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Hände weg von Notenpresse!

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Die sprunghaft ansteigende Staatsverschuldung hat eine Folgeerscheinung, die auch die großzügigsten Befürworter dieser Art der Ausgabenfinanzierung vor eine ernst genommene Hürde stellt: die Notwendigkeit, die Staatsschulden auch zu verzinsen. Selbst eine recht hohe Staatsschuld kann ein Staat durch laufende Umschuldung vor sich her-schiebeh, ohne sie zurückzahlen zu müssen - solange seine Kreditwürdigkeit nicht darunter leidet. Die Zinsen aber müssen aus dem Steuerertrag hereingebracht werden, ihnen steht keine dem Wähler verkäufliche öffentliche Leistung gegenüber.

Die Zinsenlast des Bundes hat im Jahre 1978 nach dem letzten Finanzschuldenbericht bereits die beachtliche Höhe von 12,55 Milliarden Schilling erreicht, davon nicht weniger als 3,50 Milliarden, die auf die Auslandsverschuldung entfallen. Mit dem Auslandsschuldendienst hat es noch eine zusätzliche Bewandtnis: Diese Verzinsung muß in harten Devisen geleistet werden, die (im Gegensatz zu einer aus dem Ausland finanzierten privaten Investition) nicht durch gesteigerte Produktivität verdient werden können und daher die österreichischen Währungsreserven schmälern und eine stark passive Leistungsbilanz mit einem beachtlichen' Betrag zusätzlich belasten.

Nach der Budgetvorschau des -bekanntlich paritätisch besetzten -Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen für die Jahre 1978-1982 wird

Sämtliche Steuermehreinnahmen werden für den Zinsendienst benötigt

angenehmen; daß die Zinsenläst in dieser Zeit von 13,6 Milliarden - je nach den zugrunde gelegten Annahmen- auf 21,5 bis 22,4 Milliarden ansteigen wird. Die Verzinsung für die Auslandsschulden wird von 3,5 auf 6,1 bis 6,3 Milliarden Schilling steigen! Das heißt nach der selben Quelle, daß mit einem ansteigenden Anteil der Zinsen für die Staatsschuld am Nettosteueraufkommen von 8,6 Prozent auf 12,3 bis 13,1 Prozent gerechnet werden muß.

Das heißt, daß mehr als die von Jahr zu Jahr erhofften Steuermehreinnahmen für den Zinsendienst statt für neue Budgetleistungen ausgegeben werden müssen. Dabei werden die Probleme der Ausgabenwirtschaft der öffentlichen Haushalte, wie Prof. Hans Seidel in seinem „Bericht über die Lage der Finanzen in der Republik Österreich“ vom Juni 1978 hervorgehoben hat, dadurch verschärft, daß sich die Einnahmenquote wegen geringeren Wirtschaftswachstums und steigenden Steuerwiderstandes nicht mehr in gleichem Ausmaß steigern läßt wie in der Vergangenheit.

Neben dem fiskalischen Debakel hat die Verzinsung der Staatsschuld noch eine andere Schlagseite, die unter klassenkämpferischen Gesichtspunkten als zusätzliches Dilemma empfunden wird: nach diesen Vorstellungen werden die Zinsen für die Staatsschuld von den Zeichnern von Staatspapieren lukriert, deren Einkommen so hoch sind, daß sie sich diese Ausgaben leisten können, während die Mittel für die Zinsenzahlung aus den Steuern genommen werden, die die Massen der Steuerzahler und damit immer mehr auch die Kleinen aufbringen müssen. Es ist auch dieser Verteilungseffekt, der die Entwicklung der Staatsverschuldung zusätzlich belastet.

Es ist daher nur zu begreiflich, daß nach Mitteln und Wegen zu einer Befreiung von diesem vordergründigsten Handikap gegen eine weiter ausufernde Staatsverschuldung gesucht wird. Der. Linzer Universitäts-professor Ewald Nowotny, nach kurzem Zwischenspiel als Vorsitzender

des Staatsschuldenausschusses der österreichischen Postsparkasse im Vorjahr als Abgeordneter der derzeitigen Regierungspartei ins Parlament eingerückt, glaubt, den Ausweg gefunden zu haben: Die Expansionspolitik des Bundes, von der er sich eine Uberwindung der möglicherweise „langfristig schweren Unterauslastung der Kapazitäten“ verspricht, soll direkt von der Nationalbank finanziert werden.*

Aus dieser Konsequenz gibt es seiner Meinung nach kein Entkommen. Er sieht hier sogar eine Fragestellung, die „ein Deklarieren der tatsächlich verfolgten Zielsetzungen der wirtschaftspolitischen Akteure erzwingt“. Womit wohl behauptet werden soll, daß jeder, der diesen Weg ablehnt, nicht wirklich für Vollbeschäftigung eintritt! Daraus, daß sich Nowotny an der „rasch wachsenden fiskalischen Belastung durch den Schuldendienst“ stößt und dieser sowohl Verzinsung wie auch Tilgung umfaßt, ist zu schließen, daß diese Kredite weder verzinst noch jemals zurückgezahlt werden sollen!

Heute steht einem solcherart hilfreichen Einsatz der „Banknotenpresse“ die Bestimmung des geltenden Notenbankgesetzes entgegen. Diese verbieten es dem Bund, den Ländern und Gemeinden, die Mittel der Bank weder mittelbar noch unmittelbar („in keiner Weise“) für ihre Zwecke in Anspruch zu nehmen, ohne daß sie den Gegenwert in Gold oder Devisen (wie z. B. bei der Umwechslung eines Auslandskredites in österreichische Währung) leisten. Ausgenommen davon ist lediglich die Gewährung von Kassenkrediten, die der Uberwindung vorübergehender Kassenschwächen des Bundes im Jahresverlauf dienen und daher zeitlich und betragsmäßig begrenzt sind.

Diese Bestimmungen wurden gemeinsam mit der Unabhängigkeit der Nationalbank von Regierungsweisungen jedesmal vom Parlament unter dem unmittelbaren Eindruck der beiden verheerenden Inflationen beschlossen, die auf Grund der Finanzierung von Staatsausgaben durch die Notenbank möglich geworden sind.

Nowotny, der schon einer Generation angehört, die diese Erfahrungen selbst nicht mehr machen mußte, sieht darin eine langfristig „eingebaute Fehlkonstruktion“ und „institutionelle Grenze“, die erst jetzt sichtbar wird, wo das wirtschaftliche System erstmals entsprechenden höheren Belastungen ausgesetzt ist. Dieser „Konstruktionsfehler“ führe dazu, daß „die notwendige massive Kreditfinanzierung eines expansiven Budgets zu einer rasanten Ausweitung des Schuldendienstes“ führt, die sich niederschlägt in einer - von

Nowotny unter Anführungszeichen gesetzten - „Finanzkrise“, aus der dann die Undurchführbarkeit eines weiteren konjunkturpolitischen Einsatzes und auch die notwendige Vernachlässigung anderer Staatsfunktionen abgeleitet werde.

Nowotny sieht darin weder eine „zwangsläufige“ Entwicklung noch ökonomische „Notwendigkeiten“, sondern „institutionelle Barrieren, die den stillen Sieg der konservativen Finanzpolitik, der ,sound finance', über Keynes signalisieren“. Ist schon die Vorstellung eine Illusion, Be-

Finanzierung der Defizite durch kostenfreie Geldschöpfung: reine Illusion

schäftigungs- und Wachstumsprobleme durch Staatsdefizite lösen zu können, ist es die Hoffnung noch viel mehr, diese einfach durch kostenfreie Geldschöpfung zu finanzieren, ohne daß der „Preis“ dafür irgendwo zutage käme.

So ist es sicherlich kein Zufall, daß die Länder mit einer unabhängigen Notenbank, wie die BRD, die Schweiz, die USA und Österreich die vergleichsweise doch besseren Erfolge bei der Inflationsbekämpfung hatten. Dennoch stößt sich Nowotny daran: Generell sei das Konzept der „Unabhängigkeit der Notenbank“ ja ein eigenartiger Fremdkörper im Rahmen eines demokratischen Staatswesens, bedeute es doch eine Selbstausschaltung des parlamentarischen Systems in einem zentralen Entscheidungsbereich.'

Die oft vorgebrachte Analogie mit der Rechtssprechung stimme jedenfalls nicht, da dort ja, zumindest in kontinentalen Rechtssystemen (anders als im angelsächsischen!), von einer detaillierten gesetzlichen Determinierung, also einer engen „Rechtsbindung“ auszugehen ist, die in dieser Form für Notenbanken nicht besteht. Auf die deutsche Regelung, die die Bundesbank als eine oberste Bundesbehörde einem Ministerium gleichsetzt, geht der Autor nicht ein. Nowotny läßt ganz offen erkennen, daß er (als Vertreter eines „rein funktional orientierten Keyne-sianismus“) für die Unabhängigkeit der Notenbank keine Begründung sieht.

Freilich werden die Gefahren, die mit dem Einsatz der Notenbank als Geldmaschine für den Staat verbunden sind, vom Autor nicht einfach ignoriert, aber die Wege, mit denen er einem Mißbrauch dieses Systems und den Gefahren einer inflationären Entwicklung zu begegnen trachtet,

sind völlig unzulänglich, wenn nicht gar konterproduktiv.

Wenn auf die direkte Einwirkungsmöglichkeit der Notenbank auf die Kreditgewährung durch die auch in Österreich gehandhabte Kreditzuwachsbegrenzung („Limes“) verwiesen wird, dann heißt das, daß die Bekämpfung des daraus resultierenden Inflationsauftriebs durch einseitige Begrenzung der Kredite an den nichtstaatlichen Sektor mit einer entsprechenden Ausweitung des Staatsanteils am Sozialprodukt erfolgen soll. Die im Zusammenhang damit geäußerten Bemerkungen, die erkennen lassen, daß es nicht nur um eine Beeinflussung der Entscheidungsverhältnisse geht, sondern auch um eine Beeinflussung der Eigentumsstruktur, sind mehr als deutlich.

Sicherlich macht ein Rabe noch keinen Winter. Das Nationalbankgesetz 1957 wurde auch mit den Stimmen der SPÖ beschlossen und auch alteingesessene Notenbankfunktionäre, die der SP nahestanden oder -stehen, bezeugen, daß sich die Einstellung der Partei gegenüber der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg in dieser Frage um 180 Grad gedreht hat. Damals sind die Sozialdemokraten im Parlament gegen das neue Notenbankstatut Sturm gelaufen.

Otto Bauer versicherte zwar in seiner Parlamentsrede am 14. September 1922, daß die Wurzel aller Verelendungserscheinungen die „wahnsinnige“ Geldentwertung sei, die ih-

Otto Bauer: Notenpresse gefährlicher als „Maschinengewehre oder schwere Haubit-

ren Grund habe in der „rasenden Arbeit der Notenpresse, dieser furchtbaren Maschine, die ... für ein Volk gefährlicher werden kann als Maschinengewehre oder schwere Haubitzen“. Er erklärte aber auch, daß die kategorisch bedingungslos ausgesprochene Verpflichtung, die Banknotenpresse für staatliche Bedürfnisse nicht mehr zu beanspruchen, nur dann übernommen werden könne und dürfe, wenn zugleich dem Staate auf andere Weise Einnahmen erschlossen würden, daß er wirklich die Banknotenpresse nicht mehr brauche. Sein Fraktionskollege, der Abgeordnete Allina, hatte infolge der „Versperrung des Zugans zur Notenpresse“ ein gefährliches Experiment befürchtet, das letzten Endes mit dem völligen Zusammenbruch der Staats- und Volkswirtschaft enden könnte.

Das von der Regierung Seipel eingebrachte Gesetz mußte gegen die Stimmen der Sozialdemokraten durchgesetzt werden. Es hat der galoppierenden Geldentwertung ein promptes Ende gesetzt!

Es besteht wenig Anlaß, an der inzwischen erfolgten Einstellungsänderung zu zweifeln. Dennoch aber fehlt es nicht an Symptomen, die erkennen lassen, daß das Bekenntnis zur Unabhängigkeit der Nationalbank doch immer wieder großen Versuchungen ausgesetzt ist. Dazu zählen neben diesem Artikel von Nowotny auch die wiederholten Versuche, die Nationalbank zur Uber-schreitung der ihr gesetzten Grenzen zu veranlassen. Ein Fall, dessen Aufdeckung wir dem Rechnungshof verdanken und der die Mißachtung des Verbots der Nationalbank betroffen hat, Staatssschulden zu finanzieren, hat sich im Dezember 1974 ereignet. Er ist noch in frischer Erinnerung und läßt eine gewisse Wachsamkeit der Öffentlichkeit doch als dringend geraten erscheinen.

* E. Nowotny, Wirtschaftliche Krisenerscheinungen und öffentlicher Sektor, in: H. Markmann (Hrsg.), Krise der Wirtschaftspolitik, Frankfurt a. M. 1978.

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