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W ohnungsunrecht und Wiederaufbau

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Die „Furche” hat eine Diskussion darüber eröffnet, welche Maßnahmen zur Sicherung einer gerechten und erfolgverbürgenden, raumschaffeaden Wohnungswirtschaft notwendig sind. In einem Aufsatz über die bestehenden Ungerechtigkeiten in der Wohnungswirtschaft zeigte der bekannte Wohnungswirtschafter Dr. Hans M i 11 e r das bestehende Wohnungsunrecht, seine Ursachen und Mittel und Wege zur Beseitigung der Mißstände auf. Bei Erörterung der einschlägigen Fragen kann man jedoch oft den Einwand hören, das gegenwärtige Wohnungsproblem sei nicht ein so dringliches, da durch den Ausfall von Menschen in diesem Kriege und dem Rückgang der Wiener Bevölkerungsziffer ohnehin ein geringerer Wohnungsbedarf gegeben sei und bei Wegfall der Benützung verschiedenster Mietobjekte durch die Besatzungsmächte der Wobnungsbedarf im großen und ganzen befriedigt werden könnte. Der Einwand hat zu einem Bruchteil Berechtigung, aber das gestellte Problem ist weitaus größer. Nach Erhebungen aus jüngster Zeit kann der dringlichste W o h n u n g s b e d a r f zum Beispiel in Wien mit rund 60.000 — wobei 583 Familien als obdachlos und 4000 als „allerdringendst” vorgemerkt sind —, in Oberösterreich mit rund 40.000, Steiermark mit rund 23.000, Salzburg mit rund 12.000, wobei auf die Stadt Salzburg 10.000 entfallen, beziffert werden. Teilerhebungen, die in einigen größeren Gemeinden und Märkten in Kärnten und Vorarlberg angestellt wurden, ergaben für diese Gemeinden, also bloß für ein Teilgebiet des Landes, einen dringlichen Wohnungsbedarf für Kärnten mit 8000 und in Vorarlberg mit 3500 Wohnungen. Diese Ziffern stellen den äußersten Bedarf dar, zu dem noch der notwendige Ersatz für mangelhaften Wohn- raum und für baufällige Häuser zu schaffen wäre. Dazu tritt noch der Bedarf an Landarbeiterwohnungen, der auch die immer mehr um sich greifende Landflucht hemmen soll. Diese Ausführungen zeigen uns die bestehende Wohnungsnot breiter, arbeitender Bevölkerungsschichten mit voller Deutlichkeit.

Neben der mietzinswirtschaftlichen Regelung und Beeinflussung der Wohnungswirt- schaft erscheint zur Behebung der bestehenden Wohnungsnot der Ausbau einer sozialen Wo h n u n gswi rt s c h a ft dringend geboten. Einer Durchführung solcher Bauvorhaben stehen zur Zeit verschiedene Schwierigkeiten entgegen. So ist es vor allem notwendig, um überhaupt zu einer Bautätigkeit zu kommen, die derzeit bestehenden Baukosten und Preise der Baumaterialien ehestens einer entsprechenden Überprüfung zu unterziehen. Einer in letzter Zeit von der obersten Preisbehörde herausgegebenen Verlautbarung ist zu entnehmen, daß die Baukosten und einzelne Baumaterialienpreise tatsächlich überhöht sind und wesentlich herabgesetzt werden könnten. Durch eine Modernisierung der bauwirtschaftlichen Einrichtungen würde es dann ermöglicht werden, eine rationelle Arbeitsmethode und eine weitere Senkung der Baukosten zu erreichen. Wie dringlich die Lösung dieser Probleme ist, zeigt ein einfaches Kalkulationsbeispiel. Für ein Einfamilienhaus einfachster Ausführung (Wohnung, bestehend aus Wohnküche, einem Zimmer, Vorzimmer, kombinierter Bade- und Klosettanlage, Wohnraum 48 Quadratmeter, verbaute Fläche 52 Quadratmeter) ist derzeit eine Baukostensumme von rund 50.000 S zu veranschlagen. Unter Annahme der Finanzierung mit 10 Prozent Eigen- und 90 Prozent Fremdkapital ergibt sich unter Berücksichtigung der anteiligen Betriebskosten und Instandhaltungskosten bei einprozentiger Verzinsung der Fremdmittel ein monatlicher Mietzins von 171 S, bei vier- prozentiger Verzinsung von monatlich 288 S und auf Grund der heute festgelegten sechseinhalbprozentigen Verzinsung der Hypothekarkredite ein monatlicher Mietzins in der Höhe von 385 S. Dieses einfache Beispiel zeigt, daß eine Bauführung unter den obwaltenden Umständen für den überwiegendsten Großteil der Bevölkerung geradezu ausgeschlossen erscheint. Daraus ergibt sich der zwingende Schluß, daß die Fortsetzung einer wirtschaftlich gesunden Wohnungswirtschaft nur bei einer entsprechenden Senkung der Baukosten sowie des Hypothekarzinsfußes möglich wird. Aus diesem Engpaß kann eine entsprechende öffentliche Förderung, sei es durch Leistung des sogenannten verlorenen Bauaufwandes, sei es durch Übernahme von Bürgschaften und Leistung von Zinsenzuschüssen, Erleichterung bieten. Da jedoch eine wesentliche Leistung von seiten der öffentlichen Hand mit Rücksicht auf die finanzielle Lage des Staatshaushalts und des Haushalts der Länder und Gemeinden in Hinkunft nicht zu erwarten ist, müssen auch andere Wege zur Durchführung einer sozialen Wohnbautätigkeit begangen werden.

Man muß sich Vorhalten, daß es kein für alle Fälle gültiges Allheilmittel zur Lösung dieser Fragen gibt. Nach den verschiedenen örtlichen und Sachlichen Voraussetzungen wird es in den einzelnen Fällen verschiedene Methoden geben, die zum Erfolg führen. Es wird im besonderen eine genossenschaftliche Vereinigung der Bau- und Siedlungswerber erstrebt werden müssen. Durch den persönlichen Arbeitseinsatz der Siedlungswerber, durch den Zusammenschluß zu Selbsthilfegemeinschaft e-n werden die Baukosten gesenkt und eine wirtschaftlich tragbare Bauführung erleichtert werden. Aufgabe der Öffentlichkeit, des Bundes, der Länder und Gemeinden wird es sein, diese gemeinnützigen genossenschaftlichen Einrichtungen durch Beistellung von geeignetem Siedlungsgrund zu einem erschwinglichen Kaufpreis, durch entsprechende Zuteilung von Baumaterialien, durch Gewährung von Steuer- und Gebührenfreiheiten zu unterstützen und zu fördern Durch Zielsetzungen zur Schaffung von Eigenheimen und von Eigenwohnungen werden auch vorhandene Privatkapitalien an einer Bauführung zu interessieren sein. Bei bewuß.ter Lenkung und Förderung soziale!

Bestrebungen wird es gelingen, auch unter den obwaltenden schwierigen wirtschaftlichen Voraussetzungen eine soziale Wohnungswirtschaftspolitik zu verfolgen und im besonderen minderbemittelten, arbeitenden Menschen auch zur Schaffung von Eigenheimen, beziehungsweise Eigenwobnungen zu verhelfen.

Die Durchführung von größeren Wohnanlagen auf privater kapitals- mäßiger Grundlage erscheint zdr Zeit wohl ausgeschlossen. Hier wird nun die Tätigkeit der gemeinnützigen Wohnungsvereinigungen und der Gemeinden einzugreifen haben.

Durch Ausnützen der modernsten Bauerfahrungen und billiger Bauweisen sind die bautechnischen Voraussetzungen zur Ankurbelung der Bautätigkeit zu begründen. Sie werden durch zeit- entsprechende Änderung der Bauordnungen ihre Unterstützung und Deckung finden müssen.

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