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Langer Abschied vom Schilling

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Im Dezember 1994 wurde der 70. Geburtstag des Schillings gefeiert, im Dezember 1995 könnte der 50. Jahrestag seiner Wiedergeburt gefeiert werden. Sind das zugleich die letzten „runden” Jubiläen des Schillings?

Offiziell möglicherweise ja, inoffiziell mit Sicherheit nein: Selbst wenn (was nie wirklich sicher gewesen ist) die Europäische Währungsunion termingemäß am 1. Jänner 1999 zustandekommt und wenn - was seit dem jüngsten Budgetkrach gar nicht so sicher ist - Osterreich von Anfang an mitspielen darf, wird sowohl im Dezember 1999 wie auch noch im Dezember 2000 als den nächsten der beiden Jubiläumsterminen der „Euro” (oder wie immer die gemeinsame Währung heißen mag) nur ein Schattendasein als „Buchgeld” führen. Bar bezahlt werden wird noch immer in Schillingen, weshalb die Österreichische Nationalbank die Vorbereitungsarbeiten für einen neuen Tausender, der so absolut fälschungssicher sein soll wie jetzt die 5.000-Schil-ling-Note, keineswegs storniert hat.

Mit „inoffiziell” war aber noch etwas ganz anderes gemeint: daß nach einer Währungsumstellung der Gewöhnungsprozeß lange dauert. Ein Beweis aus neuerer Zeit ist das Faktum, daß in Frankreich jahrelang auf Preisschildern die Bezeichnung NF (für Nouveaux Francs) anzutreffen war, weil die Bevölkerung nach wie vor in „alten” Francs dachte und rechnete. Ein zweiter, noch eindrucksvollerer Beweis wird nur noch betagten Österreichern in Erinnerung sein: Obwohl schon ab 1. Jänner 1925 ein Schilling an die Stelle von 10.000 Kronen getreten war, bekamen auch noch in den dreißiger Jahren die Kinder von ihren Großeltern einen „Tausender” (= ein Zehn-Groschen-Stück) für ein Eis und schwirrten an den Wirtschaftstischen die „Millionen” (für ie 100 Schilling) herum.

Das Gütesiegel für die neue Europawährung ist das Placet der

Deutschen Bundesbank, unter deren Fittichen auch der Schilling sein wird.

Das mag anders sein, wenn das Umrechnungsverhältnis nicht eine Zehnerpotenz ist, sondern irgendein „siebeneckiger” Multiplikator, weil es für die nationalen Währungen keinen gemeinsamen Nenner gibt, der eine halbwegs „glatte” Umrechnung ermöglichen würde. Weshalb auch die Idee, den Übergang zu einer Eurowährung dadurch zu erleichtern, daß die Münzen und Noten, wenn man sie umdreht, noch eine Zeitlang auf D-Mark, Lire, Schwedenkronen und so weiter laufen, fragwürdig ist: Was dabei herauskäme, wären numismatische Kuriosa, beispielsweise derzeit eine Münze, auf deren Avers „1 Ecu” und auf deren Revers „13,2638 Schilling” stünde.

Füglich hinzuzufügen wäre: falls diese Münze im August 1995 geprägt wurde. Ein solcher Hinweis wäre in der Währungsunion entbehrlich, aber gerade das macht sie gleichermaßen faszinierend wie problematisch:

Faszinierend, weil der seit Anfang 1994 bestehende Markt* Stückwerk bleibt, solange man bei der Lieferung in ein anderes EU-Land, vor allem aber bei der Veranlagung in Wertpapieren, die auf eine andere Währung als die eigene lauten, noch immer ein Wechselkursrisiko eingeht.

Problematisch, weil mit dem Umrechnungsschlüssel zwischen der jeweiligen nationalen und der gemeinsamen Währung die Wettbewerbspo-sition iedes Landes pepenüber seinen

Partnern (und Konkurrenten!) innerhalb der Währungsunion ein für allemal festgelegt wird, denn weder läßt sich in aller Zukunft die - nicht mehr vorhandene - nationale Währung exportfördernd abwerten, noch ließe sich die Wettbewerbsposition mit einer besonders großen Preisdisziplin verbessern, weil sich innerhalb eines gemeinsamen Währungsgebietes die regionalen Inflationsraten höchstens hinter dem Komma (und auch das nur kurzfristig) voneinander unterscheiden können. Das mag nach höherer Währungs-Mathematik klingen, ist aber von eminenter praktisch-politischer Bedeutung: Angesichts der -pardon! - Manie, in die in der Bundesrepublik das an sich gesunde Bemühen um größtmögliche Preisstabilität ausgeartet ist, wird die künftige Europawährung so hart sein wie die D-Mark, oder es wird diese Europawährung nicht geben.

Insofern braucht sich niemand Sorgen darüber zu machen, ob die wie immer benamste Währung, auf die eines wahrscheinlich eher noch fernen Tages seine Sparbücher oder seine Anleihen, Pfandbriefe, Investmentzertifikate und so weiter plötzlich lauten werden, ein vollwertiger Ersatz für den Schilling sein wird, der uns Österreichern begreiflicherweise mehr ans Herz gewachsen ist als den Italienern die Lira oder den Griechen die Drachme. Das Gütesiegel für diese Europawährung ist das Placet der Deutschen Bundesbank, unter deren mächtigen Fittichen auch der Schilling sein wird. '

Das allerding nur, wenn er am Tage X ebenso „eurofit” ist wie die D-Mark. Erledigt die künftige Regierung nicht umgehend ihre budgetpolitischen Pflichtaufgaben, müßte Österreich Zaungast der Währungsunion bleiben. Dann könnten wir uns einige Jahre länger des Schillings erfreuen. Aber schwerlich eines so harten wie jetzt...

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