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„Statt Gemeindebau - Eigentumswohnung - warum nicht ?“

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FURCHE: Sie haben den Vorschlag gemacht, die Gemeinde Wien möge den gemeinnützigen Wohnbauvereinigungen Baugründe überlassen. Wo bleiben die einkommensschwachen Bevölkerungsschichten, wenn sich die Gemeinde noch stärker von der Wohnbautätigkeit zurückzieht?

HAHN: Wien ist Österreichs einzige große Stadt, die kommunalen Wohnbau durchführt, und die Bauquoten sind in den letzten Jahren ohnehin stark gesunken. Wurden einst 6000 Wohnungen in

einem Jahr fertiggestellt, so sind es heute nur noch 2500 — die Zahl soll war wieder auf 3500 steigen, alber nie wieder auf den alten Stand.

FURCHE: Dies1 angesichts von 20.000 Vormerkscheinen?

HAHN: Sehr richtig, und wir sind davon überzeugt, daß gerade den Wohnungssuchenden mit Vormerkscheinen schneller zu einer Wohnung verholten werden könnte, wenn die Gemeinde Wien auf unseren Vorschlag, Projekte abzugeben, eingeht. Und zwar deshalb, weil dann von der Gemeinde beschlossene Bauprojekte, die aus budgetären Gründen und verzögerter Planung vorerst nicht in Angriff genommen werden, früher errichtet und bezogen werden können.

FURCHE: Von Lauten mit Vormerkscheinen?

HAHN: Zum Teil, ja. Wobei unser Vorschlag vorsieht, daß solchen Wohniungswerbern der gesetzlich mögliche Höchstsatz von 70 Prozent öffentlicher Förderung zugestanden werden soll. Wenn wir von den gegenwärtigen rund 8000 Schilling Baukosten pro Quadratmeter ausgehen, würde die Belastung bei einer 75-Qua-dratmeter-Wohnung von der Tilgungsseite her 1222 Schilling pro Monat betragen. Wenn ich den Moser-Vorschlag akzeptiere, demzufolge die öffentlichen Darlehen künftig nur noch mit einem halben statt mit einem Prozent verzinst werden sollen, wären es nur noch 870 Schilling Tilgung pro Monat.

FURCHE: Plus zehn Prozent der Baukosten, die der Wohnungswerber auf den Tisch legen müßte, was bei 75 Quadratmetern zu je 8000 Schilling rund 60.000 Schilling ausmachen würde?

HAHN: Das ist ein durchaus zumutbarer Betrag, vor allem, wenn Sie berücksichtigen, daß auch ein System denkbar ist, mit dessen Hilfe Eigentumswohnungen dieser Größe geschaffen werden könnten, für deren Erwerbung Wohnungswerber mit Vormerkschein zunächst auch nicht mehr Eigenmittel benötigen.

FURCHE: Eigentumswohnungen für Inhaber von Vormerkscheinen der Gemeinde Wien?

HAHN: Warum denn eigentlich nicht? Wenn die Gemeinde Wien den gemeinnützigen Wohnbau-vereinigungen aufgeschlossene Baugründe preiswert überläßt, wäre dies möglich.

FURCHE: Zum zehnprozenti-gen Anteil an den Baukosten käme aber dann der Grundanteil.

HAHN: Wenn der Wohnungs-werber die Tilgungsraten in entsprechender Höhe leisten kann, wäre es möglich, ihm die Bezahlung des Grundanteiles durch eine Kreditaktion, ein derartiges konkretes Projekt gibt es bereits, zu ermöglichen. Sein Grundanteil wäre jedenfalls eine ausreichende Sicherstellung.

FURCHE: Baut eigentlich die Gemeinde Wien tatsächlich so viel teurer als alle anderen Bauträger? Und warum baut sie so teuer?

HAHN: Es ist der Gemeinde Wien jedenfalls bisher noch in keinem Fall gelungen, zu beweisen, daß ihr Bauring in der Lage war, rationeller zu bauen. Die Überschreitungen der veranschlagten Baukosten erreichen heute bereits Rekordausroaße bis knapp an die 70-Prozent-Grenze heran. Die Gemeinde hat nur den großen Vorteil, daß sie die gesamten Baukostensteigerungen nach drei oder vier Jahren Bauzeit in Form einer Sachkrediterhöhung durch einen Gemeinderatsbeschluß sanktionieren läßt Wenn eine gemeinnützige Wohnbauvereinigung die präliminierten Baukosten überzieht, muß sie entsprechende Nachforderungen stellen. Nachforderungen sind heute eine traurige, aber übliche Sache, alber Nachforderungen im Ausmaß der bei der Gemeinde üblichen Baukostenüberschreitungen hätten mit Sicherheit einen Mediensturm und einen Aufstand der Mieter zur Folge.

FURCHE: Und worauf sind diese Baukostenüberschreitungen zurückzuführen?

HAHN: Für die Beantwortung dieser Frage wären natürlich vor allem jene kompetent, die diese

Überziehungen verursachen. Es hat sicher verschiedene 'Gründe. Hauptgründe sind wohl einerseits die Benefizien für die Arbeiter und Angestellten des Bauringes, die ein in dieser Branche unübliches Ausmaß erreichten, und anderseits die überzogenen Bauzeiten.

FURCHE: An dem Per-Albin-Hansson-Zentrum wird jetzt seit viereinhalb Jahren gebaut, und kein Ende ist abzusehen. Warum?

HAHN: Ich weiß es nicht, ich habe es nicht recherchiert. Da muß eine ganze Menge schiefgegangen sein. Ich weiß nur, daß der Quadratmeterpreis mittlerweile auf 12.000 Schilling geklettert ist. Bei einer Bauzeit von zweieinhalb oder drei Jahren, wie sie im gemeinnützigen Wohnbau üblich ist, wäre es keinesfalls zu einer Baukostenüberschreitung von 150, wenn nicht an die 200 Prozent gekommen.

FURCHE: Wird das für die Stadtväter politische Folgen haben?

HAHN: Sie werden nicht umhin können, unsere Anfrage in der nächsten Gemeinderatssitzuing Ende April zu beantworten.

FURCHE: Hat Ihrer Ansicht der kommunale Wohnbau in Wien, überhaupt noch eine Funktion?

HAHN: Man wird ihn nicht von heute auf morgen aus der Welt schaffen können. Wir sind schon mit einer Politik der kleinen Schritte zufrieden, wenn die Gemeinde Teile ihres Bauprogram-mes an die Gemeinnützigen überträgt.

FURCHE: Warum nicht alles?

HAHN: Ich glaube, daß die Öffentlichkeit noch immer am Gemeindebau hängt, er wurde ja auch nie so stark kritisiert wie jetzt, aber jedenfalls würden die Wohnungssuchenden von den Gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften nicht schlechter bedient als von der Gemeinde.

FURCHE: Für den einzelnen, der zu einer Gemeindewohnung kommt, bedeutet die glatte Überwälzung der Baukostenüberschreitung auf das Budget der Stadt natürlich eine sehr willkommene Subvention. ' HAHN: Richtig — er wohnt auf fremde Kosten. Dazu kommat aber, daß durch das Ausmaß dieser Baukostenüberschreitungen gewaltige Summen ganz einfach verpulvert werden. Die Folge ist, daß die für den kommunalen Wohnbau vorgesehenen Summen Jahr für Jahr zu einem nicht unbedeutenden Teil von den Baukostenüberschreitungen vergangener Jahre aufgezehrt werden. Wenn die Baukostenüberschreitungen so hurtig weitersteigen wie in den letzten Jahren, würgt sich der Gemeindebau in Wien eines nicht allzu fernen Tages noch von selber ab.

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