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Eine Kassandra geht fremd

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Koren unterstützt Androsch, verkündeten Radio, Fernsehen und sozialistische Presse vor einigen Tagen in großer Aufmachung. Auch Koren ist gegen die Steuersenkung. Die Volkspartei war pikiert. Am Tage der Ko-ren-Äußerung hat nämlich VP-Ob-mann Josef Taus vehement eine Milderung des Steuerdrucks gefordert, den er als „unsozial und wirtschaftspolitisch falsch“ bezeichnete.

Vor der Presse mit dem Koren-Sta-tement konfrontiert, erklärte Taus, dieser müsse offenbar seine Auffassung von früher korrigiert haben. Als Klubobmann sei er im Mai 1977 für einen Entschließungsantrag mitverantwortlich gewesen, der eine Steuerkorrektur per Jänner 1978 gefordert habe. Ihre neuerliche Forderung nach Steueranpassung formulierte die ÖVP sogar mit Argumenten, welche einst Koren selbst vorgebracht hatte.

Ist Koren nunmehr als Nationalbankpräsident ein willfähriges Instrument der Regierung geworden, hat er seine früheren Uberzeugungen verraten?

Oder betreibt die ÖVP skrupellose Demagogie, ist „ihr Mann“ nun gezwungen, zuzugeben, daß die Volkspartei-Forderungen falsch, der Kurs der Regierung hingegen korrekt ist?

Beide der parteipolitischen Extremstandpunkte schießen über das Ziel hinaus. Korens Äußerung war - isoliert betrachtet - vollkommen richtig, aber ein so diffiziles Problem kann man eben nicht isoliert betrachten.

Was sagte Koren wirklich? Er konstatierte in einem Interview, daß angesichts der enormen Budgetdefizite eine Lohn- und Einkommensteuerkorrektur nur die Probleme vergrößern würde. Der Finanzminister müßte dann neue Steuern erfinden oder aber die Ausgaben reduzieren.

Dies ist, zum Nennwert genommen, korrekt - nur die Akzentsetzung ist falsch. Einfach die Steuern zu „senken“ und ansonst alles beim alten zu belassen, wäre tatsächlich falsch. Es wäre - im Jahr 1979 - pure Wahljahr-Demagogie, die dem Steuerzahler nach den Wahlen erst recht auf den Kopf fallen müßte.

Sollte sich die ÖVP Chancen ausrechnen, in der nächsten Legislaturperiode die Regierung zu stellen, dann wäre ein derartiges Kuckucksei das letzte, was sie sich wünschen könnte.

Was aber Koren zu sagen vergessen hat, ist, daß die Forderung nach Steuerkorrektur prinzipiell richtig ist. Korrekterweise spricht nämlich die ÖVP -

und sprach Koren selbst früher - nicht von Steuersenkung, wie dies Regierung und sozialistische Gewerkschafter zu tun pflegen, sondern nur von -korrektur oder -anpassung. Es geht ja momentan gar nicht darum, den Steuerdruck in Österreich zu mildern - obwohl dies durchaus wünschenswert wäre -, sondern bloß um eine teilweise Rücknahme jener automatischen Intensivierung des Steuerdrucks, die sich durch den Kumulationseffekt von Inflation und Steuerprogression ergibt: Bei gleichbleibendem realem Bruttoeinkommen zahlt man auf diese Manier in Österreich immer höhere Steuern.

Und diese automatische Steuererhöhung ist in einem Hochsteuerland wie Österreich wirtschaftlich und sozial nicht zu verantworten. Wie vor kurzem errechnet wurde, betragen die gesamten Abzüge vom Bruttolohn im Durchschnitt bereits 46 Prozent. Daß damit das Maximum des Zumutbaren bereits überschritten wurde, ist evident.

Dennoch findet die öffentliche Hand damit nicht ihr Auskommen, dennoch produziert allein der Staat weiterhin jährliche Defizite, die sich der 50-Mil-liarden-Marke nähern, von den zusätzlichen Defiziten der Gebietskörperschaften und anderer mit öffentlichen Mitteln alimentierter Institutionen gar nicht zu reden.

Es genügt daher nicht, daß der Finanzminister die Lohn- und Einkommensteuer „senkt“, es wäre falsch, würde er kompensatorisch wieder neue Steuern erfinden - wie viele denn noch? -, sondern er muß endlich effektive Maßnahmen zur Reduktion der Aussagen treffen. Daß dies ausschließlich auf Kosten der Arbeitsmarktpolitik und der Pensionen möglich wäre -wfe der Finanzminister zu diesem Thema zu erklären liebt -, ist angesichts der eklatanten Verschwendung von Steuergeldern auf vielen Gebieten eine reichlich provokante Feststellung.

Nebenbei bemerkt: Mit einer Arbeitsmarktpolitik, die die tatsächliche Unterbeschäftigung durch die Schaffung unproduktiver Posten und die Finanzierung unsinniger Projekte kaschiert, ist und nicht gedient

Alles dies hätte ein so kenntnisreicher Wirtschaftsexperte wie Professor Koren durchaus seinem Statement beifügen können, ohne seine Pflicht zur Objektivität, welcher er als Nationalbankpräsident zweifellos unterhegt, zu verletzen.

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