Wenn der Euro kommt...
Der Argwohn gegenüber dem Euro ist groß. Wozu wirklich auf den Schilling verzichten? Hier Antworten auf besonders wichtige Fragen.
Der Argwohn gegenüber dem Euro ist groß. Wozu wirklich auf den Schilling verzichten? Hier Antworten auf besonders wichtige Fragen.
Der Wirtschafts- und Währungsunion liegt die Idee zugrunde, daß der Wohlstand der Völker durch den Abbau der Handelsschranken und durch die Freizügigkeit von Dienstleistungen aller Art - also durch internationale Arbeitsteilung -vermehrt wird. Dieser bereits vor mehr als 200 Jahren von Adam Smith und David Ricardo entwickelte Gedanke wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von den Industriestaaten, darunter auch Österreich, konsequent in die Praxis umgesetzt. Rückblickend bestreiten nur wenige, daß diese Politik erfolgreich war. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, daß der Lebensstandard in unserem Land in den letzten 40 Jahren real auf das Fünffache gestiegen ist.
Die geglückte Einführung einer gemeinsamen Währung könnte neben wirtschaftlicher Erwartungen auch den politischen Integrationsprozeß wesentlich beschleunigen. Aus diesem Grund wird die Währung gerne als das Dach des europäischen Integrationsgebäudes bezeichnet.
Unabhängig von den makroökonomischen Auswirkungen bringt der Euro sowohl dem Wirtschaftsunternehmen als auch dem einzelnen Bürger eine Reihe offensichtlicher Vorteile:
■ Das Vermeiden von Transaktionskosten (insbesondere Umtausch- und Verrechnungskosten im internationalen Verkehr);
■ das Verschwinden von Währungsrisiken und der Wechselkurssicherungskosten;
■ die Schaffung einer Weltwährung, die vor allem den Firmen in kleineren Staaten die bisher oft nicht vorhandene Möglichkeit bietet, in ihrer eigenen Währung zu fakturieren;
■ der Wegfall von Abwertungen, die zu Wettbewerbsverzerrungen führen und nicht zuletzt auch protektionisti-sche Tendenzen innerhalb der EU verursachen;
■ den erleichterten Marktzugang und eine erhöhte Vergleichbarkeit der Preise.
■ Überdies werden die ja dauerhaft geltenden Konvergenzkriterien die Bealzinsen in Europa tendenziell verringern; dadurch werden Mittel für produktivere Investitionen der Wirtschaft frei. Dagegen fallen die - allerdings erheblichen - Umstellungsund Anpassungskosten nur einmal an.
Gegen den Euro gibt es vier hauptsächliche Einwände:
■ Die Angst, daß der Euro entgegen aller Versprechungen nicht so stabil wie der Schilling ist.
■ Die Befürchtung, daß Spannungen innerhalb der Währungsunion erhöhte Transferleistungen von den reicheren EU-Mitgliedern zu den ärmeren Teilnehmern erzwingen werden.
■ Die Schwierigkeit, den Teilnehmerkreis so zu bestimmen, daß Turbulenzen innerhalb der EU möglichst vermieden werden.
■ Die Problematik der Umstellung. Unberechtigt ist die Befürchtung, daß die Umstellung auf den Euro an sich zu einem Geldwertverlust führt. Anders als bei den Währungsreformen 1923 und 1947, die notwendig wurden, weil eine galoppierende Inflation zu beenden war und eine aufgeblähte Geldmenge einem verschwindend kleinem Warenangebot gegenüberstand, handelt es sich bei der gemeinsamen Währung um einen normalen Umtausch von Devisen gut funktionierender Volkswirtschaften, so als wechselte man Schilling gegen D-Mark oder Franc. Da die Wechselkurse bereits viele Monate vor der Geburt des Euro unwiderruflich festgesetzt werden, wird sich -entgegen der Meinung schlecht informierter Kommentatoren - am Innenwert des Euro auch in Zukunft überhaupt nichts ändern.
Wie sich allerdings der Wechselkurs im Außenverhältnis, im wesentlichen zu Dollar und Yen, gestalten wird, hängt vom Vertrauen ab, das die internationale Finanzwelt der Wirtschafts- und Finanzpolitik der EU-Mitgliedsländer entgegenbringt. Anstrengungen werden notwendig sein, um die gewünschte Stabilität des Euro zu sichern. Zwar wurden in einem sogenannten Stabilitätspaket Verfahren im EU-Bat ausgehandelt, die mangelnde Disziplin von Teilnehmerländern bestraft, doch muß erst in der Praxis abgewartet werden, inwieweit ein solches Verfahren im konkreten Fall politisch auch durchsetzbar ist. Jedenfalls muß auch eine Währungsunion der Versuchung widerstehen, volkswirtschaftlichen Problemen wie Arbeitslosigkeit, ungenügendes Wachstum, Strukturschwächen oder Leistungsbilanzdefizit über den Wechselkurs zu lösen. Es gibt genügend Beispiele aus der Vergangenheit, die zeigen, daß Abwertungspolitik in eine Sackgasse führt:
Ein schwächerer Euro mag kurzfristig vielleicht Erleichterungen für Exporte und den ' Fremdenverkehr bringen, würde jedoch auf der anderen Seite rasch zu einer Verteuerung der Importe führen, die sich auf das Preisniveau niederschlagen und auch höhere Herstellungskosten in der EU-Wirtschaft brächten. Denn eine Abwertung verteuert nicht nur Urlaubsreisen nach Übersee, sondern insbesondere auch Erdöl und andere Bohstoffe, die wir von Ländern außerhalb der EU beziehen.
Die Sorge, daß die Geberländer der EU tief in die Tasche greifen müssen, wenn es zu internen Turbulenzen kommt, ist nicht unbegründet. Der britische Schriftsteller Frederick For-syth hat in einem offenen Brief an Bundeskanzler Kohl die Befürchtung ausgesprochen, daß die zusätzlichen, durch den Euro notwendig gewordenen Nettozahlungen der reicheren EU-Mitglieder ein Ausmaß erreichen würden, das den Vergleich mit jenen gigantischen Mitteln zuließe, die Westdeutschland nach der Wiedervereinigung zu leisten hat. Das aber wäre nach allgemeiner Auffassung völlig untragbar.
Der noch nicht festgelegte Kreis der von Beginn an teilnehmenden Länder ist schwer zu bestimmen. Wird er zu groß gezogen, erhöht sich die Gefahr der Destabilisierung der Europawährung, ist er zu eng, muß mit Handelsverzerrungen gerechnet w'erden. Denn die Abseitsstehenden könnten als EU-Mitglieder zwar die vollen Gemeinschaftsrechte in Anspruch nehmen, zugleich aber die Möglichkeit haben, ihre Exportchancen wie in der Vergangenheit durch eine Abwertung zu erhöhen. Das Dilemma wird in der unterschiedlichen Haltung Deutschlands und Frank-reichs zu Italien Wk gut sichtbar: HF Bonn steht einer Teilnahme Roms aus Furcht vor einer Schwächung des Euro skeptisch gegenüber, Paris will die Lira unbedingt einbeziehen, um wirtschaftliche Nachteile im Handel mit Italien zu vermeiden.
Es wäre unklug, die Schwierigkeiten beim Übergang auf den Euro zu unterschätzen. Abgesehen von den Kosten der Umstellung ist der Gewöhnungsbedarf groß, die psychologische Barriere hoch. Wer je längere Zeit im Ausland lebte, weiß, wie lange es dauert, bis man in einer bisher ungewohnten Währung zu rechnen gelernt hat. Die hier notwendige Aufklärungsarbeit hat mit einiger Verspätung eben erst begonnen.
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