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Reagans Reform kann mißlingen

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Wie stehen die Chancen einer großen Koalition? Was hHft gegen die heimischen Exporteinbrüche? Haben unsere Skandale und Probleme Einfluß auf die Kreditwürdigkeit?

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Wie stehen die Chancen einer großen Koalition? Was hHft gegen die heimischen Exporteinbrüche? Haben unsere Skandale und Probleme Einfluß auf die Kreditwürdigkeit?

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FURCHE: Wie beurteilen Sie die Aussicht auf eine rot-schwarze Koalition als jemand, der sehr viele Facetten des politischen Lebens kennengelernt hat?

STEPHAN KOREN: Wenn ich diese Frage theoretisch und unter der Voraussetzung analysiere, daß es bei der derzeitigen Entwicklung der Grünen bleibt, wird es nach der nächsten Wahl vier parlamentarische Gruppierungen geben. Relativ gesehen werden sie so stark sein, daß das Erreichen von absoluten Mehrheiten für die Großparteien fast ausgeschlossen ist.

Ich glaube auch, daß SPÖ und ÖVP zusammengenommen numerisch verlieren und die Situation entsteht, daß keine der Großparteien mathematisch-mehrheitsmäßig mit einer kleinen Gruppe operieren kann. Die Grünen scheiden für eine Regierungsbeteiligung wahrscheinlich ohnehin aus, und die FPÖ ist derzeit diskreditiert. Das heißt, ein einigermaßen politischer Realist muß annehmen, daß mit großer Wahrscheinlichkeit dieses Land nur regierbar ist, wenn sich eine große Koalition bildet.

FURCHE: Gibt es angesichts der schwierigen Probleme Bereiche, wo die Bereitschaft zuLösungen trotz aller Aversionen gegen Kooperation vorhanden sein muß?

KOREN: Ich teile Bundeskanzler Franz Vranitzkys Meinung, daß das die Bereiche Budgetsanierung, die Verstaatlichte und das Pensionsversicherungssy-stem sein müssen. Ich würde noch die Entwicklung im öffentlichen Dienst hinzuzählen. Wenn Sie sich die Entwicklung in diesem Bereich anschauen, so kann man sich ausrechnen, wann alle Österreicher Staatsbedienstete sind. 1968 und 1969, während der ÖVP-Alleinregierung, gab es leichten Einbruch, weil wir den Dienstplan auch gegen großen Widerstand nicht ausgeweitet und sehr oft „Nein“ gesagt haben.

FURCHE: Wieso konnte man es sich damals leisten, auf die Wünsche etwa der Gewerkschaften nicht Rücksicht zu nehmen?

KOREN: Ich glaube, daß die Effizienz der Politik verkehrt proportional läuft. Wir haben jetzt jahrzehntelang permanente Wohlstandsvermehrung hinter uns. Je besser es einem Land geht, desto mehr wird in der Politik auf die vielen Wünsche, die von verschiedenen Seiten geäußert werden, Rücksicht genommen. Je schlechter die Lage eines Landes ist, desto effizienter muß dann Politik sein.

FURCHE: War bei den Problemen, die heute einer Lösung bedürfen, die kleine Koalition ein Hemmnis?

KOREN: Das ist furchtbar schwer festzustellen. Aber fraglos hat sie den Prozeß des Vor-sich-Herschiebens von Problemen verstärkt.

FURCHE: Und die Frage einer Steuerreform? In Österreich gibt es Stimmen, die eine radikale Steuerreform ä la USA fordern. Ist so etwas bei uns machbar?

KOREN: Sicherlich muß auf diesem Gebiet etwas geschehen. Aber jede Steuerreform, auch die amerikanische, geht von der Annahme der Aufkommensneutrali-tät aus, nur alle eingebauten Begünstigungen müssen fallen. Da aber der Steuertarif gesenkt wird, das Steueraufkommen aber gleichbleiben soll, muß es bei dieser Maßnahme Gewinner und Verlierer geben. Die Preisfrage bei der amerikanischen Steuerreform ist, ob das politisch ausgehalten werden kann.

FURCHE: Heißt das, die Reform kann auch ins Auge gehen?

KOREN: Ja, denn die Aufkom-mensneutralität läßt sich ja nicht exakt ausrechnen. Es ist durchaus möglich, daß letztlich weniger herauskommt. Außerdem ändert eine aufkommensneutrale Steuerreform nichts an der Budgetproblematik. Die USA kämpfen aber mit einem Budgetdefizit von 200 Milliarden Dollar. Das Ganze ist also ein Experiment, das durchaus mißlingen kann.

FURCHE: Im jüngsten OECD-Bericht wird Österreich recht kritisch beurteilt. Wie schlecht ist unsere wirtschaftliche Lage?

KOREN: Innerhalb der OECD gibt es Länder mit ungleich größeren Schwierigkeiten. Wenn man die ökonomischen Grunddaten hernimmt, so stehen wir recht gut da. Wir haben ein Wachstum, das über dem OECD-Durchschnitt liegt. Wir haben eine der niedrigsten Inflationsraten und Arbeitslosenzahlen Und gehören zu den Ländern, die die wenigsten Probleme mit ihrer Leistungsbilanz und der Außenwirtschaft haben. All das signalisiert aber nur, daß die Entwicklung in anderen Ländern noch drastischer ist als bei uns.

FURCHE:Noch vor einem dreiviertel Jahr hat man doch angenommen, daß die sinkenden öl-preise und der Dollarrückgang die Exporte positiv beeinflussen werden. Es kommt aber auch in Österreich zu großen Exporteinbrüchen.

KOREN: Hier hat man sicherlich die größte Enttäuschung erlebt. Es kommt weltweit in bestimmten Bereichen zu Exporteinbrüchen. Für Österreich spielt eine Rolle, daß die Ostblockländer als Nachfrager ausfallen. Die Entwicklung in diesen Ländern ist, um es vorsichtig auszudrük-ken, nicht gerade positiv. Sie sind vom Dollar und ölpreisverfall besonders stark betroffen, österreichische Unternehmen, die auf die Region des Ostblocks spezialisiert waren, haben jetzt Schwierigkeiten.

FURCHE: Spielen bei den Exporten oder bei der Kreditwürdigkeit Österreichs „weiche Daten“ wie Berichte über Skandale und Verlustgeschäfte eine Rolle?

KOREN: Man gerät zwar im Ausland bei Geschäftspartnern in unangenehme Situationen, weil nach solchen Berichten das Interesse an uns besonders hoch ist. Aber direkte ökonomische Rückwirkungen hat es nicht.

FURCHE: Der Innsbrucker, Ökonom Clemens-August An-dreae hat kürzlich gemeint, man müßte den Schilling abwerten, um die Exporte anzukurbeln.

KOREN: Das war ein nicht sehr zielführender Vorschlag. Wir betreiben seit Jahren eine feste Wechselkurspolitik gegenüber unserem Haupthandelspartner. Das ist mit größtem Abstand die Bundesrepublik. Und wir werden das auch weiterhin tun, solange die ökonomischen Grunddaten übereinstimmen. Wir sind davon nicht abgewichen in Zeiten großer Leistungsbilanzdefizite in den Jahren 1978 und 1979 und auch nicht bei den großen Weltwirtschaftsproblemen 1982 und 1983. Und die österreichische Wirtschaft hat das aus einem logischen Grund immer akzeptiert.

Gar keine Frage, daß eine Abwertung dem Exporteur fürs erste einen Vorteil bringt. Aber Österreich exportiert weniger als es importiert und ist extrem auslandsabhängig. Jede Abwertung bedeutet daher auch Verteuerung der Importe, höhere Lohnforderungen für deren Abgeltung und steigende Arbeitskosten für die Unternehmer. Es ist eine alte Erfahrung, daß bei hohen Inflationsraten die Einkommenspolitik nicht so unter Kontrolle zu halten ist. Außerdem gibt es kein Unternehmen auf der ganzen Welt, das man durch Wechselkursoperation zur Konkurrenzfähigkeit bringen kann.

FURCHE: Sie gelten als Garant der österreichischen Hartwährungspolitik. Könnten wir hier nicht Probleme bekommen, wenn wir unsere Budgetentwicklung nicht wie die Bundesrepublik besser in den Griff kriegen?

KOREN: Ich habe, wie andere auch, davor immer gewarnt.

FURCHE: Vieles von dem, was Sie an wirtschaftlichen Entwicklungen vorausgesehen haben, wie die Budgetentwicklung oder die Krise in der Verstaatlichten, ist eingetreten. Sie galten daher bei der SPÖ auch jahrelang als die schwarze Kassandra“. Was fühlen Sie da?

KOREN: Mir wäre es immer lieber gewesen, meine Einschätzung von negativen Entwicklungstendenzen wäre nicht Wirklichkeit geworden. Aber wie man sich da fühlt? Schadenfreude empfinde ich jedenfalls nicht.

Das Gespräch führte Elfi Thiemer.

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