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Schilling-AufWertung, und nun?

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Die schönen Tage von Bretton Woods sind längst vorbei. Der erste Akt der Weltwährungskrise, schrieb die „Deutsche Zeitung — Christ und Welt“ Anfang Juni 1971, „gebar ganz gegen den Willen der Beteiligten — einen .germanischen Hartwährungsblock“ jener Länder, die einst unter Herrschern des Hauses Habsburg vereint waren: Österreich, die Schweiz, Deutschland und Holland“.

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Die schönen Tage von Bretton Woods sind längst vorbei. Der erste Akt der Weltwährungskrise, schrieb die „Deutsche Zeitung — Christ und Welt“ Anfang Juni 1971, „gebar ganz gegen den Willen der Beteiligten — einen .germanischen Hartwährungsblock“ jener Länder, die einst unter Herrschern des Hauses Habsburg vereint waren: Österreich, die Schweiz, Deutschland und Holland“.

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Der Vorhang zum zweiten Akt der Weltwährungskrise hat sich gehoben. Ganz im Rahmen ihrer üblichen Vorstellungen empfiehlt die OECD den Vereinigten Staaten eine expansive Budgetpolitik, die dazu beitragen soll, die Arbeitslosenrate von 6,2 Prozent abzubauen. Als einziges monetäres Instrument, rät die OECD, sollen die Währungspolitiker der Vereinigten Staaten im Sinne der Thesen Milton Friedmans die Geldmenge starr halten.

Die Bundesrepublik Deutschland, mit deren Konjunktur- und Währungsentwicklung Österreichs Wirtschaft untrennbar verbunden ist, wird aus mancherlei Gründen die Stabilitätspolitdk nicht ernsthaft genug betreiben: Hingezogen vom eigenen Versprechen, die Bundesrepublik im Inneren zu reformieren, aber auch davongejagt; geängstigt vom Vertrauensschwund, den ein stabilitätswirksames Stahlbad der Rezession allemal kostet und ein wenig befangen von den möglichen Gefahren wirtschaftspolitischer Isolation wird es die Währungs- und Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland bei Halbheiten belassen. Weder das „floating“ der Deutschen Mark noch die Erhöhung der Mindestreserven zeigten bislang die gewünschten Folgen: Die Dollars sind nach wie vor im Land und damit auch die Überliquidität.

Bumerang aus Deutschland

Was muß das alles für Österreich bedeuten? Erstens wird sich gewiß noch zeigen, daß in einer weltweiten Preisinflation die Aufwertung eines wichtigen Teilnehmers am Weltaußenhandel — die Bundesrepublik, deren DM-Aufwertung ja die Schilling-Aufwertung geradezu provozierte — eine Verstärkung oder mindestens eine Ermunterung des internationalen Preisauftriebes bedeutet. Prof. Albert Hahn spricht in diesem Zusammenhang von einem „Bume- rang“-Effekt: Eine Aufwertung,

auch wenn sie im ersten Augenblick zielgerecht getroffen wird, wirkt in der Regel nach kurzer Frist durch den internationalen Preiszusammenhang auf die Wirtschaft des eigenen Landes inflationär; anders herum: Früher oder später rollt die in Richtung des Trends der Weltmarktpreise vorgenommene Wechselkursänderung auf das aufwertende Land zurück.

Nicht zuletzt infolge der in der Bundesrepublik Deutschland mit masochistischer Lust betriebenen Methode, Aufwertungen so lange zu diskutieren, bis sie infolge der spekulativen Kapitalzuflüsse vorgenommen werden müssen, haben sich die Weltmarktpreise bereits einige Zeit vor dem Beschluß, den DM-Kurs freizugeben, auf die erwartete Höherbewertung der Mark eingestellt. Österreich, dessen Bundesregierung neuerdings offensichtlich bundesrepublikanische Methoden kopiert, kam dabei auch zum Handkuß. Einerseits kam ein starker Sog auf Waren des Auslandes zustande, anderseits verteuerte sich der österreichische Export, soweit die Angebotspreise in österreichischen Schillingen unverändert blieben. Das gab unseren Importländern den Weg zu höheren Preisen frei; beides schlug als Bumerang auf die österreichische Wirtschaft zurück.

Die Bundesregierung, insbesondere aber Bundeskanzler Kreisky, haben das auch schon bemerkt. Erst wurde hinausposaunt, daß eine Reihe von Importartikeln um 5 Prozent billiger werden würde, dann wurde der billigste Italienurlaub, den es je gab, vorhergesagt, schließlich wurde auch der Exportwirtschaft zugesagt, man werde flankierende Maßnahmen treffen — aber was blieb?

Dabei ist dies gar nicht die Schuld der Minderheitsregierung. Es zeigte sich vielmehr, was sich zeigen mußte.

Die Aufwertung hat ihre Wirkung für importierte Güter nur bis an die österreichische Grenze. Zu den Importpreisen ab Grenze kommen noch Zoll-, Verpackungs-, Transport und Veredelungskosten, Kosten, die in Österreich entstehen und von der Aufwertung keinen Deut profitieren. Schon gar nicht konnte die Preisvergünstigung bei Produkten durchschlagen, die ln Österreich veredelt werden. Hierbei entsteht ein sehr großer Teil der Kosten im Inland. Das gilt für Kaffee ebenso wie für die amtlich geregelten Zigarettenpreise.

Im Hinblick auf die eingangs beschriebene und von der OECD geradezu sanktionierte Fortsetzung der inflationären Entwicklung in der westlichen Welt kam also in Österreich der Maßnahme, den Schilling aufzuwerten, bloß die Funktion zu, zumindest für den Augenblick etwas Ruhe in ein außer Rand und Band geratenes Preisgefüge zu bringen. Mehr steckte einfach nicht drinnen.

Und eben: Diese Fortsetzung der internationalen Inflation läßt es ratsam erscheinen, den Blick in eine gewisse Zukunft zu richten: auf den kommenden dritten — und letzten? — Akt der Weltwährungskrise. Soll dieser ein Happy-End bringen, dann ist es einfach unumgänglich, den US-Dollar als Reservewährung abzustellen. Sinngemäß schrieb der bundesdeutsche Wirtschaftspublizist Walter Wannemacher: Bisher war der Dollar eine Währung, in der man Guthaben bildete und Schulden machte. Nun macht man in Dollar lieber Schulden, als daß man Guthaben aufnimmt. Bald aber werden in der Welt nur noch die Notenbanken so unvernünftig sein, Guthaben in US-Dollar zu bilden. Wenn die politische Notwendigkeit zu dieser unvernünftigen Verhaltensweise einmal gefallen ist, dann ist die Stunde des Dollars — der letzte Akt der Weltwährungskrise — gekommen.

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