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Kein „verlängerter Arm“ der Regierung

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Die naheliegende Ursache eines Spannungsverhältnisses zwischen Regierung und Notenbank ergibt sich — sozusagen natürlicherweise — insbesondere aus der Staatsfinanzierung. Gerade die Bevölkerung von Ländern, die wiederholt schwere Nachkriegsinflationen erlebt haben, ist darin besonders empfindlich. Die Gefahr einer willkürlichen Inanspruchnahme des Währungskredits durch den Staat stellt die gefährlichste Sphäre der staatlichen Abhängigkeit einer Zentralbank dar: Bei den historisch bekannten Inflationen handelt es sich fast immer um solche, die durch Defizite der Staatsfinanzen hervorgerufen worden sind.

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Die naheliegende Ursache eines Spannungsverhältnisses zwischen Regierung und Notenbank ergibt sich — sozusagen natürlicherweise — insbesondere aus der Staatsfinanzierung. Gerade die Bevölkerung von Ländern, die wiederholt schwere Nachkriegsinflationen erlebt haben, ist darin besonders empfindlich. Die Gefahr einer willkürlichen Inanspruchnahme des Währungskredits durch den Staat stellt die gefährlichste Sphäre der staatlichen Abhängigkeit einer Zentralbank dar: Bei den historisch bekannten Inflationen handelt es sich fast immer um solche, die durch Defizite der Staatsfinanzen hervorgerufen worden sind.

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Daher ist dn vielen Notenbankge-setzen die Mitwirkung bei der Finanzierung von Staatsausgaben besonderen Regelungen unterworfen. Den weitestgehenden Schutz vor dem Griff der Regierung „zur Notenpresse“ genießt die österreichische Währung seit 1922. Seit damals dürfen der Bund, die Länder und Gemeinden die Mittel der Notenbank — eine kurzfristige und betraglich limitierte Rassenstärkung des Rundes ausgenommen — in keiner Weise, „also weder mittelbar noch) unmittelbar“, für ihre Zwecke in Anspruch nehmen, ohne den Gegenwert in Gold oder Devisen zu leisten.

Diese - Bestimmung verdankt die Oesterreichische Nationalbank einer Auflage des Völkerbundes für seine Mitwirkung beim Sanderungswerk des damaligen Bundeskanzlers Sei-pel. Die Einstellung der Kreditgewährung der Notenbank an die öffentliche Hand hatte dann auch die prompte Beendigung der Inflation und die rasche Stabilisierung der Krone zur Folge, bevor noch das Ausmaß der Inflation anderer Währungen erreicht war.

Die Sozialdemokraten hatten unter der Führung von Otto Bauer gegen den Entwurf gestimmt. Obwohl Otto Bauer in seiner Parlamentsrede am 14. September 1922 versicherte, daß die Wurzel aller Verelendungserscheinungen die „wahnsinnige“ Geldentwertung sei, die ihren Grund habe in der „rasenden Arbeit der Notenpresse, dieser furchtbaren Maschine, die ... für ein Volk gefährlicher werden kann als Maschinengewehre oder schwere. Haubitzen“, erklärte er, daß die kategorisch bedingungslos ausgesprochene Verpflichtung, die Banknotenpresse für staatliche Bedürfnisse nicht mehr zu beanspruchen, nur dann übernommen werden könne und dürfe, wenn zugleich dem Staate auf andere Weise die Einnahmen erschlossen würden, so daß er wirklich die Banknotenpresse nicht mehr brauche1.

Sein Fraktionskollege, der Abgeordnete Allina, hatte infolge der „Versperrung des Zugangs zur Notenpresse“ ein gefährliches Experiment befürchtet, das letzten Endes mit dem völligen Zusammenbruch der Staats- und Volkswirtschaft enden könnte8.

In der Vergangenheit ist der Grundsatz der Nichtflnanzierung des Budgets durch die Notenbank nur einmal ausgesetzt worden, und zwar von der derzeitigen Bundesregierung, die sich dazu aber der Deckung durch ein eigenes Gesetz3 versicherte. Da nicht inlandswirksiam und für internationale Finanzinstitutionen bestimmt, hatte die Nationalbank damals keinen Anlaß, gegen dieses Gesetz zu opponieren, sie hat jedoch darauf bestanden, daß die Zwecksetzung in der Gesetzesibezeichnung klar zum Ausdruck komme.

Im Dezember 1974 aber haben Regierung und Nationalbank den Grundsatz der auch nicht mittelbaren Finanzierung der öffentlichen Hand durch die Notenbank — erstmals ohne gesetzliche Legitimation — verletzt, als diese eine gesonderte Wechselfinanzierung für solche Unternehmen gewährte, denen gegenüber der Bund seinen Verpflichtungen aus budgetären Gründen (Kässenlage und Kreditrahmen!) nicht entsprechen konnte. Diese Vorgangsweise hat dann im Generalrat der Notenbank, im Parlament und in der Presse zu Reaktionen geführt, die nur infolge der bestehenden Mehrheitsverhältnisse keine entsprechenden Konsequenzen hatten.

In der Bundesrepublik ist die währungspolitische Verantwortung durch Verfassungsrecht (Art. 88 GG) einer unabhängigen Zentralbank übertragen Das könnte nur mit verfassungsändernder Mehrheit im Bundestag und Bundesrat geändert werden. Die Oesterreichische Nationalbank genießt einen solchen Schutz i nicht.

Der deutsche Bundesfinanzminister Apel hat sich zwar „trotz aller Unbequemlichkeiten“ in anerkennungs-würdiger Weise zur Autonomie der Bundesbank bekannt, aber gleichzeitig die Meinung vertreten, daß die Bundesbank insofern „nicht unkontrolliert (ist), als der Gesetzgeber jederzeit, wenn er das Gefühl hätte, die Bundesbank würde die eigene politische Orientierung konterkarie-ren, das Bundesbankgesetz ändern könnte“4. Das kann aber wenigstens nicht ohne die qualifizierte Mehrheit geschehen, die nach dem Grundgesetz für eine Verfassungsänderung vorgesehen ist. Vergleicht man die die Tätigkeit der

Notenbank in Österreich regelnden Rechtsbestimmungen mit anderen, die im Rang von Verfassungsbestimmungen stehen und daher nur mit qualifizierter Mehrheit abgeändert werden können, so wären manche Bestimmungen des österreichischen Nationalbankgesetzes wohl des Verfassungsschutzes wert, wie etwa die Verpflichtung der Notenbank zu einer Geld- und Kreditpolitik, die auf Erhaltung der Geldwertstabilität gerichtet ist; die Unabhängigkeit von Regierungsweisungen und von effektiver parlamentarischer Kontrolle, sowie die Beschränkungen bei der Finanzierung öffentlicher Haushalte. Andernfalls schwebt über jeder dieser Errungenschaften einer modernen Währungsordnung das Damoklesschwert der einfachen parlamentarischen Mehrheit, vor dem sie lediglich durch die öffentliche Meinung geschützt sind.

Die Grundidee der Gewaltenteilung im demokratischen Rechtsstaat beruht auf dem System der „checks and balances“. Die Vorstellung von der Volkssouveränität unterstellt den Gesetzesvollzug der parlamentarischen Kontrolle. Dort, wo die Notenbanken weisungsungebunden und ihre verantwortlichen Funktionäre durch gesicherte Amtsperioden unabsetzbar sind, wirken sie daher wie erratische Blöcke, als Überreste aus vergangenen hierarchischen Strukturen. Mit ihren generellen und individuellen Verwaltungsakten (Kundmachungen, Bescheiden usw.) unterliegt beispielsweise die Oesterreichische Nationalbank wohl der verfässungs- und verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, keiner Kontrolle aber unterliegen ihre geldpolitischen Entscheidungen.

Anderseits bedarf eine gesunde Währungsordnung eines straffen, rasch und endgültig handlungsfähigen Entscheidungsmechanismus. In der deutschen verfassungsrechtlichen Literatur wird vom Verzicht des Parlaments auf parlamentarische Kontrollbefugnisse gesprochen, der im Interesse einer optimalen Währungspolitik erfolgte.

Die Heraushebung und in der Verantwortung abgesonderte verfassungsrechtliche Sonderstellung der Notenbank ist durch den — wie wir gerade heute erleben müssen — notwendigen Vorrang der Geldwertstabilität gegenüber den anderen wirt-schafts- und sozialpolitischen Zielsetzungen geboten. Der Umstand, daß die Notenbank keinem Forum unmittelbar verantwortlich ist, macht sie zur einzigen Institution, von der heute jene unpopulären Entscheidungen getroffen werden können und müssen, die die Korrektur der Gefälligkeitsdemokratie notwendig macht. Die Notenbank wird damit zu einem Fixpunkt in dem der Währung gefährlichen politischen und ökonomischen Kampf um die Verteilung des Sozialprodukts.

Die faktische Unabhängigkeit der Notenbank kann aber auch von innen her in Gefahr geraten. Die Auseinandersetzung um „die Notenbankpolitik“ erfolgt beispielsweise beim österreichischen Noteninstitut im Generalrat und im Direktorium. Die im Generalrat in schwierigen Situationen erforderlichenfalls auszubalancierenden Interessengegensätze sind mehrdimensional: Gesichtspunkte der Banken, der politischen Parteien (vor allem, wenn einzelne ihrer Vertreter als „verlängerte Arme“ der Regierung wirken), der Sozialpartner — dies alles kann sich zu den verschiedensten Kombinationen verbinden, die nicht immer unter einem währungspolitisch eindeutigen Sachzwang stehen.

Sobald Einflüsse politischer Parteien den Widerstand der Notenbank gegenüber der Regierung zu brechen drohen, müßte untersucht werden, ob eine gemäßigte parlamentarische mehr oder weniger regelmäßige „Auskunftskontrolle“ einem solchen Prozeß nicht vorbeugen könnte. Die Verletzung des Paragraphen 41 des österreichischen Nationalbankgesetzes5 allein wäre noch kein Anlaß zu einer solchen parlamentarischen Berichts- oder Auskunftspflicht, da diese Norm an die Regierung andressiert ist und der ressortzuständige Finanzminister mit seinerh gesamten Tätigkeitsbereich bereits der vollen parlamentarischen Kontrolle unterliegt, regt aber zweifellos zu derartigen Überlegungen an.

Auf der Ausschau nach Äquivalenten, die die direkte und wirksame Kontrolle der Zentralbank durch das Parlament wettmachen könnten, kann Somm lediglich die öffentliche Meinung als primären Kontroll- und Legitimationsfaktor finden. Daher nimmt die Bundesbank ihre Bemühungen so ernst, in ihrer Politik der Öffentlichkeit gegenüber immer transparenter zu werden, wie kaum eine andere Währungsbehörde, in mancher Hinsicht (so durch die Bekanntgabe von Minderheitsvoten)

lediglich vom Federal Reserve System übertroffen, das schon vor der Resolution 133 zur Teilnahme an parlamentarischen Hearings verpflichtet war. Diese Resolution, die kürzlich von beiden Häusern des US-Kongresses beschlossen wurde, verpflichtet den amerikanischen Zentralbankrat, zweimal im Jahr vor dem Senat und dem Repräsentantenhaus Rechenschaft abzulegen und ihre geldpolitischen Pläne für die nächsten zwölf Monate vor dem Kongreß abzuklären.

Sosehr schwerwiegende Argumente gegen eine echte politische Kontrolle der Notenbank durch den Gesetzgeber sprechen, so überlegens-wert erscheint der Ausweg, den der US-Kongreß kürzlieh gefunden hat und der oben bereits behandelt wurde.

Freilich müßte sich die Befassung eines parlamentarischen Ausschusses mit der Notenbankpolitik auf eine reine „Auskunftskontrolle“ beschränken, aus welcher keinerlei direkte Einflüsse des Parlaments auf die Zentralbank, weder in personeller noch in sachlicher Hinsicht abgeleitet werden können. Eine regelmäßige oder fallweise Anhörung des Notenbankpräsidenten würde diesem Gelegenheit geben, die Politik seines Instituts vor dem Budgetgesetzgeber als einem wichtigen Stabilitätspartner zu erläutern, würde dem Lernprozeß der Abgeordneten im Verständnis von Währungsfragen 'dienen und nicht zuletzt die Notenbank selbst zwingen, ihrer Geldpolitik mehr Kontinuität und Transparenz zu verleihen, eine konsequente „Manöverkritik“ fördern und aus Fehlern, die in Währungsfragen heute unvermeidbar sind, rascher zu lernen.

Eine solche institutionalisierte Information der parlamentarischen Öffentlichkeit könnte unter Umständen auch einem etwaigen Mißbrauch der Kontrolle der Regierung über die Notenbank vorbeugen, wie sie mit dem Ernennungs- beziehungswiese Vorschlagsrecht ihrer Funktionäre eventuell verbunden sein könnte. Das wäre eine Einbeziehung der Notenbank unter den demokratischen Schutz der „checks and balances“, der | noch in viel größerem Ausmaß den Notenbanken fehlt, deren Politik dem Weisungsrecht der Regierung unterliegt.

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