Dieses Buch mit seinen siebzehn Erzählungen, darunter auch einige von vernachlässigten Autoren aus dem Österreich des 19. Jahrhunderts, gleicht einem Kaleidoskop. Wie man den Inhalt dreht und wendet, es kommt immer zu überraschenden Mustern.Einige davon hat Alois Brand-stetter in seiner Einführung festgehalten, so etwa die für uns typische Dualität von Harmoniebedürfnis und dissonierender Selbstbezichtigung. Auch die Wien-Schelte des Herrn Karl besitzt eine lange Tradition und geht bis auf Abraham a Sancta Clara zurück.All dem nachzuspüren bietet die Sammlung reichlich Gelegenheit.
Durch die Springflut heterogener Stile, die als .junges Wien“ die Schwelle des Jahrhunderts überschwemmten, ist der bedeutende österreichische Erzähler Otto Stoessl, dessen Todestag sich am 15. September zum 50. Mal jährt, gleichsam unbenetzbar hindurchgegangen. Sein hohes Ideal war es, seine Epoche — das heißt den Niedergang des Bürgertums, den Zerfall von Empfin-dungs- und Verhaltensformen — unter dem Gesichtswinkel zeitloser Lebensgesetze zu betrachten und in seinem Romanwerk darzustellen.Nicht eine antibürgerliche Offensive sei für den Zusammenbruch verantwortlich, innere
Die letzten Monate haben wieder bewiesen, welche Emotionen die Vergangenheit auszulösen vermag. Fragt sich nur, wo wir das Limit ansetzen, wo also die Geschichte der Vergangenheit zum Erkenntnisüberfluß wird, der uns zwar Fakten vermittelt, uns aber im Grunde genommen nichts mehr angeht. Eine radikale Antwort auf diese Frage lautet: eine solche Grenzmark gibt es nicht. Und als Beweis dafür können die zwei Bände höfischer Kultur dienen.Wo wir das Werk aufschlagen, sind wir mitten drin in unseren zeitgenössischen Problemen, ob es sich um den Gegensatz von Ehe und „freier Liebe“
Da zur Zeit die Liedermacher eine florierende, ja dominierende Gruppe der Lyriker darstellen, ist es angebracht, sich mit deren Ahnherrn, nämlich Walther von der Vogelweide, zu beschäftigen. Solche Ahnherrenschaft ist nur so lange schockierend, als man das Bild dieses großen Dichters in der falschen nationalistischen Prägung sieht. Verdienst dieses Buches ist es, das durch eine vergangene Epoche Verzerrte richtigzustellen.Breite Information und gründliche Analyse sind so geschickt kombiniert, daß sich bei der Einführung in das Werk ein zweisprachiger Auswahlband der berühmtesten
Aus dem methodischen Zweifel Descartes' ist zuletzt im 20. Jahrhundert eine zweifelhafte Methodik geworden, die die Sprache als Instrument der Wahrheitsfindung und Wahrheitsvermittlung in Frage stellt. Erich Fried, der unbequeme und unermüdliche Frager und Entlarver, geht jedoch daran, die elegant mit Worten jonglierenden Sprachzweifler auf ihre eigene Zweifelhaftigkeit aufmerksam zu machen.Mag Erich Fried in seinem umfängreichen lyrischen Werk auch immer wieder mit Widerlegungen beginnen, letztlich sucht er nach Erkenntnis, formt er eine Sprache, die sich für Erkenntnisvermittlung tauglich
„Jedes Leben ist eine Folge von Niederlagen, viel zu demütigend und beschämend, als daß man davon sprechen könnte.“ So begründet Orwell sein testamentarisch besiegeltes Verbot, sein Leben posthum aufzurollen. Sechzehn Jahre nach seinem Tod (1950) ist es dann doch geschehen. Seinem Freund und Verehrer, dem brillanten Schriftsteller George Woodcock, ist es gelungen, in einer inneren Biographie zu zeigen, welche geographischen und geistigen Bereitstellungsräume — von Burma über das Spanien des Bürgerkriegs bis zum Paris der Elendsviertel — für Orwell notwendig gewesen sind, ehe
Aus der nun fast, schon hundertjährigen Rezeptionsgeschichte von Franz Molnärs Lustspielen und Bühnenstücken wird unter der Feder von Georg Kövary eine ebenso kenntnisreiche wie amüsante Literaturkomödie, deren Schauplatz die Theaterwelt von Budapest bis Hollywood umspannt. Wie man da und dort, im Bereich des Liberalismus oder der marxistischen Literaturtheorie zu diesem Virtuosen des Amüsiergeschäfts steht, sagt mindestens so viel über die kritisierende Gesellschaft wie über den Künstler selber aus.Nur wer wie Georg Kövary keine sprachlichen und ideologischen Barrieren hat, weil
„Wir lassen uns den Seifert nicht nehmen“, protestierte das Prager Fernsehen gegen den Nobelpreis eines Autors, den man jahrelang übergangen oder zensuriert hatte. Mag dies auch ausgepichte Heuchelei sein, so wird niemand in Abrede stellen, daß der Nobelpreis zu den wenigen Mögüchkeiten gehört, dem derzeitigen starren System in der Tschechoslowakei einen Haarriß beizubringen.Was aber hat der westliche Leser davon? Viel, denn auch wir brauchen Jaroslav Seifert, einen Dichter, der bekennt: „Ich gehöre zu den treuen Anbetern eines der schönsten Mythen unserer Welt. Ich glaube an den
Daß es etwas oder sogar ziemlich viel gibt, von dem nicht einmal unsere Computer träumen, kostet manchem Positivisten bereits den Schlaf. Die Unsicherheit beginnt bei den Holzwürmern, bei den gelben Ameisen, die man nicht vertilgen kann, ohne sich selber zu vertilgen und endet wo?Die Angst, wie sie uns bei einem Blick auf die Verluste an Ak-ker-, Wald- und Weideflächen überkommt, hat die Menschen schon immer periodisch überfallen, denn, ob nun Wildbeuter, Tierzüchter oder Nomade, jedesmal geriet eine Wirtschaftsform in die Endlage einer „Uberflußgesellschaft“, wo alle
Macht die Kunst im Lauf der Jahrhunderte Fortschritte? Gilt also auch für den Literatur-Darwinismus der selektive Kampf ums Dasein, demzufolge nur die Tüchtigsten überdauern?Am Ende der zwanziger Jahre versuchten zwei russische Formalisten, Juriy Tynjanow und Roman Jakobson, diese Spannung von Innen und Außen, von Autarkie der künstlerischen Form und geschichtlichem Umfeld zu interpretieren. Auf solchen Erfahrungen aufbauend, unternimmt es Viktor Zmegac, Literaturhistoriker von internationalem Ruf, die Geschichte der deutschsprachigen Literatur vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart
Man redet heute so viel von der Sprache — fast so viel wie von der Liebe, immer in der Uberzeugung, durchs Reden kämen die Leute zusammen, aber auch die Wörter fänden so zur Sprache. In Wahrheit bleibt's da wie dort beim bloßen Gerede.Wenn aber Doris Mühringer zu schreiben beginnt, ist die Sprache sofort da und mit ihr eine innerste Beziehung zu allen Wesen. Häufig setzt sie wie in ihren Gedichten so auch in dieser Prosa mit einem Verbum ein. Eine Bewegung ist es („Tanzen unter dem Netz“), die uns sofort ebenso sanft wie eindringlich anrührt, bis sie dann auch die Substanz im
Dezsö Monoszlöy war sein Leben lang unterwegs, getrieben von den politischen Verhältnissen, getrieben aber auch von einer leidenschaftlichen Anteilnahme an der Vielgestalt des Menschseins. Von den ältesten Plätzen des Ostens, wo man die Archäologie unseres Bewußtseins betreiben kann, führt er uns anhand seiner Erzählungen bis zu den Vergnügungsbetrieben des Westens, wo man die „Seele” — oder was man dafür hält — zu Schleuderpreisen an den Mann bringt.Wie spielt sich das Leben ab, wenn man es nur noch als Spiel lebt? Monoszlöy verfolgt solche Spielpositionen (Golf, Schach
„Meine Geschichte ist von allen Geschichten in der Bibel die beste”, schreibt David in seinen Memoiren, denen man es sofort anmerkt, daß er nicht nur mit der Steinschleuder den Goliath erschlagen hat, sondern — wie der Autor Joseph Heller, der als Bomberpilot 60 Einsätze von Korsika aus geflogen ist - ein Mann ist, der das Landserleben und die Brutalität des Krieges kennt, aber auch jene Revolte der Lebensgier, die unter dem Druck der Ängste losbricht und explosiv alle sittlichen Schranken zerschmettert.Patriarchalisches Monopol der echten Abstammung und Don-Juan-hafte Vielfalt
Otto Basil, ein Mann der ..ersten Stunde" (im Oktober 1945 erschien die erste Nachkriegsnummer seiner Zeitschrift PLAN), ist von uns gegangen. Er zählte zu den Persönlichkeiten, deren Immunität gegenüber dem Faschismus den wiedererstandenen Staat berechtigte, ihnen die Neubegründung in einem humanitären Sinn anzuvertrauen. Als Herausgeber, Ubersetzer und feinsinniger Interpret geschichtlicher Zusammenhänge hat Otto Basil dieses Vertrauen gerechtfertigt und entscheidend mitgeholfen. Osterreich in die europäische Kulturgemeinschaft zu reintegrieren.Zu seinem weitgespannten und
Ein Buch von der Mayröcker ist eine Mayröcker, ein Buch von der Jeannie Ebner ist eine Ebner.Aber was ist ein Buch mit den Prosatexten von 15 Autoren, die nach dem unangreifbaren Urteilsspruch des Alphabets mit Bodmershof beginnen und mit Szabo enden? Und doch ergeben diese 15 eine stabile Einheit.Die Herausgeberin Senta Ziegler hat alles getan, um den Leser durch alle Generationen und Ausdrucksformen zu einer übergeordneten Einheit zu führen: Niederösterreich.Insgeheim verbirgt sich hinter dem Landstrich noch viel mehr: ein Menschenschlag, eine Lebenshaltung.Ja, da sitzen sie also, jeder
Der österreichische Dichter Friedrich Bergammer ist in diesen Tagen in New York gestorben.Wir nennen ihn ,JDichter", weil die Alternative des Schriftstellers für ihn gar niemals bestanden hat. Schon aus physiologischen Gründen nicht. Seit früher Jugend war er körperbehindert. Seine zitternden Hände verwehrten ihm die psycho-physische Tätigkeit des Schreibens, ersparten ihm aber auch die Verführung zur literarischen Virtuosität.Die Verknappung des Ausdrucks, xvie sie ihm durch sein Leiden aufgezwungen war, führte dank seines Kunstverstandes! und seiner Gefühlsintensität zu
Rudolf Otto Wiemer muß ein ganz hervorragender Lehrer gewesen sein (1967 wurde er pensioniert), einer von den Mitreißenden, denen jede Rolle recht und keine zu schlecht ist, sei es nun die eines Bänkelsängers, Komödianten oder Kabarettisten pädagogischer Kleinkunst: wenn nur die Klasse fasziniert und an das Ziel geführt werden konnte!Dieser Impuls, wie er aus der prickelnden Auseinandersetzung mit jungen Menschen kommt, gibt auch diesen Gedichten ihre Frische. Letztes Ziel des Pädagogen und Dichters R. O. Wiemer ist Gott. Aber wie von Gott sprechen?Wiemer risikiert es, pfiffig zu sein,
Mächtiger noch als die Kernenergie ist die Vorstellungskraft des Menschen. Denn sie ist es ja, welche die Natur über deren eigene Schwelle in neue Wirklichkeiten hineinjagt, Physikalisches, Stoffliches und Psychisches zu bisher nie dagewesenen Mustern verschränkt. Als Hauptakteurin in den Gehirnen der Erfinder und Forscher manövriert sie die Menschheit in ihre derzeitige Lage.Ist das Wissen nicht von der Phantasie bereits gefährlich überfordert? Diese Sorge wird von der Technik ebenso gern vertuscht wie von den Literaten aufgedeckt. Hier also sechs Erzählungen aus dem
Begabung bleibt immer Geheimnis. Aber es macht doch einen Unterschied, ob sich dieses Erbteil der' Chromosomenschleifen in einer anonymen Geschlechterreihe verliert, oder ob Mutter und Vater als Ilse Aithinger und Günter Eich vor uns stehen.Dem jetzt 26jährigen Clemens. Eich starb der Vater sehr früh. Sohandelt sein ungewöhnlicher Gedichtband „Aufstehn und gehn“ (im S. Fischer Verlag, Frankfurt/ Main) von einem frühen Sterben, als begänne für ihn das Leben mit dem Tod. Den jung Bedrohten und früh Heimgegangenen widmet er suggestive Epitaphe, dem beim Cowboy-Spiel
Alternativen anzubieten ist Sache der Opposition. In den einfachen Geschichten Helmut Heißenbüttels stehen die Figuren allesamt in Opposition zur Schöpfung. Die Stellung verdanken sie entweder dem experimentellen Trick ihres Autors oder ihrer äußeren und inneren Zwangslage. Jedenfalls führt Helmut Heißenbüttel diese Alternativen mit Präzision und Folgerichtigkeit bis an ihr eigenes Ende, so daß zu guter Letzt die heile Majorität vom Himmel und Erdedoch wiederum ein wenig aufleuchtet.So geht zum Beispiel des Oberpostdirektors Wunsch in Erfüllung: Nach seiner
Wieviel auch veröffentlicht wird, die verborgen bleibende Masse des Eisbergs Literatur, die nie ans Licht kommt, ist riesengroß. Sogar bei einem Nobelpreisträger dauert es 40 Jahre, bis seine Reisetagebücher zugänglich gemacht werden. Es sind Arbeitshefte mit täglichen Fingerübungen des schreibenden Beobachters, den Etüden der Empfindungskraft, aber auch bereits mit bedrohlichen Irritationen, die nur noch auf die Klarheit des Schreibens als Möglichkeit der Selbstausheilung hoffen.In all dem liegt der Reiz einer persönlichen Begegnung. Denn sobald das Werkdenken einsetzt, muß die
„Man soll die Entwicklung nicht ignorieren“, sagte jüngst Bundeskanzler Kreisky, darauf angesprochen, welche Zuwachsraten denn aus Regierungs-Sicht die nächste Lohnrunde bringen soll. Nun, die Entwicklung ist unübersichtlicher denn je, nicht zuletzt deshalb, weil das österreichische Institut für Wirtschaftsforschung unter Regierungs-Druck äußerst problematische Prognosen des Wirtschaftswaehs-tums liefern muß. Zuletzt verhieß dieses aus Steuermitteln finanzierte Institut ein reales Wirtschaftswachstum von vier Prozent für das laufende Jahr. Hinter vorgehaltener Hand meinen die
Josef Taus hat einen ganz großen persönlichen und politischen Erfolg erzielt: Alles in allem genommen, kamen die Wirtschaftsgesetze, vor allem aber die Marktordnung, so zustande, wie er es sich vorgestellt hatte — ohne weitreichende Eingriffe in das System der Sozialpartnerschaft, ohne Gesichtsverlust für die Bauern, ohne Schwächeanfälle der ÖVP.
„Mich hat das Angebot gereizt, theoretische Überlegungen an den Mann zu bringen“ — so rechtfertigt er sei' nen nunmehr vor 33 Monaten gefaßten Entschluß, in die österreichische Bundesregierung einzutreten. Doch allein damit begnügt er sich nicht mehr. Er will besonders jetzt, in der Zeit der großen Konfrontation mit der Oppositionspartei, die durchaus beachtlichen Erfolge seiner gesamten “Wirtschaftspolitik „möglichst unpro-fessoral“ an den Mann bringen. Seine Partei braucht sich auch in dieser Hinsicht nicht über ihn zu beklagen. Der populäre
Mit dem Ende letzter Woche erzielten Benya-Sallinger-Kompromiß über die Verkürzung der Arbeitszeit, das den wahlkämpfenden Sozialisten unter Führung Dr. Krevskys einigen Wind aus den roten Segeln genommen hat, stellt sich nunmehr die leidige Frage, wie teuer uns allen die zusätzliche Freizeit kommen wird. Einer aber wird sofort und unmißverständlich zur Kasse gebeten, der Bund. Kaum jemand ist nämlich so vermessen, zu glauben, daß der unter chronischem Personalmangel leidende und zusätzlich von der uni-farbenen Bundesregierung Jahr für Jahr geschröpfte Beamten- und