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Regierung am Prüfstand

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Um mit Joseph Schumpeter, dem bekannten Nationalökonomen und österreichischen Finanzminister der Ersten Republik, zu sprechen: Wie soll man von einem Hund verlangen, sich für schlechtere Zeiten eine Wurstsammlung anzulegen, wenn sich nirgendwo in Demokratien ein Minister findet, dem es gelingt, in günstigen Konjunktursituationen Reserven für allfällige wirtschaftliche Rezessionen zu bilden?

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Um mit Joseph Schumpeter, dem bekannten Nationalökonomen und österreichischen Finanzminister der Ersten Republik, zu sprechen: Wie soll man von einem Hund verlangen, sich für schlechtere Zeiten eine Wurstsammlung anzulegen, wenn sich nirgendwo in Demokratien ein Minister findet, dem es gelingt, in günstigen Konjunktursituationen Reserven für allfällige wirtschaftliche Rezessionen zu bilden?

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Nun, das Propagandageplänkel der Parteipressedienste während des so recht ereignislosen innenpolitischen Sommers schloß erst gar nie aus, daß es auch für das Jahr 1970 ein defizitäres Budget geben würde. Umstritten war bloß die Höhe dieses Defizits. Meinten etwa sozialistische Sprecher, das Budgetdefizit werde notwendigerweise mehr als zehn Milliarden Schilling liegen, so konterte Finanzminister Koren ungewöhnlich scharf mit der Feststellung, so hoch könne und dürfe es niemals sein. Damit hatte er sich und die Bundesregierung präjudiziert, noch ehe die Budgetrunde angelaufen war.

Doch nun ist sie es, und die Spekulationen über die mögliche Höhe des Budgetdefizits sprießen aus dem Boden wie die Pilze nach einem Sommerregen. Vorerst steckten die Sozialisten mit ihren übertriebenen Prophezeiungen zurück. Bereits nach Ablauf der ersten Budgetwoche, die bloß das Unterrichtsbudget als harten Brocken enthielten, ließ die sozialistische „Neue Zeit” verlauten, daß „doch mit einem Defizit zu rechnen ist, das bei 8 bis 10 Milliarden Schilling liegen muß”. Die kommunistische „Volksstimme”, in der Kunst des Übertreibens gut beschlagen, gab weniger: Körens „Absicht dürfte sein”, sprach das kommunistische Zentralorgan in der Rolle des Propheten, „das Budgetdefizit auf etwa 7,5 Milliarden Schilling, also auf die Hälfte, zu verringern”. Wie diese Defizithöhe zu erreichen sei, wollte die „Volksstimme” sehr genau wissen: „Budget 1970 — VP-Kurs noch härter”, hämmerte sie ihrem besorgten Leserproletariat mit einer Schlagzeile ein.

10 Milliarden für Bildung?

Damit traf sie den Nagel gleich zweimal auf den Kopf. Hart, ganz bestimmt, wird Finanzminister Koren mit seinen Ministerkollegen auch verfahren müssen, wenn es ihm gelingen soll, die Höhe des Budgetdefizits in noch akzeptablen Grenzen zu halten. Was gerade noch als akzeptabel gelten darf, wird von ökonomischer und politischer Räson bestimmt: 8 Milliarden Schilling Defizit, wie man gelegentlich aus Regierungskreisen zu hören bekommt. Bereits im Frühjahr 1969 prognostizierte Karl Pisa, damals noch Staatssekretär, ein Budgetdefizit in der Höhe von rund 6 Milliarden Schilling. Seine Defizitprognose hätte auch gehalten, wenn es der Regierung nicht inzwischen eingefallen wäre, Bundesheer, Witwen und Bauempensionisten mit zusätzlichen zwei Budgetmilliarden zu befriedigen. Sicherlich wird die ÖVP-Bun- desregierung aus Gründen der Publikumswirksamkeit und stets eingedenk des Versprechens, daß die Bildung absoluten Vorrang habe, dem Minister Dr. Mode ein verdientes Budget-Taufgeschenk zuzuschanzen. 700 Millionen Alpendollar vielleicht, damit das Unterrichtsbudget die respektable 10-Milliarden-Schil- ling-Grenze überschreiten könne.

Ohne „Maulkorb” Schweigen

Die ökonomisch und politisch vertretbare 8-Milliarden-Defizit-HÖhe verpflichtet freilich Finanzminister Koren, bei den Ressorts einiger Minister die Wunschliste zu köpfen. Das dürfte insbesondere Handelsminister Mitterer und seinen Ruf nach stärkerer Förderung des Fremdenverkehrs getroffen haben. Wahr- scheinlich wird es noch Bautenminister Kotzina und Landwirtschaftsminister Schleinzer treffen. Das ist im Falle des ersteren unabänderlich, im Falle des Landwirtschaftsressorts aber gut. Denn der wahrscheinlich zeitlich befristete Auszug eines Teils der Bauern aus dem Reich der ständigen öVP-Wähler hat einen anderen Grund als den, der zu geringen Ressortmittel. Und Existenzangst als Folge einer ebenso unaufhaltsamen wie notwendigen Strukturwandlung läßt sich auch mit zusätzlichen Budgetmillionen nicht heilen.

Sicher ist, daß ein knappes Halbjahr vor dem Wahltag kein Minister für eine höhere Dotation seines Ressorts auf die Barrikaden steigen wird. Der Paukenschlag blieb aus und keine Maulkörbe wurden par- teiofflziell verteilt: dennoch, die ministerielle Schweigemauer hielt dicht. Die Einsicht, daß ruhige Budgetwochen eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf die Gunst des Wählerpublikums auszustrahlen vermögen, ließ selbst die energischesten Ressortchefs verstummen. Das Budget als Prüfstand der Regierung — bislang hat die Sache gut funktioniert.

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