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Statt elf Fonds: eine Wohnbaubank

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In Oesterreich werden bekanntlich mehr als 200.000 Wohnungen dringend gebraucht. Darüber sind sich die beiden Koalitionspartner einig. Allerdings nicht über die Art, wie und von wem diese gebaut werden sollen. Eine gütliche Verständigung wird durch Vorurteile und jene Schwarzweißtechniker, die „Hausherren“, „Mieterschutz“, „Sozialen Wohnbau“ usw. gegeneinander ausspielen, gehemmt. Dennoch wissen die Regierungsparteien, daß sie sich über einen gemeinsamen Weg in der Wohnungswirtschaft einigen müssen. In der Sommersession des Parlaments war man aber nicht vom Fleck gekommen.

Diese verhärteten Fronten sucht die neueste Studienarbeit der „Sozialwissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft“ (SWA) aufzulockern, die einen beachtenswerten Vorschlag rur Neuregelung der österreichischen Wirtschaft macht.

Mietenchaos wäre der richtige Ausdruck, vm den heutigen Zustand zu charakterisieren. Auf einer Wohnbautagung in Linz im Sommer dieses Jahres erwähnte ein sozialistischer Referent, daß für gleichwertige Wohnungen auf Grund der Preisbildungsvorschriften oft mehr als 27 Mietzinse nebeneinander bestehen.

Die niedrige Miete ist zu einem Privileg geworden, das der Zufall verteilt. Sie wirkt wie eine Lohnerhöhung, hinter der keine höhere Leistung steht. Der auf diese Weise begünstigte Wohnungsinhaber verfügt über zusätzliche Kaufkraft, die sich gerne in den heute üblichen schwindelig hohen Ablösungssummen ausdrückt. Irgend jemand muß aber diese niedrigen Mieten subventionieren. Bei dem sogenannten „Sozialen Wohnbau“, dessen Nutznießer nicht immer aus dem Kreis der Minderbemittelten stammen, ist es die Allgemeinheit, die für die Verzinsung des Baukapitals aufkommen und die Gebäude instandhalten muß. Bei den Altbauten ist es der Hausbesitzer. Folglich wird privates Kapital kaum mehr in Miethäusern angelegt.

Somit ist heute die Wohnbauförderung fast ausschließlich Sache der elf (!) öffentlichen Wohnbaufonds geworden (Bundeswohn- und Siedlungsfonds beim Bundesministerium für soziale Verwaltung, Wohnhaus-Wiederaufbaufonds beim Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau und neun Landesfonds). Die Kostspieligkeit und Unübersichtlichkeit einer solchen Mehrgeleisigkeit ist mit den Händen zu greifen. Dazu kommt aber ein anderes. Die jährliche Rückzahlungsquote (Annuität) der zinslosen oder niedrig verzinslichen Baudarlehen der Wohnbaufonds aus öffentlichen Mitteln ist sehr niedrig. So fließen beispielsweise von dem jährlichen Baukapital des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds von rund 450 Millionen Schilling alljährlich, nur 6 Millionen Schilling (1 Prozent) zurück. Die Summe der Baukosten stellt aber letzten Endes — abgesehen von der Steuerbelastung — Lohnsumme dar, also Kaufkraft. Diesem Lohneinkommen von mehreren hundert Millionen Schilling jährlich steht aber keine Produktion von verkäuflichen Waren gegenüber. Daher wirken sie infla-torisch. Inflation ist ja eine Vermehrung der gesamten Geldmenge, welche die Bevölkerung besitzt und ausgeben will, im Verhältnis zum Angebot an Waren und Dienstleistungen, die sie kaufen möchte. Lediglich eine hohe Steuerbelastung kann die auf diese Weise geschaffene Kaufkraft wieder abschöpfen. Darauf beginnt das Spiel von neuem, weil ja ein Teil dieser abgeschöpften Kaufkraft über den öffentlichen Haushalt wieder dem „Sozialen Wohnbau“ zufließt.

Wie sehr eine solche öffentliche Wohnbauförderung volkswirtschaftlich unfruchtbar ist, zeigt auch folgender Vergleich:

Von einer Million Schilling können (bei Wohnungskosten von 100.000 S) in 70 Jahren finanziert werden:

Bei einer Rückzahlungsquote von 1% (Wohnhaus-Wiederaufbaufonds) und einem Darlehensausmaß von 100% der Baukosten 25 Wohnungen; bei einer Rückzahlungsquote von 2% (Bundeswohn- und Siedlungsfonds) und einem Darlehensausmaß von 90% der Baukosten 4 4 Wohnungen; bei einer Rückzahlungsquote von 4% und einem Darlehensausmaß von 90% der Baukosten 170 Wohnungen; bei einer Rückzahlungsquote von 12% (Bausparkassen) und einem Baudarlehensausmaß von 60% der Baukosten 4 1.9 05 Wohnungen.

Wir müssen also viel mehr Wohnungen bauen, als wir bei der gegenwärtigen Wohnbauförderung jemals werden bauen können. Da aber das Wohnbauproblem ein Finanzierungsproblem ist, gibt es nur eine Schlußfolgerung: Neue Finanzierungsmethoden! Das heißt, die öffentlichen Mittel müssen wirkungsvoller eingesetzt werden. Und das kann nur in Zusammenarbeit mit privatem Kapital jedweder Art geschehen. (Vor allem ist der Weg des „sozialen Eigenheimbaues“ noch nicht beschritten worden. Welche gewaltigen Einzelleistungen erbracht werden können, beweisen seit Jahrzehnten die Bausparer.)

Die Neuordnung der Wohnungswirtschaft, die der Vorschlag der SWA ausführlich darlegt, sieht darum im wesentlichen vor:

1. Die Hauptmietzinse werden (stufenweise oder auf einmal) von 1 auf 3 S je Friedenskrone erhöht. Die Bevölkerung würde dadurch jährlich mit 1,5 Milliarden Schilling belastet. Da in den Löhnen aber solche erhöhte Mieten nicht berücksichtigt sind, würde dies nur erneut die Lohn-Preis-Spirale in Bewegung setzen. Deshalb muß auch das Realeinkommen erhöht werden. Und zwar auf dreifache Weise: a) durch Senkung der Einkommen- (Lohn-) Steuer, durch Aufhebung des Besatzungskostenbeitrages, des Wohnhaus-Wiederaufbaubeitrages und des Beitrages zum Bundeswohn- und Siedlungsfonds (dies ergibt insgesamt rund 1625 Millionen Schilling); b) dort, wo die Steuerermäßigung nicht ins Gewicht fällt, also bei den unteren und mittleren Einkommen, durch ein gestaffeltes Quartiergeld. Dies bedeutet keine Nivellierung, weil der Wohnaufwand keineswegs im gleichen Verhältnis zum höheren Einkommen zunimmt; c) durch Erhöhung der Kinderbeihilfe. Auf diese dreifache Weise wird die Mehrbelastung, die durch eine Mietenerhöhung entsteht, wieder abgegolten.

2. Der Wohnhaus-Wiederaufbaufonds und der Bundeswohn- und Siedlungsfonds werden in eine Wohnbaubank umgewandelt.

3. Der Wohnungsbau wird durch steuerbegünstigte, wertbeständige W o h n b a u-anleihen (mit gewisser befristeter gesetzlicher Anlagepflicht von eingehobenem Mietzins und nicht verwendetem Quartiergeld) finanziert. Die einzige Förderungsmaßnahme des Bundes soll künftig nur diese Steuerbegünstigung und die Gewährung von Zuschüssen für kinderreiche Familien sein.

Der angezeigte Weg erlaubt nun beiden Parteien, das Gesicht zu wahren. Darüber hinaus aber kann er Kräfte und Energien freimachen, die die gesamte Volkswirtschaft für Jahrzehnte beleben würden.

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