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Kein Schock in der Hitze

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Die Hiobsbotschaften, die seit der Nixon-Rede am 15. August über die europäischen Agenturen ticken, zeigen die Überraschung, mit der Europa auf die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der US-Regierung reagierte, mehr als deutlich.

Auch in Österreich wurden die Schritte Nixons mit großer Überraschung zur Kenntnis genommen. Wohl beeilte sich Finanzminister Androsch, der von seinem Urlaub am Grundlsee extra in die Bundeshauptstadt geeilt war, zu versichern, Österreich sei von der gegenwärtigen Situation währungstechnisch nicht betroffen, eine neuerliche Schillingaufwertung stehe außer Diskussion. Aber er kam nicht umhin, die amerikanischen Maßnahmen zur Erschwerung der Importe als uner wünscht zu brandmarken. Mehrmals im Verlauf eines Pressegesprächs verwies Androsch auf die Tatsache, wie richtig die Aufwertung des Schillings am 10. Mai gewesen sei. Sein Vorgänger im Amt, der heutige Klubobmann der ÖVP, Prof. Stephan Koren, zeigte sich weniger optimistisch: Er betonte in einem ORF- Interview, Österreich könne sich wohl kaum aus Maßnahmen der anderen europäischen Staaten ausschließen, eine Erklärung, man werde die Parität des Schillings keinesfalls ändern, sei jedenfalls verfrüht. Und Koren, dem im allgemeinen gute Beziehungen zu seinem sozialistischen Nachfolger nachgesagt werden, fand sogar zu seinem oft zitierten Zynismus, als er dem Finanzminister entgegnete, der Hin weis auf die Schillingaufwertung käme ihm vor wie die Erklärung, man müsse an einem Regentag den Regenschirm nicht aufspannen, da man dies ohnehin an einem Regentag im Mai gemacht habe.

Dennoch zeigte sich, vielleicht auch durch die Urlaubszeit bedingt, eine eigenartige Abstinenz der österreichischen Politiker. Androsch versicherte, es sei ein Zeichen der Beruhigung, daß der Kanzler seinen Urlaub nicht unterbrochen habe. Dal? in allen umliegenden westlichen Staaten Sondersitzungen der Regierungen stattfanden, scheint Österreich nicht zu berühren. Sicher, man konnte und kann die Auswirkungen der amerikanischen Schritte noch nicht in vo» em Umfang abschätzen. Aber eins ist doch sicher: die österreichische exportierende Wirtschaft wird nach dem Aufwertungsschock des 10. Mai 1971 zumindest einen gleich großen erleiden.

Die Forderungen der Bundeskammer an den nicht in Wien weilenden Handelsminister, beim Rat des In ternationalen Zoll- und Handelsabkommens GATT energisch gegen die verhängten Importerschwerungen zu protestieren, kamen spät und eher lustlos. Es scheint, daß das Wahlübereinkommen und der ungewöhnlich heiße Sommer den Mantel der Ruhe über die Vorgänge außerhalb unserer Grenzen gebreitet hatte.

Daß eine neuerliche Schillingaufwertung im Zusammenhang mit einer zehnprozentigen Sonderimportabgabe die österreichischen Exporte in die USA vor eine nahezu unlösbare Aufgabe stellen würde, scheint sowohl der Wirtschaft wie auch den Interessenvertretungen klar zu sein. Aber die Importerschwerungen sind, obwohl im Wortlaut bereits seit Mitte der letzten Woche vorliegend, noch immer nicht eindeutig geklärt.

Exportkatastrophe?

So weiß man noch immer nicht, ob die zehnprozentige Importabgabe für alle importierten Waren eingehoben wird oder nur für jene, die in der bisherigen Zollbelastung unter zehn Prozent liegen. Sicher ist nur, daß bereits mit Importquoten versehene Güter, wie zum Beispiel die österreichischen Käseimporte, von der zusätzlichen Belastung befreit sein werden. Eine weitere Erschwerung wird eine andere Bestimmung des Pakets für Österreichs Maschinenindustrie bringen. Für Investitionsgüter amerikanischer Herkunft kön nen nämlich Firmen bis zum 15. August des nächsten Jahres zehn Prozent an Steuer abschreiben. Da Österreich im vergangenen Jahr bei Gesamtexporten in die USA von rund drei Milliarden Schilling Investitionsgüter und Verkehrsmittel im Wert von fast 900 Millionen Schilling in die Vereinigten Staaten exportiert hat, sind von dieser Bestimmung fast ein Drittel der österreichischen Exporte in die USA betroffen. Zusätzlich zu den noch nicht absehbaren Folgen der neuen Währungssituation stellen diese Maßnahmen eine fast unerträgliche Belastung für die österreichische Exportwirtschaft dar. Auch die österreichische Wintersportartikelindustrie wird unter den Folgen des 15. August sehr schwer zu leiden haben. Exporte von mehr als 360 Millionen Schilling scheinen gefährdet. Aber auch andere hochwertige österreichische Exporte scheinen gefährdet, so die Fahr- und Motorradexporte, die in den Vereinigten Staaten in den letzten Jahren einen Boom erlebt hatten.

Ob der jetzt in Genf tagende GATT-Rat einen Ausweg aus der Situation finden wird, scheint zweifelhaft zu sein. Es bleibt also nur die Hoffnung auf eine baldige Beruhigung des Weltwährungssystems und die damit verbundene Beseitigung der diskriminierenden Maßnahmen . der US-Regierung.

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