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„Gar nicht so zynisch...“

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„Mich hat das Angebot gereizt, theoretische Überlegungen an den Mann zu bringen“ — so rechtfertigt er sei' nen nunmehr vor 33 Monaten gefaßten Entschluß, in die österreichische Bundesregierung einzutreten. Doch allein damit begnügt er sich nicht mehr. Er will besonders jetzt, in der Zeit der großen Konfrontation mit der Oppositionspartei, die durchaus beachtlichen Erfolge seiner gesamten “Wirtschaftspolitik „möglichst unpro-fessoral“ an den Mann bringen. Seine Partei braucht sich auch in dieser Hinsicht nicht über ihn zu beklagen. Der populäre „Wirtschaftswachstumshelfer“ und auf einem ÖVP-Plakat sehr jugendlich aussehende Stephan Koren kämpft an vorderster Front um einen neuerlichen Sieg der Regierungspartei beim großen Wahlgang am 1. März.

Die unbequemen „Zwicker“ In bisher 13 Veranstaltungen in der Steiermark, in Salzburg, Tirol,

Kärnten und dem Burgenland, in denen Journalisten Fragen an Ihn richteten, ist es dem Wirtschaftsprofessor ganz gut gelungen, ohne pro-fessorale Gestik, aber auch ohne die sattsam bekannten Allüren eines „Parteipolitikers mit Hausmacht“ um Vertrauen für seine Wirtschaftspolitik zu werben.

Parteisekretäre schüttelten mehr als einmal den Kopf über die „Unbequemlichkeit“ derartiger Veranstaltungen. Sie verstehen nicht, daß man sich vor Wählern gewissermaßen freiwillig in die Gefahr begibt, von kritischen Redakteuren mit unangenehmen Fragen „gezwickt“ zu werden. Und manche vielleicht unbefriedigende Antwort des Finanz-ministers wird als Beweis dafür angeführt, daß man doch lieber bei der Wahlveranstaltung alten Stils — Referat, Applaus, Ende — bleiben sollte.

Das bisherige Ergebnis — der Berichterstatter der „Furche“ erlebte

die Informationsveranstaltungen in Klagenfurt, Wolfsberg, Villach und Oberwart — scheint aber dennoch dem Minister in gewissem Sinn recht zu geben:

Zum ersten erreichen die parteiunabhängigen Eirilader auch Personen, die es noch zu überzeugen gilt,

Personen, die noch nicht in das Heer der bereits entschlossenen Wähler eingereiht werden können, und Leute, die in ihrem Bekannten- und Freundeskreis die Funktion eines sogenannten „opinion leaders“ ausüben. Jedenfalls aber Menschen, die erst gar nicht daran denken würden, Parteiwahlveranstaltungen üblichen Stils zu besuchen. Dafür spricht die große Anzahl von recht unkonventionellen Anfragen an den Minister.

Ein prominenter Zuhörer

Koren bleibt weitgehend seinem Stil auch treu. Er hält keine Wahlreden, er iriformiert und diskutiert

und zeigt vor allem eine gesunde, kritische Distanz auch gegenüber der ÖVP. Das beeindruckt vor allem jugendliche Zuhörer. In Klagenfurt war es, wo auch einer seiner Zuhörer, bei dem keine Hoffnung besteht, daß er seine Wahlentscheidung noch überprüfen werde — der sozialistische Nationair atsabge-ordnete Pansi, Koren, wie es schien, sehr interessiert zuhörte und bis zum Ende der Veranstaltung ausharrte. Die Bereitschaft zur persönlichen sachlichen Information seitens der Zuhörer Ist vielleicht überhaupt die größte Überraschung dieser Kampagne.

Die Kellnerin im Villacher Bahnhofsrestaurant —- ein anscheinend besonders origineller Ort für eine derartige Diskussion — wieder wundert sich über den Unterschied zwischen dem Koren, den sie vom Fernsehen her kennt, und jenem, der hier vor großem Publikum drei Stunden lang ununterbrochen Fragen beantwortet. „Der ist ja gar nicht so zynisch“, stellt sie plötzlich halblaut fest.

„Ich bin kein echter Zyniker“, meint mch Koren: „Dinge, die ich für ernst halte, nehme ich auch ernst.“ immerhin: Seine Informationsveranstalt :ngen nimmt er anscheinend ernst.

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