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Die Notenpresse genügte nicht

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Die sozialistische Regierung hat offensichtlich ein gestörtes Verhältnis zum Schilling. Darüber kann auch der „Hartwährungskurs“ bei der Gestaltung des Außenwertes unserer Währung nicht hinwegtäuschen. Nach dem abermaligen Griff nach der Notenpresse (siehe FURCHE vom 1. Mai 1976: „Die permanente Versuchung“) ist die Regierung nunmehr dabei, auch nach dem Prägestempel im Hauptmünzamt zu greifen.

Obwohl von einem Geldmangel angesichts des sich explosiv ausdehnenden Geldvolumens und der bereits inflationistischen Gewinnausschüttung der Nationalbank an die Regierung (hier ist einmal eine Revision des Nationalbankgesetzes fällig!) keine Rede sein kann, möchte sich die österreichische Bundesregierung vom Parlament die gesetzliche Grundlage zur Ausprägung und für den Vertrieb von Goldmünzen als gesetzliches Zahlungsmittel geben lassen, ohne daß der Gesamtumlauf der auszuprägenden Goldmünzen vom Parlament begrenzt, noch der tatsächliche Goldgehalt dieser Münzen dem Wert oder Gewicht nach vom Gesetzgeber bestimmt werden soll. Es besteht kein Zweifel daran, daß die Regierung damit angesichts der derzeitigen Mehrheitsverhältnisse Erfolg haben wird, wenn es nicht gelingt, dem Parlament und der Öffentlichkeit über die Folgen eines solchen Schrittes die Augen zu öffnen und wenn die parlamentarische Mehrheit bereit ist, diese Absichten der Regierung offenen Auges und unter Verzicht auf ihre fundamentalsten Rechte zu unterstützen.

In der Vergangenheit ist die Anregung zur Ausgabe von Goldmünzen wiederholt — meist von seiten des Münzhandels — vorgebracht, jedesmal aber vom jeweiligen Finanzminister und von der Oesterreichischen Nationalbank aus guten Gründen abgelehnt worden.

Ist also schon die Ausgabe von Goldmünzen als solche ein währungspolitisch abträgliches Unternehmen, so schlägt die nunmehr dem Parlament vorliegende Regierungsvorlage für ein Goldmünzengesetz 1976 alles bisher auf diesem Gebiet Dagewesene. Die Bundesregierung beantragt nichts Geringeres als eine Blankovollmacht für den Finanz-minister, nach eigenen Vorstellungen Bundesgoldmünzen zu 1000, 2500 und 5000 Schilling auszuprägen und in den Verkehr zu setzen. Seine Vollmacht soll weder nach der Menge der auszugebenden Münzen noch nach der Höhe ihres Wertes beschränkt sein. Auch die Verpflichtung der Oesterreichischen Nationalbank, vor der Ausgabe von Bundesgoldmünzen in dieser Hinsicht Empfehlungen zu erstatten, verhindert nicht den Mangel einer ausreichenden Determiniertheit, den auch der Verfassungsgerichtshof wiederholt als Kriterium für die Verfassungsmäßigkeit solcher Ermächtigungen verlangte, von der Ermächtigung, Münzen mit Nennwerten zu emittieren, ganz zu schweigen, für die es nicht einmal noch Banknoten gibt. Auch die Berechtigung der Nationalbank, dem Bund Münzen in Rechnung zu stellen, wenn während eines Zeitraumes von sechs Monaten ununterbrochen mehr als drei Prozent des Umlaufs dieser Münzsorte sich in ihren Beständen gesammelt haben, ist — nach den bisherigen Erfahrungen — ein völlig unzureichender Währungsschutz: Der Prozentsatz müßte geringer und auf den Umlauf jeder einzelnen Emission bezogen sein, und die Notenbank müßte zur Verrechnung des Mehrbetrags verpflichtet werden.

Sollte dieser Entwurf wirklich Gesetz werden, so würde der paradoxe Zustand eintreten, daß der Regierung zur Schaffung neuer Zahlungsmittel keine Grenzen gesetzt wären, während die für die Regulierung des Geldumlaufs zuständige Notenbank jede 1000-Schilling-Banknote — mit Recht! — nur gegen „Deckungswerte“, also Devisen, Gold, Wechsel oder lombardfähige Wertpapiere, ausgeben darf. Daß die Hoffnung auf ein Verschwinden der Goldmünzen „im Strumpf“ sich nicht unbedingt erfüllen muß, zeigt die Erfahrung, die auf Grund der Überschätzung der Aufnahmefähigkeit des Marktes für die letzten Ausprägungen von Silbermünzen seitens des Finanzministers gemacht wurde.

Die Zukunft des Goldpreises ist heute ungewisser denn je. Ein stark schwankender Goldpreis könnte ein wiederholtes; Wiederauftauchen und Wiederverschwinden der Münzen im Geldumlauf zur Folge haben. Zusammen, mit dem derzeitigen Volumen von rund 6,4 Milliarden Schilling in Sübermünzen würde damit neben der veränderlichen Umlaufgeschwindigkeit ein zusätzlicher, durchaus entbehrlicher Unsicher-heitsfaktor auftreten.

Dieses Gesetz würde der Regierung eine völlig neue Geldschöpfungsquelle eröffnen, die mit unserem Währungssystem nicht vereinbar ist und sich als neue Inflationsquelle erweisen könnte. Wenn sich die Zeitungsmeldungen bestätigen sollten, daß die Auflage der zunächst beabsichtigten Emission einer 1000-Schilling-Goldmünze eine Million Stück und somit ein Volumen von einer Milliarde Schilling umfassen wird, wird damit schon mit dem ersten Schritt ein nicht unbeachtlicher Eingriff in den Geldschöpfungsprozeß verbunden sein, der nach unserer Geldordnung aus guten Gründen der Oesterreichischen Nationalbank vorbehalten ist.

Die Oesterreichische Nationalbank hatte daher schon in früheren Stellungnahmen mit Recht stets den Standpunkt vertreten, daß die Ausgabe einer derartigen Münze wegen ihres hohen Nennwertes das ihr übertragene ausschließliche Notenemissionsrecht, das die Verpflichtung zur Regelung des Geldumlaufes nach volkswirtschaftlichen Kriterien einschließt, aushöhlen würde.

„Im Hinblick auf die währungspolitischen Nachteile einer derartigen Münzemission ist es nicht verwunderlich, daß andere Staaten bisher bei der Ausgabe von Goldmünzen, denen die Eigenschaft von Zahlungsmitteln zukommen soll, äußerste Zurückhaltung geübt haben“, meinte die „Hüterin der österreichischen Währung“ noch im Jahre 1973, als die Emission einer solchen Goldmünze wieder einmal zur Diskussion stand, in ihrem Gutachten an das Finanzministerium. So hat die Schweiz, ungeachtet der Einführung des „Bundesgesetzes über das Münzwesen“ vom 17. Dezember 1952, das auch die Ausgabe von Goldmünzen als gesetzliche Zahlungsmünzen vorsieht, bis heute keine Emission solcher Münzen vorgenommen. Auch die Deutsche Bundesbank hat sich mit Erfolg gegen die geplant gewesene Ausprägung einer Olympia-Goldmünze zu 100 DM ausgesprochen. Die FAZ nannte dieses Vorhaben damals einen „genialen Plan mit gefährlicher währungspolitischer Kehrseite“ und eine „gefährliche Aufweichung der jetzigen wahrungspolitischen Verfassung“. Der Wunsch des Finanzministeriums, eine Goldmünze mit gesetzlicher Zahlkraft auszustatten, um einen Handel mit Goldmünzen zu ermöglichen, der nicht mit Mehrwertsteuer belastet ist, kann es — nach der damaligen Meinung der Notenbank — aber nicht rechtfertigen, die damit verbundenen Schwierigkeiten in Kauf zu nehmen, so daß sie sich „entschieden“ gegen die Ausprägung von Goldmünzen mit gesetzlicher Zahlungskraft aussprechen mußte.

Die derzeitige Trennung der Rechte zur Ausprägung von Münzen durch die Regierung und der Ausgabe von Banknoten durch die Notenbank ist historisch bedingt und

— solange es sich lediglich um Scheidemünzen handelt — ungefährlich. Mit der vorliegenden Regierungsvorlage wird den Kritikern dieser Regelung recht gegeben. Der entscheidende Schritt zur „Zentralmünzbank“ neben der Zentralnotenbank wäre getan. Das Gesamtvolumen an Silbermünzen hat sich unter der sozialistischen Regierung nicht nur von rund 2,7 auf rund 6,4 Milliarden Schilling mehr als verdoppelt, es wird auch — in der Annahme, daß sie restlos gehortet werden — seit 1973 dem Geldumlauf nicht mehr zugerechnet.

Neben dem Münzgewinn glaubt die Bundesregierung mit der Emission einer Goldmünze auch einen Prestigeerfolg erzielen zu können, der ihre verblassende Währungspolitik wieder aufpolieren könnte. Das Gegenteil aber zeichnet sich jetzt schon ab. Gerade der Run auf die Münze, die eigentlich schon verkauft ist, ehe sie noch das Placet des Parlaments erhalten hat, ist kein Ruhmesblatt für den Schilling. Er markiert vielmehr die Flucht in das Gold als Sachwert, sogar ohne Rücksicht auf das noch gar nicht bekannte Münzgewicht, und damit ungeachtet des noch ungewissen Goldwertes!

Auch der seit kurzem wieder geprägte „Tscherwonez“ — eine historische Goldmünze zum Nennwert von zehn Rubel — wurde, obwohl er in der Sowjetunion nicht zirkuliert, aus denselben Überlegungen zur Kurrantmünze erklärt und von den meisten Ländern, um den Handel damit nicht an das Ausland zu verlieren, auch als solche anerkannt. Daß die Emission dieses „Goldrubels“ zum Ansehen der sowjetischen Währung viel beigetragen hat,kann man wirklich nicht behaupten: Sie hat vielmehr erneut die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, daß es sich dabei um eine reine Binnenwährung ohne jede internationale Funktion handelt, nicht einmal innerhalb der RGW-Länder, da der sogenannte „Transferable Rubel“ mit dem sowjetischen Geld lediglich den Namen und die (fiktive) Goldparität gemeinsam hat. Die Ausgabe der Goldmünze läßt jedoch den großen Devisenbedarf der UdSSR erkennen, der durch Goldverkäufe allein nicht mehr befriedigt werden kann und durch massive Verschuldung auf den internationalen Kapitalmärkten ergänzt werden muß.

Ähnlich verhält es sich mit dem „Krüger-Rand“, der aus den gleichen Gründen zur Kurrantmünze erklärt wurde, obwohl er nicht einmal einen aufgeprägten Nennwert aufweist. Der südafrikanische Rand ist eine Währung, die infolge unzureichender Devisenreserven immer wieder in Schwierigkeiten kam. In beiden Fällen ist diese Goldmünzenemission der zwei größten Goldproduzenten lediglich ein zusätzlicher und durch die Prägekosten und einen eventuellen Münzgewinn „veredelter“ zusätzlicher Goldexport, mit der richtig kalkulierten Erwartimg, in den Sammlern einen neuen Kundenkreis zu gewinnen.

Diese beiden bekanntesten Fälle „kurranter“ Goldmünzen sind kein Erfolg dieser Länder, sondern lassen vielmehr um so deutlicher die Schwierigkeiten dieser beiden Währungen und ihre Mängel erkennen. Das hat sich unser Schilling — trotz seiner immer sichtbarer werdenden Verschlechterung — (noch) nicht verdient!

Die Ausprägung der Goldmünze ist in Österreich ein für die Regierung lukrativer Ersatz für den hierzulande (30 Jahre nach Kriegsende!) immer noch nicht zugelassenen Goldhandel. Dem österreichischen Staatsbürger ist der Erwerb von Gold lediglich zu industriell-gewerblichen oder medizinischen Zwecken erlaubt, im Gegensatz zu den meisten Industriestaaten. Nichts spricht heute mehr dagegen, dem österreichischen Sparer auch das Sparen in Gold zu ermöglichen, das im Ausland zu Barrenpreisen von (nach dem Goldpreis Mitte Mai 1976 in Zürich, 999 fein, das sind 24 Karat) rund S 7400.— (100 Gramm), S 18.430.— (250 Gramm), zuzüglich Mehrwertsteuer angeboten wird. Die Wiederzulassung des freien Goldhandels und Golderwerbs — das wäre vielleicht ein eindrucksvoller Schritt, der unter Umständen tatsächlich mit der „währungspsychologischen Wirkung“ verbunden sein könnte, die sich die Regierung von ihrem Goldmünzenvorhaben verspricht. Auch für die USA war die vor kurzem erfolgte Freigabe entgegen manchen Erwartungen mit keinerlei nachteiligen Wirkungen verbunden. Für Österreich hätte der freie Goldimport einen stabilitätsfreundlichen Abfluß von Zahlungsmitteln zur Folge, der sich im Fall der Münzenemission nur auf den tatsächlichen Goldgehalt der Münzen beschränkt. Der Goldgehalt der geplanten Münze müßte schon beachtlich hoch sein, wenn die Belastung des Käufers durch Prägekosten und Münzgewinn nicht höher sein soll als die Mehrwertsteuer.

Die Regierung beteuert zwar in den Erläuterungen zu ihrer Vorlage, daß die Goldmünzenemission nicht dazu dienen soll, dem Staat wesentliche Mehreinnahmen zu bringen. Die Vorlage schließt das jedoch keineswegs aus. Es wäre dies nicht einmal ein illegitimes Interesse, vorausgesetzt, daß es ohne währungspolitisch nachteilige Konsequenzen geschieht. Wahrscheinlich wäre es daher überhaupt vernünftiger, durch eine Mehrwertsteuerbefreiung den Golddukatenhandel wieder flottzumachen und damit jedes währungspolitische Risiko zu vermeiden.

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