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„Kein Fechtboden für Rhetorik“

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Das Tauziehen der ÖVP-Bünde um die Person des neuen Klubobmannes präigte die letzte Woche der Innenpolitik. Nach der Wahl, die allgemein als hoch-dramatisch empfunden wurde, wairen sich Österreichs Zeitungen einig darüber, daß Prof. Koren einen knappen Sieg, vielleicht sogar einen Pyrrhussieg errungen habe. Nach Bereinigung der personellen Probleme — so meinten die meisten gutwilligen Kommentare — sei endlich freie Bahn für Sachfragen gegeben, obwohl die Verlaererrolle des ÖAAB eine Hypothek auf zukünftige und notwendigerweise eintretende Differenzen darstellt. So meint Thomas Chorherr in der renommierten „Presse“, daß „die Worte, die dann nach der Wahl gesprochen wunden, gut klingen: Man tut jedenfalls so, als seien alla Kriegsbeile begraben, und gibt sich wieder einig, einig, einig. Daß dem nicht so ist, wissen nicht nur die Eingeweihten. Korens Primäraufgabe wird es deshalb vorerst einmal sein, im Klub jene Risse zu schließen, die in den letzten Wochen aufgetreten sind und durch das knappe Wahlergebnis beleuchtet wurden.“ Freundlich, im Ton einer Begrüßungsadresse, formuliert der Chefredakteur des „Kurier“: „Der ÖVP-Klub wird in den harten parlamentarischen Auseinandersetzungen, die sich aus der Existenz der Minderheitsregierung ergeben, den rasch zupak-kenden Verstand, den scharfen Witz, die oft recht unibekümmerte Entschlußfreudigkeit seines neuen Obmannes brauchen können. Er wird sich bald mit dem alterfahrenen Haudegen Pittermann messen müssen... Und er wird im Parlament mehr sehen müssen, als bloß einen Fechtboden für rhetorische Auseinandersetzungen.“

Die „Oberösterreichischen Nachrichten“ geben hingegen die Bedenken Dr. Maletas wider, der ja die „Oberösterireichischen Nachrichten“ zu seinem bevorzugten Organ gemacht hat: „Koren übernahm eine schwere und komplizierte Aufgabe, für ihn bringen die Monate bis Weihnachten eine ungeheure Belastungs- und Bewährungsprobe, wenn kritische

Situationen entstehen, unvorhergesehene Konflikte ausbrechen und Routine und Geschick im Umgang mit der parlamentarischen Praxis nötig sind...“ Ganz links prophezeit man nur Böses („Volksstimme“): „Das sehr knappe Wahlergebnis demonstriert erneut die innere Zerrissenheit der ÖVP, die auch mit der Wahl Korens zum Klubobmann nicht aus der Welt geschafft ist, sich vielmehr in den kommenden Wochen wahrscheinlich noch verstärken wird.“

Und über die Stimmung im ÖVP-Klub rapportieren die „Salzburger Nachrichten“: „Vieles wird zweifellos davon abhängen, wie der „Neuling“ Koren sich in dieses Spitzendreieck einfügt, wie er sich den anderen 78 Abgeordneten im ÖVP-Klub gegenüber verhält. Eines ist klar: Manche ÖVP-Parlamentarier haben gegen Koren Vorbehalte. Weil er zu sehr Fachmann und zuwenig Abgeordneter, vielleicht sogar zu sehr von sich eingenommen sei. Meinen sie. Und noch eins: Als Kkibobmann müsse er die Geschäftsordnung des Nationalrates noch intensiv studieren — denn Pittermann sei ein alter Parlamentsfuchs und als politischer Gagner im Streit über Parlamentsprobleme gefährlich.“

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