit während des

Krieges, die kriegsbedingte Zerstörung von Wohnungen sowie die Inanspruchnahme von Wohnraum durch Versetzte Personen Und Angehörige der Besatzungsmächte zu nennen.

Die große Aufgabe, die Österreich auf dem Gebiet des Wohnungsbaues zu lösen hätte, wird unter anderem durch die Bautätigkeit in der Schweiz während der letzten Jahre veranschaulicht. So sind in der Stadt Zürich in den Jahren 1943 bis 1948 mit öffentlicher Unterstützung 3266 Hauser mit 7528 Wohnungen errichtet worden, deren Anlagekosten rund 257 Millionen Franken betragen. Von diesen rund 7500 Wohnungen wurden 88% durch gernein- nützige Baugenossenschaften, 9% von privaten Einzelpersonen, Gesellschaften und Stiftungen sowie 3% von der Stadt errichtet. Diese Ziffern zeigen eine deutliche Verlagerung der Bautätigkeit auf den genossenschaftlichen Sektor, die in Zürich von 80 verschiedenen Genossenschaften durch- geführt wird. Die Subventionierung der Bauten durch den Bund, den Kanton und die Gemeinden geht bis zu 45% der Baukosten, außerdem hat di Stadt Zürich 42 Millionen Franken für zweitstellige Hypothekarkredite zum mäßigen Zinssatz von 3V % zur Verfügung gestellt. Durch die weitgehende Gewährung verlorener Baukostenzuschüsse und durch niedrig verzinsliches Fremdkapital wird die Voraussetzunggeschaffen, daß die Mieten trotz den erhöhten Baukosten die durchschnittlidie Vorkriegshöhe nicht übersteigen. Allerdings hat das Ansteigen der Baukosten eine Beschränkung der Wohnflächen auf je 60 bis 70 m Erfordert, welche Raumgröße nun eine internationale Standardtype geworden ist. Abgesehen von der öffentlichen Ausschreibung wird in der Schweiz eine Verbilligung der Bauweise auch durch die vorwiegende Errichtung von Reihenhäusern erreicht, während der Bau der teureren Einfamilienhäuser stark zurücktritt.

Der große Erfolg der Züricher Wohnbauförderung ist durch die Gewährung öffentlicher Zuschüsse entscheidend beeinflußt.

Dieses Beispiel zeigt, daß eine erfolgreiche Lösung der brennenden Wohnungsfrage in Österreich nach den einschneidenden Substanz- und Kapitalverlusten ohne tatkräftige Förderung der öffentlichen Hand unmöglich ist, wenn auch der Subventionierung durch die Lage der öffentlichen Haushalte weit engere Grenzen gezogen werden müssen. Gegenwärtig gewährt der Bundeswohn- und Siedlungsfonds an gemeinnützige Bauvercinigun- gen und an Gemeinden Zinszuschüsse für Hypothekardarlehen in Höhe von 3'/s%, wobei die nutzbare Wohnfläche der geförderten Bauten, mit Ausnahme der Nebenräume, auf 60 m2 beschränkt ist. Bei der für Hypothekardarlehen üblichen Verzinsung von 6V2% ermöglicht ein solcher Zuschuß eine fühlbare Senkung der Mieten, doch ist mit dieser Hilfe allein die Errichtung von Wohnbauten in größerem Ausmaß wegen der hohen Baukosten unmöglich. Hier wird es Aufgabe der Länder und Gemeinden sein, mit verlorenen Baukostenzuschüssen bis zu 20% helfend einzugreifen, so daß ein Siedlungsvorhaben unter Inanspruchnahme von 10% der Baukosten als Eigenmittel des Siedlers und von 70% der Baukosten als Fremdkapital durchgeführt werden kann. Ein einheitliches Schema läßt sich schwer erstellen. Die Finanzierung wird sich stets der Lage des Einzelfalls zweckmäßig anzupassen haben, wobei zur Ermöglichung einer Bautätigkeit auf breiterer Basis die Erzielung des größten Erfolges unter sparsamer Verwendung öffentlicher Mittel erstrebenswert ist. An weiteren Förderungsmaßnahmen der öffentlichen Hand kämen eine Grundsteuerbefreiung für Neubauten auf zehn Jahre und die Ausdehnung der steuerlichen Investitionsbegünstigung auf die von einer gemeinnützigen Bauvereinigung errichteten Werkssiedlungen in Betracht. Die weitere wesentliche Voraussetzung für die Durchführung eines sozialen Bauprogramms bildet die Beschaffung billigen Baulandes. Gerade hier stellt die Grundspekulation ein schweres Hindernis für die so notwendige Wohnungsbeschaffung dar, da die Bodenpreise in manchen Gegenden bis zum Zwanzigfachen der im Jahre 1938 geltenden Höhe hinaufgetrieben wurden. Ohne Anwendung von Zwangsmitteln ist ein Ausweg dadurch möglich, daß öffentliche Körperschaften für soziale Wohnungsbauten Grundflächen zu mäßigen Preisen zur Verfügung stellen. Mit einem großen Verständnis für die Not der Zeit hat die Kirche nach einem Beschluß der Bischofskonferenz den Wohnungsbau in dieser Richtung sehr weitgehend gefördert, auch haben beispielsweise in Tirol Land und Gemeinden sehr billige Baugründe für Wohnungs- und Siedlungsbauten abgegeben.

Die Durchführung größerer Wohnungsbau- und Siedlungsvorhaben durch Gemeinden oder durch gemeinnützige Wohnungsbauvereinigungen bietet den Vorteil, daß nur in diesen Fällen die Zinsenzuschüsse des Bundeswohn- und Siedlungsfonds gewährt werden. Außerdenj ist bei solchen Bauträgern die Gefahr gebannt, daß Bauvorhaben mit unzureichenden Mitteln begonnen werden und wegen Geldmangels wieder eingestellt werden müssen. Eine spätere Übereignung von Einfamilienhäusern und Siedlerstellen an private Bauwerber ist bei einer Bauführung durch gemeinnützige Bauvereinigungen möglich und soll als wertvoller Beitrag zur sozialen Befriedung selbstverständlich gefördert werden.

Die am Rande der Großstädte errichteten Siedlungen bieten vielfach kein sehr erfreuliches Bild. Meist ist ihre architektonische Gestaltung keineswegs vorbildlich, auch läßt eine zu weitgehende Normung der einzelnen Häuser einen eintönigen Eindruck entstehen. Der künftige Wohnungs- und Siedlungsbau 6oll diese Fehler nicht mehr aufweisen und durch eine planvolle Gestaltung auch in späterer Zeit den berechtigten Wohnungsansprüchen genügen, wobei insbesondere am Stadtrand eine harmonische Einfügung der Häuser in das Landschaftsbild und die Anlage entsprechender Grünflächen zu berücksichtigen sein werden.

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