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Es muß einmal gesagt werden

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Betrachtungen über unsere schwierige Lage haben nur dann Zweck, wenn sie auch zu zeigen versuchen, wie wir darüber hinwegkommen können. Unter dieser Voraussetzung ist wohl auch gestattet, derzeit vorhandene Hemmungen zu besprechen.

Der Stand unserer Währung macht uns Sorgen; Preise, Löhne und Gehälter sind vorläufig geregelt, wir wissen aber nicht, auf wie lange. Welche Wege sollen wir nun zu einer dauernden Festigung des Schillings einschlagen? Ohne volles Vertrauen auf die Währung können Landwirtschaft, Industrie, Gewerbe, Transportwesen nicht richtig in Gang kommen, daher können wir auch nicht ausreidtend produzieren und exportieren, Rohstoffe, einführen, Äuslandsvaluten beschaffen. Über diesen Stillstand der Wirtschaft müssen wir hinwegkommen. Wir haben noch lange nicht die bescheidene Blüte der Wirtschaft erreicht, die wir vor dem Kriege als selbstverständlich hingenommen haben. Die Erfahrung hat uns gelehrt: die feste Währung ist eine Vorbedingung, nicht eine Folge des Aufstieges der Wirtschaft. Vielleicht kann man auch sagen, feste Währung und Wirtschaft sind untrennbar verbunden.

Die Entwicklung der Währung liegt in der Hand des Staates und der Notenbank, sie drucken die Noten, bestimmen die Höhe des Notenumlaufes, sind also für den Stand der Währung verantwortlich. Diese für die Wirtschaft entscheidend wichtige Aufgabe wurde bisher noch nicht befriedigend gelöst. Solange che Wirtschaft eine kommende Inflation fürchtet, kann sie nicht mit voller Kraft arbeiten, sie wird daher nicht die wichtigste Grundlage für unseren Aufbau schaffen, das ist die Produktion aller Güter und Nahrungs. mittel.

Es gibt auch keine feste Regelung. der Preise, Löhne, Gehälter, Tarife, wenn die Währung nicht gefestigt wird. Jede Regelung könnte von der nächsten Welle neuen Papiergeldes weggeschwemmt werden wie die Sandhurgen, die von Kindern am Strande aufgerichtet werden. Dagegen können auch amtliche Festsetzungen der Preise und Löhne und Strafen nicht aufkommen. Sobald aber dweh eine feste Währung die Produktion in vollen Gang kommt, werden Preise und Löhne sich selbst befriedigend regeln. Auch eine neuerliche Notenabschöpfung würde nur neue Verwirrung schaffen, wenn wieder neue Noten gedruckt und ausgegeben würden. Das gleiche gilt auch von einer Änderung der Währung; es ist belanglos, ob Schillinge oder Gulden oder irgendwelche anderen Noten gedruckt werden. Name, Papier und Farbe tun nichts zur Sache. Das praktische Ergebnis dieser Betrachtungen lautet also: Ordnung in unserer Wirtschaft und Einstellung der Notenpresse um jeden Preis. Nur dann kann die Währung fest bleiben, jeder andere Weg wäre eine bewußte Selbsttäuschung.

Alle diese Grundsätze der Geldwirtschaft sind selbstverständlich den berufenen Stellen des Staates und der Notenbank bekannt und geläufig. Naheliegend ist daher die Frage, warum macht man von dieser wichtigen Erkenntnis keinen Gebrauch und druckt weiterhin Banknoten bis zum Zehnfachen des wirklichen Bedarfes. Die Antwort ist überraschend einfach. Weil Staat, Länder und Gemeinden, also die gesamte öffentliche Wirtschaft, derzeit etwa zweimal soviel Geld für ihre Ver-' waltung, für ihre Betriebe ausgeben, als sie an Steuern, Abgaben usw. einnehmen. Da dies auf längere Dauer ganz unmöglich ist, ist man genötigt, Noten zu drucken und verwendet sie, um diese Mehrausgaben, also das Defizit, zu bezahlen. Dies ist aber wirtschaftlich unmöglich, weil man dadurch sowohl das schon vorhandene Geld als auch die neuen Noten dauernd entwertet. Ohne Geld gibt es keine Wirtschaft. Daher bleibt nach einer Inflation nichts anderes übrig, als so rasch wie möglich eine neue und bessere Währung zu schaffen. Dies ist aber nur dann möglich, wenn die gesamte öffentliche Wirtschaft zuerst in Ordnung gebracht wird. Nur dann kann eine neue Währung Vertrauen finden, den Aufbau ermöglichen; sie muß also unbedingt auf verläßlichen Grundlagen beruhen. Wer an dieser Feststellung zweifeln würde, möge nur etwas über unsere Landesgrenzen sehen, wo Währungen trotz neuer Benennung schnell wieder zusammengebrochen sind. Für die Wirtschaft war dies nicht besonders aufmunternd. Man fragt sich, warum man solche neue Währungen überhaupt geschaffen hat.

Man konnte doch ebensogut die alte Währung auf feste Füße stellen, wenn man sich beizeiten entschlossen hätte, die öffentliche Ausgabenwirtschaft zu ordnen. Der einzig mögliche Weg zu fester Währung ist eben die Ordnung der öffentlichen Wirtschaft, er nml! auf jeden Fall eingeschlagen werden. Besser früher als später.

Bisher ließen wir unseren Schilling durch die Ausgaben der öffentlichen Wirtschaft dauernd sinken und wollen später auf eine neue Währung übergehen. Soll dieser Übergang ohne Ordnung der öffentlichen Ausgaben erfolgen, dann ist die neue Währung eine Totgeburt. Wenn aber vorerst die Ordnung der öffentlichen Ausgaben hergestellt wird, dann brauchen wir keine neue Währung, dann wird auch ein stabiler Schilling seinen alten Ruf als Alpendollar bald wieder rechtfertigen. Wir kommen also zu dem Ergebnis, nicht der Name einer neuen Währung, nicht die Farbe der Noten sind ein Schutz gegen Inflation, sondern nurdie geordnete öffentliche Wirtschaft,des Staates, der%Länder und Gemeinden und in weiterer Folge auch der Notenbank.

Man macht bestehende Schwierigkeiten j geltend. Wir hören so oft, dies sei jetzt nicht möglich, weil Hemmungen der großen Politik, Besetzung der alliierten Mächte die Tätigkeit lahmlegen. Es ist klar, daß unser kleiner Staat auf die großen Fragen der Weltpolitik keinen erheblichen Einfluß nehmen kann. Wir müssen die Entscheidungen der Großmächte ar/warten. Wie immer sie ausfallen werden, die für uns derzeit wichtige Frage der Währung können wir als ejne rein österreichische Frage nur selbst lösen, wir können unmöglich warten, bis der Staatsvertrag und so viele andere offene Fragen endgültig geregelt se in werden. Der AufbauvonWirtschaftund Währung kann nicht weiterhin auf eine völlig unbekannte Zeit hinaus aufgeschoben werden. Es ist also unbedingt notwendig, einen Aufbauplan auszuarbeiten, der einer ernsten Prüfung standhält. Dann wird unsere Stellung in der Welt eine wesentlich festere werden. Diesen Plan werden wir den Alliierten vorlegen und ihre Hilfe für die Schwierigkeiten des Überganges erbitten. Es ist bemerkenswert, daß Einladungen zur Vorlage eines solchen Planes schon genügend oft an uns ergangen sind. Ohne Hilfe von außen scheinen die Schwierigkeiten unüberwindlich; aber diese Hilfe wird uns zuteil werden, wenn wir zeigen, wo sie benötigt wird. Bisher begangene Fehler können wir frei bekennen; auch andere haben ähnliche Fehler begangen. Wir dürfen dabei unseren Beschützern nicht viel Neues sagen, sie sind voll im Bilde und erwarten unsere Sanierungsvorschläge. Ein zielbewußter Aufbauplan ist also der erste Schritt zur Rettung von Wirtschaft und Währung. Den gleidien Weg sind wir mit freundlicher Hilfe der Großmächte auch nach dem ersten Weltkrieg gegangen; er hat uns zum Ziele geführt. Wir werden auch diesmal die werktätige Hilfe der Alliierten finden und alle Schwierigkeiten des Überganges überwinden.

Ein zielbewußt geführtes, tatkräftiges Österreich hat dank seiner Lage im Herzen Europas die gleichen Möglichkeiten wie die glückliche Schweiz. Es liegt an uns, diese geographischen Vorteile zu verwerten. Industrie, Gewerbe, Erzeugnisse der Kunst und Mode, Elektrotechnik und vieles andere werden, so wie seit Jahrhunderten, wieder den Weg nach dem Osten finden, wir werden wieder über alle Rohstoffe verfügen, ein von der Welt geschätzter, wohlhabender Staat werden. Ob wir diesen Weg gehen werden, liegt in unserer Hand. Ein altes Bauernhaus an der Donau trägt die Inschrift: „Zank' und Streit bringt nur Leid. Mut und Kraft, Arbeit schafft.“ Den ersten Teil dieser Inschrift könnten . wir jetzt als abgeschlossen betrachten und nunmehr auf den zweiten übergehen.

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