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Anpassung ist überfällig

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FURCHE:Gibt es trotz aller von Land zu Land unterschiedlichen Faktoren gemeinsame Ursachen der jetzigen Weltwirtschaftskrise?

STEPHAN KOREN: Natürlich — die Bereitschaft zum Illusionismus, die Gewöhnung an hohe Wohlstandsfortschritte, dann die Diskussion über Grenzen des Wachstums, der ölschock von 1973/74. Es war damals am bequemsten, sich das Geld, das man den Ölstaaten zu zahlen hatte, von diesen zurückzuborgen. Das explosionsartige Ansteigen der Verschuldungsraten in jenen Jahren War dafür bezeichnend.

FURCHE:Gibt es einRichtmaß, bis zu welcher Höhe eine Verschuldung tragbar ist?

KOREN: Nein. Das ist weitgehend eine Vertrauensfrage. Solange alle Gläubiger glauben, daß nichts passieren wird, liegt die Grenze hoch. Sobald Zweifel auftauchen, liegt sie sofort viel niedriger.

FURCHE: In hochverschuide- ten Ländern der Dritten Welt wie Mexiko oder Brasilien bekommt man immer häufiger den Vorwurf zu hören, die Banken der Industriestaaten seien an der Misere nicht unbeteiligt, da sie hohe Kredite geradezu aufgedrängt hätten.

KOREN: Das ist eine verständliche, aber irrelevante Auffassung. Relevant ist, daß es zu dieser Verschuldung gekommen ist.

FURCHE:Hätten die Industrieländer den Entwicklungsländern nicht viel mehr geholfen, wenn sie arbeits- statt kapitalintensive Projekte gefördert hätten? Wurden nicht zu viele teure Prestigevorhaben finanziert?

KOREN: Rückblickend muß man sagen, daß vermutlich der ganze Ansatz der Entwicklungspolitik nicht richtig war, weil es in den meisten Ländern verabsäumt wurde, die eigenen Ressourcen zu entwickeln und so viele Arbeitsplätze wie möglich zu schaffen, statt den teuren Sprung in die neue Technologie zu .finanzieren.

FURCHE: Mußte Brasilien seinen Ehrgeiz dreinsetzen, Kraftwerke zu bauen, die größer als jene der USA und der UdSSR sind?

KOREN: Nicht nur Brasilien, fast jedes Land in Afrika hat solche Monsterprojekte bevorzugt. Aber man muß auch dazusagen, daß westliche Staaten liebend gern Maschinen für die größten Kraftwerke der Welt lieferten

FURCHE: Früher einmal schien die wirtschaftspolitische Alternative ,Inflation oder Arbeitslosigkeit“ zu lauten. Dann erzählte man uns, ein „Weder — noch“ sei Ziel der Wirtschaftspolitik. Schließlich mußten wir uns mit einem ,JSowohl als auch“ vertraut machen. Jetzt sieht es wieder so aus, als wäre es doch ein ,JEntwe- der — oder“. Was stimmt da eigentlich?

KOREN: Wir leben in einer Zeit, in der alle klassischen Maßnahmen der Wirtschaftspolitik, die 30 Jahre lang funktionierten, nur noch sehr begrenzt gelten. In den meisten Ländern ist der Spielraum sehr klein geworden.

FURCHE: Hatte Keynes vielleicht doch recht, als er den Staaten Sparen in fetten Jahren empfahl, in mageren aber Wirtschaftsankurbelung durch staatliche Investitionen, auch mit Leihgeld? Fremdgeld wurde immer genommen, gespart nie!

KOREN: Tempi passati. Solche Erkenntnisse bringen uns heute nicht weiter. Tatsache ist, daß nicht nur nach dem ölschock 1973/ 74 alle Länder mit hohen Kreditaufnahmen reagierten, sondern auch in Jahren mit geringem Wachstum, weil sie sich einfach nicht damit abfinden wollten, nicht mehr die früheren hohen Wachstumsraten zu erzielen.

FURCHE: Was also müßte man empfehlen, damit international die Krise gemeistert wird?

KOREN: Die Zeit ist leider nicht günstig für internationale Zusammenarbeit. Jeder versucht, für sich kurzfristige Vorteile herauszuschlagen, um Erreichtes zu sichern. Die Demokratien sind sehr anpassungsfeindlich geworden. Die vielleicht größte Gefahr liegt darin, daß viele Länder in einen neuen Protektionismus flüchten. Dadurch werden die Schwierigkeiten nur noch größer. Wichtig wäre, sich endgültig auf niedrigere (ich sage nicht: keine) Wachstumsraten einzustellen, die öffentlichen Ausgaben entsprechend anzupassen und die in den letzten zehn Jahren versäumten Strukturanpassungen der Wirtschaft endlich vorzunehmen.

FURCHE: Haben wir den Staaten des Ostblocks zuviel billiges Geld zu leichtfertig geliehen?

KOREN: Auch unsere Kreditpolitik gegenüber dem Ostblock spiegelt zum Teil Mängel der Strukturanpassung wider. Wir brauchen diese Länder für unsere Exporte.

FURCHE: Heißt das, daß wir manche Produkte nur noch im Osten anbringen, die der Westen uns aus Qualitätsgründen nicht mehr abkauft?

KOREN: Das ist eine sehr eigenwillige Interpretation, von der ich mich distanziere. Auch finanzieren wir Ostkredite mit geliehenem Westkapital, das wir so lange bekommen, als der Westen uns glaubt, daß wir zahlen, wenn der Osten nicht mehr kann.

FURCHE: Was also empfehlen Sie der österreichischen Wirtschaftspolitik vordringlich?

KOREN: Strukturanpassungen zu fördern und die Budgetproblematik in den Griff zu bekommen.

FURCHE: Durch geringere Ausgaben oder Mehreinnahmen?

KOREN: Ich mische mich nicht in die Politik des Finanzministers ein, aber daß es über die Einnahmenseite seit zehn Jahren versucht wird, weiß man.

Mit dem Präsidenten der österreichischen Nationalbank sprach Hubert Feichtlbauer.

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