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Ein Bauwerber erklärte jüngst, daß man vorerst „Jus“ studieren müsse, um die Wohn-bauförderungsbestimmungen richtig zu verstehen. Er wollte damit zutreffend zum Ausdruck bringen, daß die Wohnbauförderungs-bestimmungen in so vielen Gesetzen, Erlässen und Verordnungen verstreut seien, daß es größte Schwierigkeiten beireite, die Kenntnis dieser Vorschriften zu erlangen. Es wird daher das schon vor mehr als einem Jahr auf der III. Oesterreichischen Wohnbautagung geforderte neue Wohnbauförderungsgesetz vor allem eine Zusammenfassung und damit Uebersichtlichkeit aller zur Wohnbauförderung erlassenen gesetzlichen Bestimmungen bieten müssen.

Die Erkenntnis, daß die öffentliche Hand die an sie gestellten Aufgaben zur Wohnraumbeschaffung nicht allein erfüllen könne, stellt die Bedeutung der Privatinitiative in den Vordergrund. Der Hauptleitsatz des künftigen Gesetzes müßte daher der sein, jeder Privatinitiative zur Schaffung von neuem Wohnraum die notwendige Unterstützung und Förderung durch, den Bund, die Länder und Gemeinden zu gewähren.

In welcher Weise kann nun die Förderung durch die öffentliche Hand erfolgen? Die Hauptsorge muß der Finanzierung der Wohnbautätigkeit zugewendet werden. Da für Wohnbauzwecke kein Privatgeld vorhanden ist, muß der private Kapital-

markt in die Lage versetzt werden, zu tragbaren Bedingungen langfristige Kredite für Wohnbauzwecke zur Verfügung zu stellen. Daneben wird die Bereitstellung von öffentlichen Mitteln nach wie vor erforderlich bleiben, wobei jedoch diese Förderung in der Hauptsache auf die Wohnbautätigkeit minderbemittelter Bevölkerungsschichten beschränkt bleiben müßte. Durch Uebernahme von Bürgschaften und Leistung von Zinsenzuschüssen seitens der öffentlichen Hand könnten hier die notwendigen Erleichterungen geschaffen werden. Eine wesentliche Aufgabe müßte insbesondere die für die Wohnungswirtschaft so dringliche Bereitstellung von billigen Zwischenkrediten sein. Neben einer gesetzlich festzulegenden Befreiung von Gebühren und öffentlichen Abgaben muß das neue Wohnbauförderungsgesetz an Stelle der Zuständigkeit von acht Bundesministerien und neun Landesregierungen in Wohnungs-und Siedlungsfragen einen einheitlichen, kostensparenden, klaglos und rasch funktionierenden Verwaltungsapparat gewährleisten.

Das Nebeneinanderbestehen von zwei Bundesfonds (Bundes-Wohn- und Siedlungsfonds und Wohnhaus-Wiederaufbaufonds) und neun Landes-Wohn- und Siedlungsfonds ist bei der Beschränktheit der öffentlichen Mittel auch aus volkwirtschaftlichen Erwägungen auf die Dauer nicht zu verantworten.

Das neue Wohnbauförderungsgesetz muß weiter klare Bestimmungen über Richtung und Ziel der Wohnungswirtschaft enthalten. Wohnungen werden nicht um des Baugewerbes und nicht der Architekten wegen gebaut, sondern für den Menschen. Es muß daher bei allen Planungen der Wohnungswirtschaft das Augenmerk auf die Lebensinteressen der darin wohnenden Menschen und hier wieder vor allem auf die L e b e n s i n t e r e s s e n der Familien und auf die Schaffung von persönlichem Eigentum ausgerichtet sein.

Der katholische Sozialphilosoph Prof. Nell-Breuning hat diese Zielsetzung in die Worte gefaßt: „Wollen wir Familien oder wollen wir Massenmenschen? Die Boden- und Wohnungspolitik, die wir betreiben, die Gestaltung, die wir dem Eigentumsrecht an Grund und Boden geben, wird darüber entscheiden. Entweder tragende Säule unserer Gesellschaftsordnung oder Sprengkörper von der Wucht der Atombombe.“

Zur praktischen Verwirklichung dieser dringlichen Postulate muß daher die Forderung aufgestellt werden: Das Familienheim — Norm des künftigen Wohnungsbaues! So im ländlichen

Siedlungsgelände das Eigenheim in verschiedensten technischen Ausführungen als Einzel-, Doppel- oder Reihenhaus, und im städtischen Siedlungsraum, dort, wo die Bauführung mehrgeschossiger Wohnungsanlagen erforderlich ist, durch die Verwirklichung des Wohnungseigentums. Hierzu muß betont werden, daß für die Verwirklichung des Wohnungseigentums über die derzeit geführte Behelfsbrücke durch Verwendung von Mitteln des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds hinaus Mittel und Wege zu einer breiten und allgemeinen Anwendungsmöglichkeit gefunden werden müssen.

Bis zur Verwirklichung dieser Grundsätze in einem Gesetz wird wohl noch einige Zeit vergehen. Es ist aber notwendig und dringlich, die öffentliche Diskussion über diese Punkte nicht ruhen zu lassen. Es wurde daher bei der III. Oesterreichischen Wohnbautagung die Forderung nach Einsetzung eines Wohnung s w i r t s c h a f 11 i c h e n Beirates der Bundesregierung, bestehend aus anerkannten Fachleuten der Wohnungswirtschaft, vorgeschlagen. Aufgabe dieses Beirates soll es sein, in ehrenamtlicher Mitarbeit der Regierung entsprechende Maßnahmen zur Bekämpfung der Wohnungsnot auszuarbeiten und vorzuschlagen. Diese Maßnahme ist ein

wichtiger Teil des Programmes, das sich die eben erwähnte Tagung gesetzt hatte: „Zusammenfassung und Systematik der Wohnungswirtschaft in Oesterreich.“

Der Wohnungswirtschaft werden immer mehr und mehr vordringliche Aufgaben gestellt: die Wohnraumbeschaffung für Landarbeiter, die Seßhaftmachung von Flüchtlingen und insbesondere die Verwirklichung der Gründung junger Familien. So verdienen die hier aufgeworfenen Probleme dringendste Behandlung. Ist doch von ihrer baldigen Lösung Frieden und Wohlfahrt vieler nach Wohnraum verlangender Menschen und die Beschaffung von Arbeit und Brot für die im Baugewerbe und in den Bauhilfs- und -nebengewerben Tätigen abhängig.

Auf der III. Oesterreichischen Wohnbautagung hat Bundespräsident Dr. Körner die Problematik der Wohnungswirtschaft mit den Worten umrissen: „Vor dem Jahre 1907, in welchem bekanntlich in Oesterreich das allgemeine und gleiche Wahlrecht eingeführt worden ist, war es der einheitliche Wille des ganzen Volkes, dieses Wahlrecht zu erreichen. Und so müßte es auch heute sein, daß der Gesamtwille des Volkes mobilisiert werde, um der Wohnungsnot Herr zu werden.“

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