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Gerliche Harte

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Der Schilling, heißt es auf Wahlplakaten, zählt zu den härtesten Währungen der Welt; tatsächlich ist er in den letzten Jahren so hart geworden, daß sich die Export- und Fremdenverkehrswirtschaft die Zähne daran ausbeißt. Seit Mitte 1971 hat etwa der US-Dollar gegenüber dem österreichischen Schilling fast ein Drittel seines Wertes verloren, etwa in diesem Ausmaß sanken die österreichischen Exporte in die Vereinigten Staaten. Selbst gegenüber der Deutschen Mark hat der Schilling um zwei Prozent gewonnen.

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Der Schilling, heißt es auf Wahlplakaten, zählt zu den härtesten Währungen der Welt; tatsächlich ist er in den letzten Jahren so hart geworden, daß sich die Export- und Fremdenverkehrswirtschaft die Zähne daran ausbeißt. Seit Mitte 1971 hat etwa der US-Dollar gegenüber dem österreichischen Schilling fast ein Drittel seines Wertes verloren, etwa in diesem Ausmaß sanken die österreichischen Exporte in die Vereinigten Staaten. Selbst gegenüber der Deutschen Mark hat der Schilling um zwei Prozent gewonnen.

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Kürzlich tagten bekanntlich die Finanzminister der Schweiz, Deutschlands und Österreichs in Wien. Ausgangspunkt dieses Währungsgipfels war die Absicht der Schweiz, der sogenannten „europäischen Währungsschlange“ beizutreten, um in diesem Verbund den Kurshöhenflug des Schweizer Franken zu bremsen. Der Grund dafür liegt in einer stagnierenden Entwicklung der Schweizer Exporte, aber auch in den ersten Anzeichen einer Arbeitslosigkeit. Eine endgültige Entscheidung über diese Frage traf der Schweizer Finanzminister Chevallaz in Wien nicht, wenngleich die für die Währungspolitik zuständigen Schweizer Stellen schon lin den nächsten Tagen darüber befinden werden.

In Österreich steht aus politischen Gründen eine Schillingabwertung nicht zur Diskussion, wenngleich eine solche Maßnahme jedenfalls die Export- und Fremdenverkehrswirtschaft für ökonomisch gerechtfertigt hält. Auch in der Regierungspartei gibt es Befürworter einer Schillingabwertung, vor allem in Gewerkschaftskreisen, die über die Sorgen unserer Exportwirtschaft recht gut Bescheid wissen.

Seit dem 24. August 1971 wird der Wechselkurs des Schilling nur im Verhältnis zu den Währungen wichtiger Handelspartner bestimmt. Ursprünglich wurden neun Währungen in den sogenannten „Indikator“ aufgenommen, deren Länder am Außenhandel Österreichs (Warenexporte und -importe) einen Anteil von insgesamt 68 Prozent hatten. Das Gesamtgewicht des Indikators wurde mit 100 festgelegt und auf die einzelnen Währungen im Verhältnis ihres Anteils am österreichischen Außenhandel aufgeteilt. Die DM hat ein Gewicht von 50 Prozent, der Schweizer Franken, die Lira, das Pfund Sterling und der Holland-Gulden hatten zusammen ein Gewicht von 42 Prozent.

Schon ein knappes Jahr später wurde die Zusammensetzung des Indikators zum erstenmal geändert. Damals, im Juni 1972, schied das Pfund-Sterling, im Februar 1973 die italienische Lira und nur ein Monat später der französische Franken aus dem Indikator aus. Dagegen blieb der Schweizer Franken seit Anbeginn im Indikator. Schließlich verließ der Schilling im Mai 1974 die europäische „Währungsschlange“, was zu einer Kurserhöhung um 3,3 Prozent führte.

Von einem informierten Beobachter der österreichischen Währungspolitik wurde die Wechselpolitik Österreichs als Teilnahme an einem Aufwertungs-Wettlauf bezeichnet, in dem die konkurrenzierenden Währungen einander ablösen und nur der Schilling das ganze Rennen durchzustehen hat.

Auch in der Bundesregierung ist man sich darüber im klaren, daß diese österreichische Währungspolitik in den letzten Jahren keine Unterstützung für die Export- und Fremdenverkehrswirtschaft war. Wahrscheinlich trug sie auch nichts zur Stabilisierung der inneren Kaufkraft des Schillings bei. Die enge Bindung an die Deutsche Mark, die zur Zeit ein Gewicht von 63 Prozent auf die Indikatorwaage der österreichischen Bundespolitik bringt, ist heute problematisch, weil Deutschland und Österreich bereits unterschiedliche Konjunkturentwicklungen nehmen. Nach einer tiefen Talfahrt mit 1,2 Millionen Arbeitslosen beginnt sich nun die deutsche Wirtschaft allmählich zu erholen. Wie Finanzminister Apel beim Wiener Währungsgipfel meinte, will man die Inflationsrate noch in diesem Jahr auf 4,5 Prozent herunterdrücken. In Österreich dürften sich dagegen die wirtschaftlichen Probleme zumindest bis Mitte 1976 fortsetzen; so wird 1975 die österrei-

Der Schweizer Franken wiegt im Indikatorsystem 17 Prozent Sein Aufwertungseffekt gegenüber der Deutschen Mark lag in den letzten Jahren bei etwa 10 Prozent, also bedeutend höher als der Schilling-Mark-Aufwertungseffekt. In Wien meinte der schweizerische Finanzminister Chevallaz, daß der Franken derzeit viel zu hoch liege — wobei Kapitalzuflüsse eine wichtige Rolle spielen — und daß deshalb sein Kurs nach unten korrigiert werden müsse. Ähnlich wie Österreich, ist auch die Exportwirtschaft der Schweiz mit strukturellen Schwächen (Uhrenindustrie) belastet. Einen Teil dieser strukturellen Schwächen will die Berner Währungspolitik offensichtlich über die Wechselkurspolitik, sprich: Frankenabwertung, wettmachen.

Die Schweizer Regierung hat es in dieser Angelegenheit insofern leichter als Österreich, als sie die so heiklen währungspolitischen Fragen nie zum Gegenstand politischer Auseinandersetzung machte. In Österreich ist dieses Thema dagegen politisch befrachtet. Auf dem „Verspro-chen-Gehalten“-Plakat der SPÖ wird auf die dreimalige Aufwertung des Schillings hingewiesen, als hätte

Gelegentlich hört man aus gut informierten Kreisen der SPÖ, daß die Bundesregierung noch vor Sommerbeginn und allen wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten zum Trotz an eine, wenn auch geringfügige, Schilling-Aufwertung denke. Sie gehe dabei von der Auffassung aus, daß es mehr österreichische Sommerurlauber in Italien und Jugoslawien gibt als Exporteure in die ganze Welt. Da 1975 ein Wahljahr ist, will sie noch einmal die „Stärke“ des österreichischen Schilling demonstrieren. Daß man auch an „Stärke“ zugrundegehen kann, scheint sie dagegen vergessen zu haben.

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