6681803-1961_48_04.jpg
Digital In Arbeit

Der Auftakt zur Budgetreform

Werbung
Werbung
Werbung

Der vom Länderkabinett Gorbach dem Parlament unterbreitete Staatsvoranschlag 1962 ist ein Übergangsbudget, weil jede Finanzreform nur Schritt für Schritt durchgeführt werden kann. Immerhin steht die Öffentlich keit vor einer wichtigen Wendung. Der Schwerpunkt liegt nicht mehr ausschließlich auf den Ausgaben, sondern ruht auf den Einnahmen, ohne den verhängnisvollen Weg neuer Steuern oder der Erhöhung alter Abgaben zu beschreiten. Dieser Wandel zeigte sich schon im Sommer, als das neue Budget bereits Ende Juli fertiggestellt war. Bei allen späteren Differenzen, die im letzten Augenblick sogar zu schweren Spannungen führten, handelte es sich um Ansprüche, die teilweise mit Hilfe einer „Umschichtung der Positionen“ untergebracht werden konnten. Jedenfalls ist die endgültige Fassung der ordentlichen Ausgaben nur mn 121,5 Millionen Schilling höher als im ersten Entwurf, und der Budgetrahmen, auf den sich die Koalition zu allem Anfang festgelegt hatte, wurde nicht gesprengt. Ein weiterer Fortschritt ist das erhöhte Interesse der Öffentlichkeit. Ohne verständnisvolle Mitwirkung von Handel und Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft, Arbeiterschaft, Angestellten und Konsumenten wäre keine Sanierung möglich.

Neue Prinzipien des Fiskus

Finanzminister Dr. Josef Klaus vertritt neue Prinzipien, die den Weg zu einer dauernden Budgetsanierung öffnen könnten. Diese Grundsätze sollten daher zum Allgemeingut der Bevölkerung werden. Zunächst erstrebt die Himmelpfortgasse eine Zusammenlegung des ordentlichen Haushalts und des außerordentlichen Budgets der Investitionen. Der Finanzminister begründete diesen Schritt mit der Tatsache, das außerordentliche Budget verfüge über keine Einnahmen und müsse seine Ausgaben mit großer Verspätung durch Anleihen decken, wodurch der Fiskus natürlich in eine Vorschußwirtschaft gerate. Auf diese Weise erscheint das außerordentliche

Budget vor der Öffentlichkeit stets in Gestalt eines Fehlbetrages, der in Wirklichkeit gar kein echtes Defizit ist, aber Mißtrauen erweckt, die politische Optik verschlechtert und ein Element der Unsicherheit darstellt.

Unter diesen Umständen hat das gegenwärtige Übergangsbudget schon manche Investitionen in den ordentlichen Haushalt übertragen, darunter für die Autobahn 558,6 Millionen Schilling. Es besteht die feste Absicht,

den „Staatsvoranschlag 1963“ als Einheitsbudget auszuarbeiten.

Der zweite Grundsatz verfügt eine feste Relation zwischen Investitionen und alten Bundesanleihen. Da unmittelbar nach Inkrafttreten des Staats-

Vertrages eine Hausse der Investitionen eingesetzt hatte — wobei nach drei Jahrzehnten sogar ein gewaltiger Nachholbedarf auftauchte, der noch aus der Donaumonarchie stammte —, ist in den vergangenen sechs Jahren natürlich die Last der Staatsschuld gewachsen. Der jüngste Rechnungsabschluß bezifferte die Finanzschulden des Bundes am 31. Dezember 1960 auf 22,31 Milliarden Schilling. Nachdem Tilgung und Verzinsung im nächsten Jahr 2,62 Milliarden beanspruchen, wird der weiteren Verschuldung dadurch ein Riegel vorgeschoben, daß die Investitionen künftig die Tilgungsquote (1278,4 Millionen) nicht wesentlich überschreiten dürfen. Ob dieser Grundsatz auf lange Frist durchgeführt werden kann, erscheint fraglich. Im Augenblick ist aber unbedingt eine disziplinierte Zurückhaltung am Platz, um nicht auf die schiefe Ebene zu geraten; denn jede Kreditinflation mündet letzten Endes in einer echten Inflation.

Das dritte Prinzip betrifft die Begrenzung des Defizits im ordentlichen Staatshaushalt auf ein Prozent der Einnahmen. Selbst ein Präliminare, das nach allen Richtungen mit größter Sorgfalt entworfen ist, birgt unbekannte Faktoren und muß einen Spielraum bieten, weil Zwischenfälle ein- treten, Steuerquellen versiegen und unvorhergesehene, zwingende Anforderungen auftreten können. Ein Defizit von einem Prozent ist gewiß mit Hilfe der Kassenbestände auszugleichen, obwohl jeder Finanzpolitik als ideales Ziel vor Augen schweben sollte, auch die normalen staatlichen Investitionen aus dem Überschuß der laufenden Gebarung zu decken.

Die Bucfgetkfitflj. die sieh 'äüf eine Analyse und einen Vergleich mit dem Staatsvoranschlag des laufenden Jahres stützt, zeigt zunächst eine fühlbare Erleichterung bei der Durchführung des Staatsvertrages; denn die Ablöselieferungen für die ehemaligen Betriebe des USIA-Konzerns sind beendet. Das Außenministerium erlitt eine Kürzung, obwohl die Errichtung neuer diplomatischer und konsularischer Vertretungen in den Entwicklungsländern Asiens und Afrikas dringend geboten erscheint. Die Steigerung des Schuldendienstes war ebenso unvermeidlich wie die Erhöhung des Etats der Pensionen. Als Sieger der Budgetschlacht zeichnen die Ressorts für Unterricht und soziale Angelegenheiten, aber auch die projektierten Bauten bieten keinen Anlaß zur Unzufriedenheit. Nach wie vor liefern die Monopole beachtenswerte Gewinne, und die Bundesbetriebe produzieren — einschließlich der Bundesbahn — hohe Defizite, obwohl die Bundesforste und das Hauptmünzamt, die Staatsdruckerei und die Bundesapotheken etliche Überschüsse abwėrfen. Die Preisstützungen im Agrarsektor beinhalten eine wesentliche Zunahme bei Getreide und Futtermitteln. Unter den Investitionen wurde das Schwergewicht auf die Elektrifizierung, die Automatisierung des Telephonnetzes und die Ergänzung des Fahrparks der Bundesbahnen gelegt. Die Kürzung bei der Autobahn, die ihren anspruchsvollen Namen „Bundesstraße A“ verloren hat, ist insofern irreführend, als das ordentliche Budget dem gleichen Zweck hohe Summen gewidmet. Eine offene Frage bleibt die künftige Finanzierung einer verbesserten Landesverteidigung, die offenbar noch nicht spruchreif ist.

Die Realisierung des Staatsvoranschlages bleibt natürlich von den Steuererträgen abhängig. Obwohl die Zuwachsraten der Lohnsteuer und Gewerbesteuern ungewöhnlich hoch erscheinen, wurden die Schätzungen diesmal doch mit großer Vorsicht zusammengestellt. Verdienstvoll ist die Neuerung, daß das Finanzgesetz zu Zwecken des Vergleiches nicht nur die Zahlen des Voranschlages 1961, sondern auch die Zahlen der Staatsrechnung 1960 registriert. Die Himmelpfortgasse befindet sich im Augenblick überhaupt in der vorteilhaften Lage, ihre Direktiven in einer Periode steigender Steuererträge durchführen zu können. Neben den Sofortsteuern, die den Staatskassen rasch zufließen, gibt es „Spätlingssteuern“, die erst geraume Zeit nach den Steuerbekenntnissen fällig werden, so daß die Hoch konjunktur in manchen Sektoren des Fiskus erst nach zwei Jahren in Erscheinung tritt. Der Steuerertrag von Jänner bis September war etwa um 19,1 Prozent höher als in der analogen Periode des Vorjahres. Nur die Eingänge aus der Umsatzsteuer und der Körperschaftssteuer sind wesentlich hinter den neun Monatstangenten zurückgeblieben, Fehlbeträge, die im vierten Quartal ausgeglichen werden dürften. Es besteht begründete Aussicht, daß der Steuerertrag 1961 die im Budget vorgesehene Summe wesentlich übersteigt und das präliminierte Riesendefizit fühlbar verringert; Damit ist auch der Sanierungsprozeß in vollem Gang.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung