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Täusdiung oder Wirklichkeit ?

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Unter dem Titel „Oesterreich braucht die Felbertauernstraße“ informierte die „Furche" vor drei Wochen die große Schar ihrer Leser über die volkswirtschaftliche, soziale und europäische Bedeutung der Felbertauernstraße und über den Stand der Wegbereitung zur Verwirklichung dieses Straßenbauwerkes.

Nach dieser Volksaufklärung erfolgte am 15. Februar in der „Oesterreichischen Kraft- fahr-Zeitung“ die Veröffentlichung eines Artikels des Erbauers der Großglocknerstraße, des Herrn Hofrates Wallack. In dieser seiner Abhandlung, die den Titel „Touring-Brücken über die Alpen“ trug, anerkannte der berühmte Straßenbaumeister erstmals die Notwendigkeit neuer Nord-Süd-Ver- bindungen durch die Zentralalpen. Unter den Möglichkeiten erwähnte er auch die Felbertauernstraße. Noch liege aber — so fügte Hofrat Wallack hinzu — kein baureifes Projekt dieser Straße vor. Solange nicht alle bautechnischen, verkehrstechnischen und volkswirtschaftlichen Fragen geklärt seien, sei es müßig, sich mit der Frage der Finanzierung solcher Bauvorhaben zu befassen.

Am 21. Februar d. J. erfolgte dann die offizielle Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage des Nationalrates Dr Pfeifer und Genossen, betreffend den Bau der Felbertauernstraße. In dieser Antwort mußte der Herr Bundesminister für Handel und Wiederaufbau pflichtgemäß feststellen, daß der Bau der Felbertauernstraße mit den Mitteln des jährlichen Straßenbaubudgets noch jahrelang nicht finanziert werden könne. Die Antwort des Herrn Ministers fand mit dem Hinweis ihren Abschluß, daß die Möglichkeit der Finanzierung im Wege einer Kreditoperation erst beurteilt werden könne, wenn entsprechende Vorschläge vorliegen.

Diese Verlautbarungen erweckten in der Oeffentlichkeit den Eindruck, daß meine Informationen über die schon vorhandene Realisierbarkeit der Felbertauernstraße etwas wirklichkeitsfern gestaltet und daher irreführend waren.

Sie machen daher — schon um der Erhaltung des guten Rufes der „Furche" als zuverlässige Informationsquelle willen — eine noch klarere Illustration des Sachverhalts notwendig: Vor sechseinhalb Jahren konnte im Parlament erstmals die Zeitnotwendigkeit und die volkswirtschaftliche Bedeutung der Felbertauernstraße beleuchtet werden. Der positive Widerhall, den diese Aufklärung in der Oeffentlichkeit auslöste, gab dem damaligen Bundesminister für Handel und Wiederaufbau, Dr. Errst Kolb, die Möglichkeit, erstmals Bundesmittel für die Projektierung dieser Nord-Süd-Verbindung bereitzustellen und den Landesregierungen von Salz burg und Tirol den Auftrag zur Dyrehführung dieser Straßenbauplanung zu erteilen. In einem Zeitraum von fünf Jahren haben daraufhin die Straßenbaumeister Dipl.-Ing. Daxer und Dipl.-Ing. Papsch als die Beauftragten der Landesregierungen der genannten Bundesländer mit ihren Mitarbeitern in eingehenden Studien den Verlauf einer wintersicheren Trasse im Gebiet des Felbertauern festgelegt und die technischen Vorarbeiten für die Gestaltung des Vorprojekts geleistet. Im Jahre 1954 erhielt das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen vom damaligen Handelsminister Dr. Illig den Auftrag, die topographischen Planungsunterlagen herzustellen. Von diesem Amt wurden daraufhin Luftbildaufnahmen des Geländes, durch das diese Nord-Süd-Verbindung geführt werden soll, angefertigt und aus ihnen die Schichtenpläne im Maßstab 1:5000 gestaltet. Auf diesen Grundlagen konnten die beauftragten Projektgestalter das Vorprojekt und eine Kostenschätzung erarbeiten. Seit eineinhalb Jahren liegt das vollendete Vorprojekt der Felbertauernstraße mit der Kostenberechnung im Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau.

Dieses Vorprojekt wurde vor einem Jahr im Aufträge von Interessenten anderer Straßenbauprojekte durch einen Straßenbaufachmann einer kritischen Beurteilung unterzogen. Dieses Gutachten, das die Befahrbarkeit der Felbertauernstraße im Winter und die Realisierbarkeit des Straßentunnels in Frage stellte und das darüber hinaus sogar die Notwendigkeit einer neuen Verkehrsader durch die Zentralalpen klar verneinte, hat jedoch, im Gegensatz zur Absicht, eine belebende Wirkung gezeitigt. Es führte zur Erarbeitung noch gründlicherer und unwider- leglicherer Beweise für die Notwendigkeit und für Ae technische Realisierbarkeit und Wintersicherheit der Felbertauernstraße durch die Projektgestalter. Die bau- und verkehrstechnischen Fragen sind daher heute bereits soweit geklärt, daß mit vollem Recht von einem weitestgehend baureifen Projekt und von der technischen Möglichkeit des Baubeginns gesprochen werden kann. Und die Widerlegung der Behauptung von der Unnotwendigkeit einer zweiten, ganzjährig befahrbaren modernen Verkehrsader durch die Zentralalpen hat unterdessen der Herr Hofrat Dipl.-Ing. Wallack durch den in der „Oesterreichischen Kraftfahr-Zeitung" erschienenen Artikel selbst abgegeben.

Wie sehr in Oesterreich die unverzügliche Inangriffnahme des Baues der neuen Nord-Süd- Verbindung verkehrstechnisch zu einem zwingenden Gebot der Stunde geworden ist, beweist einerseits das fast beängstigende Tempo der Motorisierung des Straßenverkehrs und anderseits die Tatsache, daß der Bau einer modernen Verkehrsader durch den Alpenkamm einschließlich der Modernisierung der Zubringerstraßen eine Bauzeit von mindestens sieben bis zehn Jahren erfordert.

Nach einer im Bericht der Oesterreichischen Gesellschaft für Straßenwesen vom August 1956 veröffentlichten und auf amtlichen Erhebungen fußenden Illustration der Entwicklung der internationalen Motorisierung stieg die Zahl der gesamten Kraftfahrzeuge in der Schweiz in den letzten -fünf Jahren von 264.487 auf 544.331, das ist eine über hundertprozentige Steigerung. Und in Westdeutschland zählte man im Juli 1956 über zwei Millionen Kraftfahrzeuge, wovon im Jahre 195 5 täglich fast tausend neue Kraftfahrzeuge in den Verkehr gelangten. Oesterreich und die anderen Staaten der Welt bleiben hinter diesem Ausmaß der Motorisierung in der Schweiz und in Deutschland nicht wesentlich zurück.

Die Gebirgsländer des Westens tragen nun dieser Entwicklung durch ditf rasche Verwirklichung neuer, modernst gestalteter und ganzjährig offener Verkehrsadern durch die Alpen weitblickend Rechnung.

Und in Oesterreich existiert vom Brenner bis in die Steiermark keine ganzjährig offene Nord- Süd-Verbindung. Denn die Großglocknerstraße — die ihre große fremdenverkebrswirtschaftliche Bedeutung auch in der Zukuft nicht einbüßen wira — "kann selbst bei großzügigster Modernisierung niemals zu einer ganzjährig befahrbaren und auch für den Warengüterverkehr geeigneten Wirtschaftsstraße sich entfalten, wie Oesterreich und Europa sie brauchen.

Diese Tatsachen künden es allen Führenden in Oesterreich in aufrüttelnder Klarheit, daß man sich mit den Vorbereitungen zum Bau einer zweiten wintersicheren Verkehrsader durch die Zentralalpen wahrhaftig nicht mehr Zeit lassen kann! Es kann daher wohl auch der wirksam gewordene Versuch —, ausländische Geldgeber für das Projekt der Felbertauernstraße zu interessieren, nicht als ein sinnloser und voreiliger Schritt gewertet werden.

Seit mehr als einem Jahr liegt das Schreiben des Bevollmächtigten einer amerikanischen Großbank vor, in welchem die Bereitschaft zur Erschließung eines langfristigen Kredits zum Bau der Felbertauernstraße und zum Ausbau der Zubringerstraßen zum Ausdruck gebracht ist. Ich stelle nochmals fest, daß der Botschafter Doktor Gruber im Oktober v. J. mitteilen konnte, daß die Anbotfirma eines der angesehensten Bankhäuser der Vereinigten Staaten und daher voll vertrauenswürdig ist und daß die Kreditbereitschaft nicht strategischen Tendenzen entspringt. Da diese Firma den Kredit aber nicht allein, sondern in Verbindung mit ihren Geschäftspartnern in Europa zu gewähren gedenkt und weil eine solche Geschäftsgemeinschaft sich selbstverständlich der restlosen Sicherung der Kapitalsanlage vergewissern muß, so stellt die Firma durch ihren Bevollmächtigten auch die Bedingung, daß die Ausfallshaftung des österreichischen Staates für diesen Kredit gewährleistet werden muß. Und es wünscht die Firma die Uebertragung des ausschließlichen Behandlungsrechtes, also des offiziellen Auftrages zur Vornahme dieser Kreditoperation. Das Schreiben des Bevollmächtigten der Firma schließt mit dem Satz: „Sofort nach Abschluß des Optionsvertrages werden wir unsere Vertreter zu Verhandlungen mit den maßgebenden Stellen nach Wien entsenden und uns ein- setzen, daß das gesuchte Kapital unsererseits ohne Verzug beschafft wird."

Die Realisierbarkeit des Projekts der Felbertauernstraße ist also nicht nur bautechnisch, sondern — wie erfahrene Finanzfachleute und Verhandlungspartner mit ausländischen Geld gebern es bestätigen — durch diese unmißverständliche Kreditbereitschaft auch finanziell weitestgehend vorhanden.

Dieser offizielle Auftrag an die Anbotfirma mit der Gewährleistung der Staatshaftung konnte aber bis heute nicht zustande kommen, weil die Widerstände gegen dieses Straßenprojekt bis vor kurzem in Oesterreich noch zu vielseitig und zu groß waren. In der letzten Zeit sind aber eine große Zahl von Führenden und breite Volksschichten in unserem Vaterland zur Ueber- zeugung gelangt, daß Oesterreich eine zweite, zentral gelegene und ganzjährig befahrbare Nord- Süd-Verbindung wirklich dringendst braucht. Und es hat sich die Erkenntnis sehr verbreitet und vertieft, daß die Felbertauernstraße ob ihrer geographischen Lage und Wintersicherheit und ob der durch sie erschlossenen herrlichen Hoch- gebirgswelt des Großvenedigergebietes vor allen anderen Möglichkeiten weitaus den Vorzug verdient.

Diese Wandlung der öffentlichen Meinung und die Tatsache, daß das Projekt der Felbertauernstraße weitestgehend baureif ist, dann aber nicht zuletzt das Sichtbarwerden der ernsten Gefahr einer Umfahrung Oesterreichs gibt den Hauptverantwortlichen die Möglichkeit, die angebotene und hoffentlich noch vorhandene Finanzierungsbereitschaft zu nützen und den Auftakt zu geben zur Verwirklichung dieses großen, für ganz Oesterreich und Europa wertvollen Straßenbauwerkes!

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